Sind Medien noch die vierte Gewalt?
Aktuelle Vorfälle grenzüberschreitender medialer Aktivitäten verdeutlichen, dass diese von Staaten als Sicherheitsproblem wahrgenommen werden. Wie wird diese Entwicklung die Pressefreiheit beeinträchtigen?
Zeitungen (Symbolbild) (DPA)

Medien, die dem Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative folgend eine potenzielle Druckausübung auf diese und weitere Multiplikatoren verhindern, gelten aufgrund dieser Kontrollfunktion als vierte Gewalt (fourth estate). Aus dieser Perspektive betrachtet sind Medien ein wichtiger Faktor für die Demokratisierung und Modernisierung eines Landes, und folgerichtig steht die Pressefreiheit in vielen Verfassungen weltweit unter einem präzise formulierten, besonderen Schutz. Die gegenwärtige Diversifizierung der Medien im digitalen Raum hat im Laufe der Zeit einen Zustand angenommen, der die Demokratie bedroht. Eine Reihe von aufgedeckten digitalen Medienmanipulationen, die etwa im Fall von Cambridge Analytica die USA und andere europäische Staaten erschüttert haben, zeigen auf, in welcher Weise Medienplattformen eine klare Bedrohung für Demokratien darstellen können.

Der Übergang von Massenmedien hin zu einem interaktiven Web, in dem quasi jeder Produzent von Inhalten ist, hat auch zu einem negativen strukturellen Wandel in der Medienlandschaft geführt. Mankos wie das Fehlen von redaktionellen Kontrollmechanismen und die Produktion von Inhalten durch jedermann haben Medien in negativer Weise beeinflusst. Daher wirkt sich der quantitative Anstieg von Informationsquellen nicht immer positiv auf die Qualität der Inhalte aus. So können soziale Medien, die Milliarden von Nutzern haben, sowohl als alternative Medien fungieren als auch Plattformen sein, die Informationen manipulieren. Maßnahmen zu ergreifen, um möglichen Bedrohungen in diesem Bereich entgegenzusteuern, liefern in Deutschland, Frankreich und Großbritannien erheblichen Diskussionsstoff. Folgerichtig steht zu erwarten, dass staatliche Sicherheitsmaßnahmen in naher Zukunft auf digitale Plattformen ausgeweitet werden. Aus diesem Grund verhalten sich Staaten gegenüber Aktivitäten digitaler Plattformen und transnationaler Medienanstalten im eigenen Land distanziert und zeigen kein Interesse an der Entwicklung dieser Plattformen.

Ist die Pressefreiheit bedroht?

Staaten, die ihre Medienaktivitäten über ihre Grenzen hinaustragen, zielen einerseits darauf ab, von den Entwicklungen vor Ort aus erster Hand zu erfahren. Andererseits wollen sie ihren Einfluss in den jeweiligen Staaten erhöhen. Um ihren Einflussbereich zu erweitern, nutzen sie die Medien dann auch als fünfte Kolonne (fifth column). Dabei zählt als staatliche Aktivität im Sinne einer fünften Kolonne beispielsweise das Erzeugen von psychologischem Druck, um damit Menschen einfacher zu manipulieren. In den letzten Jahren wird in der westlichen Welt von einer fünften Kolonne vor allem im Rahmen der Medienaktivitäten Russlands und Chinas gesprochen, denen man Einflussnahme vorwirft. Auch deshalb verhalten sich westliche Staaten repressiv gegenüber Rundfunkorganen Russlands und Chinas. Diese Haltung, die inzwischen auch für Spannungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen sorgt, führt dazu, dass auch Russland und China ihre Position gegenüber westlichen Medienhäusern verschärfen, sodass es zu gegenseitigen Einschränkungen der Pressefreiheit kommt.

Wie werden chinesische und russische Medien in Europa wahrgenommen?

Die aktuellen Beispiele in digitalen Medien und medialen Aktivitäten über Landesgrenzen hinaus verdeutlichen, wie diese Bereiche zu einem nationalen Sicherheitsproblem für Staaten geworden sind. Sogar derart, dass europäische Staaten sehr harte Maßnahmen gegen Unternehmungen ergreifen, die ihre Souveränität bedrohen. Der Medienregulator Ofcom beispielsweise hat die Lizenz des chinesischen Staatssenders CGTN (China Global Television Network) in Großbritannien aufgrund der Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas auf den Sender und der betriebenen Propaganda zurückgezogen. Die Tatsache, dass der genannte Sender zwar vordergründig der Firma Star China Media Limited gehört, diese aber keinen direkten Einfluss auf den Sendeverlauf hat, wurde von Großbritannien als Hauptgrund für den Entzug der Lizenz genannt. Ähnlich ergeht es dem Sender Russia Today in Deutschland, der seine Medienpräsenz im Internet mit einem Fernsehsender ausbauen wollte, aber keine Lizenz erhielt. Als Hauptgründe für die Nichterteilung der Lizenz an Russia Today wurden grenzüberschreitende Desinformationskampagnen und der Vorwurf an den Sender genannt, eine Plattform für Putins Propaganda zu bieten. Macrons Verweigerung der Akkreditierung für die Medienhäuser Russia Today und Sputnik bei seinen Pressekonferenzen, weil sie mutmaßlich die Präsidentschaftswahlen 2017 in Frankreich manipuliert hätten, zeigt ein weiteres Beispiel aus Europa. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit erwähnt Macron, dass die Wahlen manipuliert wurden, und nimmt eine entsprechende Haltung gegen Russia Today und Sputnik ein.

All diese Beispiele zeigen, dass souveräne Staaten Medienplattformen, durch die sie sich bedroht fühlen, ernsthaft angehen. Die seit langer Zeit diskutierten Manipulationen durch Medien wirken sich auch negativ auf das Verhältnis von Medien und Demokratie aus. Medien, die aus Sicht der Demokratie letztlich eine bedrohliche Form angenommen haben, verlieren ihre Kontrollfunktion als vierte Gewalt. Schlussendlich werden Medienorgane, die als psychologisches Instrument weltweit eingesetzt werden, um beispielsweise Wahlen zu manipulieren oder etwa Krisen auszulösen, im Kontext ihrer Aktivitäten immer mehr als fünfte Kolonne wahrgenommen.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com