Nach Pushback-Vorwürfen: Frontex-Chef tritt zurück
Der umstrittene Frontex-Chef Leggeri ist zurückgetreten. Insbesondere Ermittlungen zu den illegalen „Pushbacks“ durch griechische Grenzwachen hatten die Führung des Franzosen schwer belastet.
Archivbild: Fabrice Leggeri (DPA)

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex bekommt nach schweren Vorwürfen im Zusammenhang mit der Zurückweisung von Migranten im Mittelmeer einen neuen Chef. Der Verwaltungsrat der Behörde teilte am Freitag mit, der bisherige Exekutivdirektor Fabrice Leggeri sei mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der Franzose führte Frontex seit 2015.
Als Hintergrund der Entscheidung Leggeris gelten insbesondere Ermittlungen zur illegalen Zurückweisung von Migranten im Mittelmeer. Ihnen zufolge sollen Führungskräfte der in Warschau ansässigen Agentur Frontex absichtlich vertuscht haben, dass griechische Grenzschützer Flüchtlinge zurück aufs offene Mittelmeer brachten. Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen - sogenannte Pushbacks - sind nach internationalem Recht illegal.
Die Bundesregierung begrüßte am Freitag die Entscheidung Leggeris zum Rückzug. Der Schritt gebe die Möglichkeit eines Neuanfangs bei Frontex sowie dazu, Vorwürfe restlos aufzuklären und sicherzustellen, dass alle Einsätze der Agentur im vollen Einklang mit dem europäischen Recht erfolgten, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin.
Frontex war 2004 von der EU gegründet worden und nach der 2015 begonnenen Flüchtlingskrise zur Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache ausgebaut worden. Der eigentliche Grenzschutz fällt zwar weiterhin unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die Agentur soll aber für ein gemeinsames Management der Außengrenzen sorgen und nationale Grenzschutzeinheiten bei Bedarf effektiv unterstützen.
Statt sichtbaren Fortschritten gab es zuletzt allerdings vor allem Kritik an der Arbeit von Frontex-Einheiten. Dabei geht es insbesondere um mögliche illegale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen. So haben griechische Grenzschützer Medienberichten zufolge mehrfach Boote mit Migranten illegal zurück in Richtung Türkei getrieben. Frontex-Beamte sollen dabei teils in der Nähe gewesen sein und dies nicht verhindert haben. Mehrere EU-Stellen beschäftigten sich zuletzt mit den Vorwürfen. Ermittlungen der EU-Anti-Betrugsbehörde als Last
Der 2015 ins Amt gekommene Leggeri hate Kritik am Vorgehen von Frontex immer wieder zurückgewiesen. Im vergangenen Jahr sagte er der „Welt“ zu dem Thema: „Was Griechenland angeht, so würde ich nicht einfach so von ‚Pushbacks‘ sprechen.“ Es gebe Situationen im Meer zwischen der Türkei und Griechenland, die keine Seenot-Situationen seien, da die Boote nicht außer Kontrolle geraten seien. „Sie versuchen, sich den Grenzkontrollen zu entziehen und werden mutmaßlich zum Zweck krimineller Aktivitäten benutzt“, sagte der Franzose. Dann gelte der Rechtsrahmen des Abfangens von Booten.
Druck auf Leggeri übten zuletzt vor allem Ermittlungen der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf aus, die nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zu dem Ergebnis kamen, dass die illegale Zurückweisungen von Migranten im Mittelmeer von mehreren Führungskräften vorsätzlich verschleiert wurde. Nach einem Bericht des „Spiegel“ wurden bei den Ermittlungen 20 Zeugen befragt und unter anderem das Büro von Frontex-Chef Fabrice Leggeri durchsucht.
Übergangsweise soll nach Frontex-Angaben nun Aija Kalnaja die Amtsgeschäfte von Leggeri übernehmen. Sie war vor ihrem Engagement bei der EU-Grenzschutzagentur unter anderem Vizechefin der Polizei in Lettland. Gegen zwei Frontex-Mitarbeiter, die von Olaf-Ermittlungen belastet werden und die noch nicht zurückgetreten sind, sollen weitere Schritte eingeleitet werden. Europaabgeordnete erfreut über Rücktritt Leggeris
Europaabgeordnete begrüßten am Freitag die Neuigkeiten. „Fabrice Leggeris Rücktritt ist eine längst überfällige und willkommene Entwicklung - nach Jahren der ständigen Kritik wegen Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen durch Frontex unter seiner Leitung“, kommentierte die SPD-Politikerin Birgit Sippel.
Die Vorsitzende des Frontex-Kontrollgremiums im Europaparlament, Lena Düpont (CDU), rief dazu auf, nun die Arbeitsfähigkeit der Agentur sicherzustellen. „Angesichts der fundamentalen Rolle von Frontex für den Schutz unserer Außengrenzen und die europäische Sicherheitsarchitektur insgesamt darf dies im Augenblick unser einziges Augenmerk sein“, erklärte sie.
Die Hilfsorganisation Pro Asyl forderte unterdessen eine grundlegende Reform von Frontex. „Nötig ist eine unabhängige Überwachung von Frontex, um sicherzustellen, dass die EU-Agentur im Einklang mit dem Völkerrecht und der EU-Grundrechtecharta agiert“, sagte Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung. Das gigantische Frontex-Budget von derzeit mehr als 750 Millionen Euro müsse massiv gekürzt werden, ebenso müssten die Verantwortungsbereiche reduziert und verändert werden.

DPA