Drei Monate nach Einführung des Deutschlandtickets gehen die Bewertungen stark auseinander. DB-Regio-Chefin Evelyn Palla lobte das Ticket als „großen Erfolg“ - der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, nannte es „eine schöne Werbemaßnahme für bisherige Stammkunden“. Er bemängelte, es werde „viel Geld in eine Tarifsubvention gesteckt statt in den Ausbau“. Der Verkehrsexperte der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), rechnet bereits mit einem höheren Preis für das Ticket.
Das Ticket zum Preis von 49 Euro war im Mai eingeführt worden. DB-Regio-Chefin Palla sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntagsausgaben), die Zahl der Fahrgäste sei im Juni verglichen mit April um 25 Prozent gestiegen. „Und nicht nur das: Sie haben auch deutlich längere Strecken im öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt.“
Besonders die Ausflugsrouten Richtung Meer und Berge seien in der Ferienzeit sehr beliebt. In manchen Regionen seien „die Menschen so viel unterwegs wie im Neun-Euro-Sommer“, sagte Palla mit Blick auf das im vergangenen Jahr von Juni bis August angebotene vergünstigte Monatsticket.
Das Deutschlandticket sei „einfach, kostengünstig, ökologisch sinnvoll und digital“, lobte die DB-Regio-Chefin. Sie appellierte an Bund und Länder, den monatlichen Preis von 49 Euro auch im kommenden Jahr stabil zu halten. Die DB Regio wünsche sich, dass der Preis „weiterhin leistbar“ bleibe und „vielen Menschen Zugang zu täglicher Mobilität“ ermögliche.
Pro Bahn kritisiert Sparpläne der Regierung
Der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, widersprach in der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe): Das 49-Euro-Ticket sei „kein wirklich großer Erfolg“. Ein großer Teil der Neukunden seien vor allem die Menschen, die den öffentlichen Personennahverkehr ohnehin zwischendurch genutzt hätten, etwa mit Tageskarten und Einzelfahrscheinen.
„Dass man wirklich Menschen in großen Mengen von der Straße in den ÖPNV gelockt hat, ist nicht passiert.“ Auch Naumann lobte das Ticket aber, weil damit die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs billiger und einfacher geworden sei.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte Mitte Juni mitgeteilt, dass elf Millionen Menschen bis dahin ein Abonnement abgeschlossen hatten - 46 Prozent von ihnen hatten auch vorher ein Abo für den ÖPNV, 44 Prozent nutzten vorher Einzeltickets oder Monatskarten und acht Prozent waren reine Neukunden.
Der Verkehrsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Bareiß (CDU), kritisierte in der „Rheinischen Post“, das Deutschlandticket komme vor allem Großstädtern zugute. In ländlichen Regionen habe sich das Angebot an öffentlichem Bus- und Bahnverkehr bereits verschlechtert. „Taktungen werden zurückgefahren und manche Verbindungen werden komplett eingestellt“, sagte Bareiß.
Er warnte vor weiter steigenden Kosten: „Schon laufen die ersten Wetten, wann die ersten Preiserhöhungen kommen werden und das 49-Euro-Ticket Geschichte sein wird.“ Bareiß kritisierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Der habe „in einer Zeit, in der das Geld für Infrastruktur hinten und vorne fehlt“, seinen finanzpolitischen Kompass verloren.
VDV fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur
Im laufenden Jahr trägt der Bund die Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten für das Ticket. In den Jahren 2024 und 2025 übernimmt er jeweils 1,5 Milliarden Euro. Die sogenannten Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern für den ÖPNV zahlt, werden entsprechend erhöht.
VDV-Präsident Ingo Wortmann hatte im Juni gesagt, die Einführungsphase des Tickets zu einem Preis von 49 Euro sei „auf zwei Jahre politisch verabredet“ worden. Im Anschluss sei eine Erhöhung möglich. Im Moment sei die Finanzierung des Tickets aber nur bis Ende dieses Jahres gesichert.
Der Verband kritisiert ebenfalls stets ein mangelhaftes Angebot im ÖPNV. Nötig sei „mehr Angebot in den Städten und wir brauchen überhaupt ein Angebot auf dem Land“, sagte Wortmann im Juni. Das können die Verkehrsunternehmen demnach nicht allein stemmen, sondern brauchen dafür mehr Unterstützung von Bund und Ländern.