20.06.2022, Israel, Jerusalem: Naftali Bennett (l), Ministerpräsident von Israel, spricht während einer gemeinsamen Erklärung mit Jair Lapid, Außenminister von Israel, in der Knesset. Israels Regierung will das Parlament auflösen und damit den Weg zu Neuwahlen ebnen. (dpa)
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Israel ist zurück im politischen Krisenmodus: Die Regierung will gut ein Jahr nach ihrem Amtsantritt das Parlament auflösen und damit den Weg zu Neuwahlen ebnen. In der kommenden Woche wolle die Acht-Parteien-Koalition die Knesset über das Vorhaben abstimmen lassen, sagte Ministerpräsident Naftali Bennett am Montagabend bei einer Pressekonferenz in Jerusalem. Damit steht in Israel wieder eine Wahl an - die fünfte innerhalb von dreieinhalb Jahren.
Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung soll nach Willen Bennetts der aktuelle Außenminister Jair Lapid stellvertretend das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen. Die Wahl könnte Medienberichten zufolge Ende Oktober stattfinden.
Siedler-Frage Hauptgrund für Neuwahlen
Als Hauptgrund für die Entscheidung nannte Bennett das Scheitern einer Abstimmung im Parlament über die weitere Anwendung von israelischem Recht auf israelische Siedler in den besetzten Palästinensergebieten. Die Acht-Parteien-Koalition war nicht in der Lage, eine Mehrheit für die Abstimmung zu sichern. Die mehrheitlich rechtsorientierte Opposition stimmte trotz grundsätzlicher Befürwortung des Gesetzes aus strategischen Gründen dagegen. So wollte sie die Regierung unter Druck zu setzen.
Die Auflösung des Parlaments bedeutet, dass das israelische Recht für die Siedler vorerst weiter in Kraft bleibt. Andernfalls wäre die Regelung, die bereits seit 1967 besteht, aber alle fünf Jahre verlängert werden muss, Ende Juni ausgelaufen.
Bennetts Regierungsbündnis wackelt schon seit längerem. Im April hatte die Viel-Parteien-Koalition ihre hauchdünne Mehrheit von 61 von 120 Sitzen verloren, weil eine Abgeordnete das Bündnis verlassen hatte. Vor einer Woche erklärte ein weiteres Mitglied von Bennetts ultrarechter Jamina-Partei seinen Austritt aus der Koalition. Damit wäre Bennetts Koalition in einer Minderheit von 59 zu 61 Sitzen in der Knesset. Die Opposition um den noch immer einflussreichen Ex-Premier Benjamin Netanjahu forderte Bennetts Rücktritt.
Netanjahu plant Comeback
Netanjahu feierte das Aus für die Koalition Medienberichten zufolge als „großartige Nachricht für Millionen israelischer Bürger“. Die schlimmste Regierung in der israelischen Geschichte würde nun zu Ende gehen. Der Oppositionsführer wolle bald wieder eine Regierung unter der Führung seiner Likud-Partei bilden.
Die Acht-Parteien-Koalition einte bei ihrem Zusammenschluss vor allem der Wunsch, Netanjahus Rückkehr an die Macht zu verhindern. Er war zuvor mehr als ein Jahrzehnt Ministerpräsident gewesen. Netanjahu ist im Land allerdings äußerst umstritten: So muss sich der Ex-Premier wegen drei Korruptionsfällen vor Gericht verantworten. Laut Umfragen könnte seine Partei dennoch wieder stärkste Kraft werden.
Die Regierung habe das politische Klima im Land verbessert, sagte Bennett israelischen Medien zufolge. „Wir haben eine gute Regierung gebildet und Israel gemeinsam aus der Krise herausgeholt.“ Unter der Führung der Koalition gelang es dem Parlament etwa erstmals seit Jahren einen Haushalt zu verabschieden. Zuvor war die Regierung unter Netanjahu an der Einigung auf einen Haushalt gescheitert.
Arabische Partei war erstmals Teil von Koalition
Die bis auf wenige Ausnahmen relativ harmonisch agierende Koalition ist seit dem 13. Juni vergangenes Jahr im Amt. Damals fand eine politische Dauerkrise in Israel mit vier Wahlen binnen zwei Jahren ihr Ende. Das Bündnis wurde von Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum getragen - darunter erstmals auch eine arabische. Viele zweifelten damals daran, dass die Regierung länger Bestand haben könnte, auch wegen der nur hauchdünnen Mehrheit im Parlament.
Beobachter fürchten, dass es nun nicht nur wieder zu einer, sondern gleich mehreren Wahlen hintereinander kommen könnte. Die Chance für ein abermaliges Patt bei der Regierungsbildung wie schon bei vergangenen Wahlen sei sehr hoch, warnte jüngst Jonathan Rynhold, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv.

dpa