Beratungen der Länderchefs mit Merkel – Lockdown noch vor Weihnachten? (Symbolbild) (dpa)
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Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten von CDU und CSU sind nach Darstellung des baden-württembergischen Regierungschefs Winfried Kretschmann für einen bundesweiten Lockdown noch vor Weihnachten. „Da muss sich unsere Gesellschaft auf einen harten Lockdown einstellen, und so wie es sich abzeichnet, eher vor Weihnachten und nicht erst nach Weihnachten“, sagte der Grünen-Politiker nach einer Corona-Schalte mit Merkel und den Ministerpräsidenten der Union. Aus weiteren Teilnehmerkreisen hieß es, dies sei allgemeine Haltung gewesen. Kretschmann erklärte beim Grünen-Landesparteitag in Reutlingen weiter zum Start des bundesweiten Lockdowns: „Alle müssen damit rechnen, dass das schon kommende Woche beginnt, wo wir das gesellschaftliche Leben weitgehend stilllegen werden.“ Die endgültige Entscheidung werde bei der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Sonntag fallen. Auch aus einzelnen SPD-geführten Bundesländern höre er Zustimmung zu einem harten Lockdown schon vor Weihnachten. Die stark steigenden Infektionszahlen ließen den Ministerpräsidenten keine Wahl, sagte Kretschmann, der im Südwesten eine grün-schwarze Regierung führt und deshalb an bestimmten Runden der Unions-Ministerpräsidenten teilnimmt.

„Nichtstun ist etwas, was wir uns wirklich nicht erlauben können“

Angesichts der hohen Corona-Zahlen waren die Rufe nach einem schnellen Lockdown in den vergangenen Tagen deutlich lauter geworden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) forderte am Samstag schnelle Einschränkungen für den Einzelhandel. „Das wird schwer für die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, die Männer und Frauen, die da arbeiten, für diejenigen, die sich Unternehmen aufgebaut haben, das wird schwer für Kinder, für Eltern, für Junge und Alte,“ sagte er in Berlin. Scholz versprach, die Regierung werde die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen weiter im Blick haben. Der Finanzminister mahnte zur Solidarität: „Für mich ist klar: Wir werden das miteinander schaffen.“ Dafür müssten sich aber alle an die Regeln halten. „Nichtstun ist etwas, was wir uns wirklich nicht erlauben können.“ Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit forderte eine klare Zielsetzung. „Wichtig ist vor allem, wir brauchen eine nachhaltige Strategie. Eine Abfolge von Lockdowns ist keine langfristige Strategie“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er schlägt vor, dass sich Mitarbeiter der Gesundheitsämter künftig stärker auf den Schutz von Älteren konzentrieren sollten. Diese könnten „Testkonzepte erarbeiten und umsetzen“. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte einen harten Lockdown bereits ab Montag: Ein vollständiger Lockdown ab dem 14. Dezember könnte zu einer baldigen Trendumkehr bei den Intensivkapazitäten führen, sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

„Alles andere wäre angesichts der Zahlen inkonsequent“

Einige Länder haben bereits vor dem Bund-Länder-Treffen am Sonntag weitreichende Beschränkungen erlassen. In Sachsen zum Beispiel soll am Montag ein Lockdown beginnen. In Baden-Württemberg gilt bereits ab Samstag eine Ausgangsbeschränkung. Es gilt als relativ sicher, dass die Ministerpräsidenten einen Lockdown beschließen. Unklar ist jedoch noch, wann dieser starten soll und was er genau umfasst. Laut „Bild“-Zeitung plädiert das Kanzleramt für Laden-, Schul- und Kitaschließungen ab dem kommenden Mittwoch. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer sprach sich zudem für eine gemeinsame Entscheidung gegen die Öffnung der deutschen Skigebiete aus. „Alles andere wäre angesichts der Zahlen inkonsequent“, sagte er dem „Spiegel“. Binnen eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem Robert Koch-Institut (RKI) 28.438 neue Corona-Infektionen übermittelt. Das geht aus Zahlen vom Samstagmorgen hervor. Der Höchststand war am Freitag mit 29.875 gemeldeten Fällen erreicht worden. Am vergangenen Samstag hatte die Zahl bei 23.318 gelegen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor Kontrollverlust. „Das Infektionsgeschehen hat sich in den letzten drei Tagen dramatisch beschleunigt. Wir sind wieder in einer Phase exponentiellen Wachstums und sehen, dass die ersten Intensivstationen an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Man könne auf gar keinen Fall bis nach Weihnachten warten, ehe man reagiere. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner pocht auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei den geplanten neuen Maßnahmen. „Es wird nun zu einer Corona-Notbremse kommen, weil eine dauerhaft durchhaltbare Strategie noch fehlt“, sagte er in Berlin. „Dabei darf aber nicht unverhältnismäßig scharf in Grundrechte eingegriffen werden.“ Lindner lehnte insbesondere Ausgangsbeschränkungen ab. „Pauschale und flächendeckende Ausgangssperren wie in Bayern sind unnötig und schießen über das Ziel hinaus. Vom Spaziergang der Mitglieder eines Hausstands oder vom Sport unter freiem Himmel geht kein Infektionsrisiko aus.“

dpa