25.04.2022, Baden-Württemberg, Heidelberg: Eine Straßenbahn fährt an einer Straßenbahnhaltestelle an einem Ticketautomaten vorbei. (dpa)
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Die Verbraucherzentralen sehen die geplanten 9-Euro-Monatstickets für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) als Chance, fordern aber grundlegende Verbesserungen. Die Mobilitätsexpertin des Bundesverbands, Marion Jungbluth, sagte der Deutschen Presse-Agentur, das bundesweit gültige Ticket könnte als „Booster für Busse und Bahn“ wirken. Bisher schreckten komplizierte Tarife viele ab. Die Bundesregierung solle dafür sorgen, dass Ticket- und Beförderungsbedingungen grundsätzlich vereinheitlicht werden.
Die Sondertickets sollen im Juni, Juli und August bundesweit Fahrten im Nah- und Regionalverkehr ermöglichen - für jeweils 9 Euro im Monat und damit viel günstiger als bei normalen Monatskarten. Dies ist Teil des Entlastungspakets, mit dem die Ampel-Koalition auf die hohen Energiepreise reagiert. Zugleich soll es ein Schnupperangebot sein, um mehr Kunden für Busse und Bahnen zu gewinnen.
Bund zahlt 2,5 Milliarden Euro
Der Bund finanziert das Vorhaben, indem er den Ländern 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich der Einnahmeausfälle gibt. Das dafür notwendige Gesetz wurde am Donnerstagabend in den Bundestag eingebracht. Es soll kommende Woche verabschiedet werden. Bei der ersten Lesung äußerte die Opposition allerdings große Skepsis.
Der CDU-Abgeordnete Michael Donth bezweifelte eine nachhaltige Lenkungswirkung. Statt den öffentlichen Personenverkehr durch verbesserte Angebote attraktiver zu machen, investiere der Bund 2,5 Milliarden in einen „Marketing-Gag“. Der AfD-Abgeordnete Mike Moncsek sagte, aus betriebswirtschaftlicher Sicht handle es sich um eine „Irrfahrt“. Berufspendler müssten künftig in überfüllten Bahnen um ihren Platz bangen.
Die Linke: Begrenzung „mutlos und halbherzig“
Dagegen sprach der Linken-Abgeordnete Bernd Riexinger von einem Schritt in die richtige Richtung. Die Begrenzung auf drei Monate sei jedoch „mutlos und halbherzig“. Die Linke fordert 9-Euro-Tickets „bis mindestens Ende dieses Jahres“. Verbraucherschützerin Jungbluth warnte, gerade im Sommer könnten fehlende Kapazitäten zu Engpässen führen, wenn Ausflugsfahrten vom Auto auf Busse und Bahnen verlagert würden. „Das Schnupperangebot könnte also zum Abschreckungsangebot werden.“
Sie riet mit Blick auf einen wohl erst später wirkenden Einfuhrstopp für Öl aus Russland dazu, den Zeitplan zu überdenken. „Eine Verschiebung wäre deshalb sinnvoll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Entlastungen durch das 9-Euro-Ticket und den Tankrabatt genau dann auslaufen, wenn die Kraftstoffpreise durch das Embargo durch die Decke schießen.“ Verkehrsunternehmen könnten zudem frühestens zum Herbst das Angebot erhöhen und den Takt verdichten.
Der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP, über den nun im Bundestag beraten wird, regelt die Finanzierung. Konkret sollen „Regionalisierungsmittel“, mit denen Länder und Verbünde Verkehrsangebote bei den Anbietern bestellen, um 3,7 Milliarden erhöht werden: Zu den 2,5 Milliarden für die 9-Euro-Monatstickets kommen weitere 1,2 Milliarden als Ausgleich für Einbußen wegen der Corona-Pandemie. Regulär gibt der Bund in diesem Jahr schon 9,4 Milliarden an Regionalisierungsmitteln. Dazu kommt eine weitere Milliarde aus einem anderen Finanztopf.

dpa