10.10.2021, Rheinland-Pfalz, Grafschaft: Die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen, M) spricht bei ihrem Besuch in dem von der Flutkatastrophe betroffenen Ahrtal mit den Helfern der Organisation "Helfershuttle". (dpa)
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Es war ein emotionaler und ungewöhnlicher Auftritt: Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) bittet am späten Sonntagabend für ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der schrecklichen Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz um Entschuldigung. Die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin begründete die Reise mit familiären Gründen und hoher beruflicher Belastung. „Das war ein Fehler, dass wir so lange in Urlaub gefahren sind und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung“, sagte die 41-Jährige in Berlin. Zuvor hatte unter anderem CDU-Chef Friedrich Merz ihre Entlassung gefordert.
Die 41-Jährige ging darauf aber nicht ein, sondern räumte am Abend mit stockender Stimme Fehler ein. Ihre Entscheidung für den Urlaub begründete die Familienministerin - um Fassung ringend – „in einem ungewöhnlichen Schritt“ mit „privaten Details“. Ihre vier Kinder - eins im Kita - und drei im Grundschulalter - seien nicht gut durch die Pandemie gekommen. Und ihr Mann habe nach einem Schlaganfall unbedingt Stress vermeiden müssen. Ihre Familie habe Urlaub gebraucht.
Die zusätzliche Übernahme des Umweltressorts in Rheinland-Pfalz im Januar 2021 sei zu viel gewesen und haben ihre Familie „über die Grenze gebracht“. Sie habe einen Schritt gemacht, „der im Nachhinein ein Fehler war, weil er zu viel war.“ Spiegel eigenen Aussagen zufolge trotz Urlaub erreichbar
Die damalige Landesministerin für Familie, Integration und Verbraucherschutz hatte das Umweltministerium nach dem Rücktritt von Ulrike Höfken (auch Grüne) wegen rechtswidrigen Beförderungen übernommen. Zugleich zog Spiegel als Spitzenkandidatin ihrer Partei in den Wahlkampf und übernahm nach der gewonnen Wahl im März das neu zugeschnittene und größere Klimaschutzministerium in Mainz.
Unmittelbar nach der Flut habe sie aber einen Krisenstab eingesetzt und weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht, sagte Spiegel am Sonntag. Die Abwägung zwischen ihrer Verantwortung als Ministerin und als Mutter sei ihr schwer gefallen. Während ihres Urlaubs sei sie immer erreichbar gewesen, habe Telefonate geführt und sich informiert. Wenn es einen Anlass gegeben hätte, den Urlaub abzubrechen, dann hätte sie dies getan, sagte Spiegel.
Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren. Merz für Entlassung von Spiegel
CDU-Chef Merz sagte vor dem Statement der „Bild“-Zeitung: „Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen.“ Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der „Rheinischen Post“: „Wenn es um Verantwortung geht, ist sie nicht erreichbar oder verreist.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „so ein Amtsverständnis gut findet“.
Spiegel sei „als Ministerin untragbar“, fügte der CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf hinzu. „Eine Landesministerin, die während dieser schweren Katastrophe vier Wochen Urlaub macht, setzt die falschen Prioritäten.“ CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte: „Spiegel sollte sich ein Beispiel an Heinen-Esser nehmen und ihr Amt zur Verfügung stellen.“
In Nordrhein-Westfalen hatte die dortige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser ihr Amt am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekanntgeworden war, dass sich die 56-jährige Ministerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe auf der Ferieninsel für ein Wochenende mit weiteren Regierungsmitgliedern getroffen hatte, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern.
Spiegel war bereits in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte. Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. „Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte.“

dpa