Benny Gantz (l.) and Benjamin Netanjahu (r.) (AFP)
Folgen

Nach einem zermürbenden Machtkampf haben sich der rechtskonservative Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein oppositioneller Rivale Benny Gantz doch noch auf eine Koalitionsbildung geeinigt. Damit bleibt Netanjahu zunächst weiterhin Regierungschef in Israel.

Eine Vereinbarung mit dem Ziel einer „nationalen Notstandsregierung“ sei unterzeichnet worden, teilten Netanjahus Likud-Partei und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß mit. Im Amt des Ministerpräsidenten soll rotiert werden: Netanjahu soll als Erster eineinhalb Jahre lang das Amt bekleiden und dann im Oktober 2021 von Gantz abgelöst werden. Zunächst hatte Gantz eine Koalition wegen einer Korruptionsklage gegen Netanjahu abgelehnt.
Die linksliberale oppositionelle Merez-Partei kritisierte die Einigung scharf. Damit soll nun eine seit mehr als einem Jahr andauernde Pattsituation zwischen Netanjahus rechts-religiösem Block und dem Mitte-Links-Lager um Gantz beendet werden. Ohne Einigung hätte Israel zum vierten Mal seit April 2019 ein neues Parlament wählen müssen.
Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanjahu verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren Sieger, Gantz erhielt aber den Auftrag zur Regierungsbildung.
Rotation des Premierministeramtes
Likud und Blau-Weiß wollen nun ein „Corona-Kabinett“ bilden, das die Krise gemeinsam verwaltet. Die Ministerämter sollen dabei paritätisch verteilt werden. Es wird damit gerechnet, dass die strengreligiösen Parteien sowie die Arbeitspartei sich ebenfalls der Koalition anschließen. Gantz soll zunächst Verteidigungsminister und Vize-Regierungschef werden. Im Herbst kommenden Jahres solle dann Gantz Regierungschef werden und Netanjahu sein Vize.
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz gratulierte Netanjahu und Gantz. Er freue sich darauf, die gute Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsam gegen alle Formen von Antisemitismus zu kämpfen, schrieb er auf Twitter. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete die Einigung als großen Schritt heraus aus der politischen Sackgasse. Gleichzeitig müsse sich die Stabilität der Vereinbarung auch langfristig beweisen. „Ein Prüfstein wird hierfür der Wechsel im Amt des Regierungschefs zwischen Netanjahu und Gantz zur Mitte der Wahlperiode sein.“ Auch müsse die Unabhängigkeit der Justiz weiterhin und langfristig gesichert werden.
Die Koalitionsverhandlungen waren immer wieder ins Stocken geraten. Ein zentraler Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war laut Medienberichten die Forderung von Netanjahus Likud-Partei nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern. Demzufolge wird in einem zuständigen Ausschuss laut der Vereinbarung eine Mehrheit rechtsorientierter Abgeordneter herrschen.
Netanjahu wegen Korruption angeklagt
Gantz hatte zuvor eine große Koalition mit der Likud-Partei mit Netanjahu an der Spitze abgelehnt, weil dieser wegen Korruption in drei Fällen angeklagt ist. Mitte März sagte Gantz jedoch im Parlament mit Verweis auf die Corona-Krise, er werde sich mit aller Macht für die Bildung einer großen Koalition einsetzen. Kritiker werfen ihm seither vor, er habe sein zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen.
Im Streit um den Schritt von Gantz war sein Mitte-Bündnis Blau-Weiß zerbrochen. Er tritt daher nur mit dem verbleibenden Teil von Blau-Weiß in die Koalition ein. Das Restbündnis verfügt über 17 von 120 Mandaten im Parlament, während Netanjahus Likud mit 36 Sitzen stärkste Fraktion wurde.
Aus dem Mitte-Links-Lager hatte es scharfe Kritik an Gantz gegeben. Jair Lapid gehört zu dem Teil von Blau-Weiß, der Gantz' Schritt vehement ablehnt. Er warf dem künftigen Vize-Regierungschef am Montagabend vor, er habe es Netanjahu ermöglicht, „die Richter zu ernennen, die in seinem Fall entscheiden“. Dies sei eine „grenzenlose Schande“. Die Merez-Partei schrieb am Montag bei Twitter: „Das ist keine Einheitsregierung. Das ist keine Notstandsregierung. Das ist eine Korruptionsregierung.“
Unter dem Eindruck der Corona-Krise war der Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu Mitte März verschoben worden. Er soll nun erst am 24. Mai beginnen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

dpa