1. April 2022, Brüssel, Belgien: Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprechen per Videokonferenz mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und dem Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell. (Reuters)
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Spitzenvertreter der EU haben versucht, die chinesische Führung zu einer klaren Distanzierung von Russlands Krieg gegen die Ukraine bewegen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel kamen dazu am Freitag per Videokonferenz erst mit Regierungschef Li Keqiang und dann mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammen.

Bereits unmittelbar vor Beginn des EU-China-Gipfels sendete die Regierung in Peking allerdings ernüchternde Signale aus. „Niemand sollte andere zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian. Einen vereinfachenden Ansatz von Freund und Feind zu wählen, sei unklug.

Zudem wurden erneut die Strafmaßnahmen des Westens gegen Russland kritisiert, das vor fünf Wochen in sein Nachbarland einmarschiert war. Die Tatsache, dass der normale Handelsaustausch mit Russland „unnötigerweise“ geschädigt werde, sei ein Problem, sagte der Sprecher. Das Problem sei nicht, welches Land Russland helfen wolle, die Sanktionen zu umgehen.

Nun ist die chinesische Führung bekannt dafür, ihren jeweiligen Gesprächspartnern gerne genau das zu sagen, was diese gerne hören wollen. Denn trotz der klaren politischen Rückendeckung für Russland gab sich Premier Li Keqiang im Gespräch mit den Europäern betont diplomatisch: China wolle mit der EU und der Welt zusammenarbeiten und „eine konstruktive Rolle spielen, um die Lage zu entspannen, die Feindseligkeiten einzustellen, eine größere humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Frieden bald zurückkehren zu lassen“.

Dass China damit von Russland abrückt oder auf die Linie der EU einschwenkt, bedeutet das aber keineswegs. Denn als Russlands Außenminister Sergej Lawrow diese Woche China besuchte, waren ganz andere Töne zu hören. Da wurde die „grenzenlose“ Freundschaft mit Russland beschworen. Die Beziehungen entwickelten sich in „die richtige Richtung“. Beide widersetzten sich der „Hegemonie“ der USA. China stellt USA, EU und Nato als Verursacher der Ukraine-Krise dar

Auch werden Außenminister Wang Yi und Staatsmedien nicht müde, die USA, die EU und die Nato als Hauptverursacher der Krise darzustellen. Vielleicht gerade wegen der massiven Differenzen begrüßte Ratspräsident Michel auf Twitter, dass der Videogipel „eine zeitgemäße und notwendige Gelegenheit für Dialog“ sei.

Der EU ging es bei dem Gipfel nun vor allem darum, deutlich zu machen, dass der Krieg nicht nur den Blick Europas auf die Beziehungen zu Russland, sondern auch auf die mit anderen Ländern langfristig verändern dürfte. Demnach könnten auch die bislang sehr engen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu China in Frage gestellt werden, sollte das Land sich in den nächsten Wochen nicht deutlicher von Russlands Vorgehen gegen die Ukraine distanzieren.

Die Hoffnung der EU ist dabei, dass die Führung in Peking sich der Bedeutung der EU als Wirtschaftspartner bewusst ist. So wurden 2021 zwischen China und den 27 EU-Staaten Waren im Wert von rund 700 Milliarden Euro gehandelt – die EU war damit mit Abstand der wichtigste Handelspartner Chinas. Russland taucht in der Liste der zehn wichtigsten Handelspartner Chinas nicht einmal auf.

Stattdessen stehen auf Platz zwei nach der EU die USA, die China für den Fall einer klaren materiellen Unterstützung Russlands sogar schon Sanktionen angedroht haben. Verhängt werden sollen Strafmaßnahmen insbesondere dann, wenn chinesische Unternehmen oder Banken die US-Sanktionen gegen Russland unterlaufen.

EU setzt auf Anreize

Die EU setzt unterdessen noch auf Anreize. Sollte China seinen Kurs gegenüber Russland ändern, wäre die EU nach Angaben von Spitzenbeamten bereit, China zusätzliche Hilfe bei der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Corona anzubieten. Bislang liegt das Land mit Eigenentwicklungen in diesem Bereich deutlich zurück und muss wegen stark steigender Infektionszahlen nun weitere schwere wirtschaftliche Folgen durch die Pandemie befürchten.

So oder so muss sich China allerdings darauf einstellen, dass sich in den Wirtschaftsbeziehungen zur EU in den nächsten Jahren einiges ändern wird und seine Wettbewerbspraktiken nicht mehr geduldet werden.

So laufen in der EU derzeit Arbeiten an einem neuen Instrument für handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen. Es soll die Kommission ermächtigen, Handels- oder Investitionsbeschränkungen gegen Drittländer zu erlassen, die in unzulässiger Weise in die politischen Entscheidungen der EU oder der Mitgliedstaaten eingreifen. Denkbar wäre demnach dass China mit Sanktionen belegt wird, weil es gegen Litauen wegen dessen diplomatischer Annäherung an Taiwan mit Handelsbeschränkungen vorgeht.

Ebenfalls unangenehm könnte für China sogenannte Instrument für das internationale Beschaffungswesen werden. Mit ihm sollen künftig Staaten bestraft werden, die europäische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen diskriminieren. Zudem wird an einem Gesetzesprojekt gearbeitet, mit dem die Möglichkeit geschaffen werden soll, staatlich subventionierten Unternehmen aus Drittstaaten die Übernahme von Firmen aus der EU zu untersagen. Auch sollen mit Staatsgeld unterstützte Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können.

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dpa