Bremen: 463.000 Wahlberechtigte zur Bürgerschaftswahl aufgerufen / Photo: DPA (dpa)
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In Deutschlands kleinstem Bundesland Bremen sind am Sonntag 463.000 Wahlberechtigte zur Bürgerschaftswahl aufgerufen. Insgesamt 16 Parteien können antreten.

In Bremen weist das Wahlrecht im Vergleich zu anderen Bundesländern einige Besonderheiten auf. Das 1947 gegründete Bundesland besteht aus den beiden räumlich getrennten Städten Bremen und Bremerhaven und wird darum auch Zwei-Städte-Staat genannt. Beide Städte gelten bis heute bei Bürgerschaftswahlen als zwei selbstständige Wahlbereiche. Von großer politischer Bedeutung ist, dass auch die Fünfprozenthürde in beiden Städten separat angewandt wird.

Deshalb kann eine Partei, die im Bundesland Bremen insgesamt an dieser Hürde scheitern würde, trotzdem in die Bürgerschaft - das Landesparlament - einziehen. Davon profitierte in den vergangenen Jahren die rechtspopulistische Partei Bürger in Wut (BIW), die lediglich im deutlich kleineren Bremerhaven mehr als fünf Prozent erreichte. Die separate Sperrklausel kann wiederum auch Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse haben und die Ergebnisermittlung verkomplizieren.

Diese dauert in Bremen ohnehin relativ lange, weil eine Wählerin oder ein Wähler insgesamt fünf Stimmen hat, die beliebig auf Kandidatinnen und Kandidaten sowie Parteien verteilt werden können. Ab der nächsten Legislaturperiode sollen 87 Abgeordnete in der Bürgerschaft sitzen - davon 72 aus Bremen und 15 aus Bremerhaven. Bei der Bürgerschaftswahl sind Deutsche ab 16 Jahren wahlberechtigt, die im Land Bremen seit drei Monaten ihren Hauptwohnsitz haben.

Bürgerschaftswahl in Bremen (DPA)

Im Wahlbereich Bremen ist die Bürgerschaftswahl außerdem fest mit der Kommunalwahl verknüpft. Die dort gewählten Abgeordneten bilden in einer Doppelfunktion zugleich die Bremer Stadtbürgerschaft. Es kann aber theoretisch Abweichungen geben, weil auch in Bremen lebende Menschen mit einer anderen EU-Staatsangehörigkeit für die Kommunalwahlen kandidieren und abstimmen können. In Bremerhaven wird das Kommunalparlament, die Stadtverordnetenversammlung, hingegen in einem eigenen Wahlgang bestimmt.

Die Spitzenkandidaten bei der Wahl in Bremen

SPD: Andreas Bovenschulte (57) regiert seit vier Jahren als Bürgermeister und Präsident des Senats im kleinsten Bundesland. Nach einer SPD-Wahlschlappe 2019 überließ er die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linkspartei noch seinem Vorgänger Carsten Sieling. Dann griff der damalige Bürgermeister der Nachbargemeinde Weyhe in Niedersachsen nach dem Bremer Spitzenamt. Der promovierte Jurist, geboren 1965 in Hildesheim, war von 2010 bis 2013 auch Vorsitzender der SPD in Bremen; er gilt als Parteilinker. Seit seiner Jugend spielt Bovenschulte Gitarre, er hat Rockmusik gemacht und zitiert zu jeder Lebenslage passende Songtitel. Der etwa zwei Meter große Politiker mit Spitznamen Bovi ist Vater zweier erwachsener Töchter.

Andreas Bovenschulte (Archivbild) (DPA)

CDU: Frank Imhoff (54) ist eine Ausnahme in der Hansestadt mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten. Er ist gelernter Landwirt und betreibt mit seiner Familie in fünfter Generation einen Bauernhof im ländlichen Stadtteil Strom. Den Gang in den Kuhstall morgens und abends lässt er sich trotz politischer Termine nicht nehmen. Imhoff ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Der Bremischen Bürgerschaft gehört er seit 1999 an. Er war dort Vizepräsident und übernahm 2019 als erster Vertreter der CDU das Amt des Präsidenten. Imhoff tritt für eine CDU als moderne Großstadtpartei ein, die sich um Bildung, Integration und Klimaschutz kümmert.

Frank Imhoff (DPA)

Grüne: Maike Schaefer (51) war bis 2019 Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft. Dann erfüllte sie sich den Traum von der Regierung. Die promovierte Biologin übernahm das Großressort für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Zugleich wurde sie Stellvertreterin von Bürgermeister Bovenschulte. Ein Erfolg war das Aushandeln des Deutschlandtickets als Verhandlungsführerin der Länder. In Bremen sorgten ihre Radweg- und Straßenverkehrsexperimente für Unmut. Der Grünen-Basis und den Umweltverbänden wiederum kam die Senatorin nicht schnell genug voran. Schaefer stammt aus Schwalmstadt in Hessen, ist verheiratet, hat eine Tochter und imkert als Hobby.

Maike Schaefer (DPA)

Linkspartei: Kristina Vogt (57) ist zum vierten Mal Spitzenkandidatin ihrer Partei. Sie war Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, 2019 gelang der Rechtsanwaltsfachangestellten der Wechsel in den Senat. Als Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa überraschte Vogt alle, die einen wirtschaftsskeptischen Kurs erwarteten. Sie kam mit Unternehmen und Handelskammer zurecht, setzte sich für die Bremer Luft- und Raumfahrt genauso wie für die Lebensmittelbranche ein. Weniger sympathisch war der Wirtschaft die Ausbildungsabgabe von Rot-Grün-Rot. Vogt, Mutter eines erwachsenen Sohnes, gilt als bodenständig; in der Vergangenheit hat sie eine Kneipe geführt.

FDP: Thore Schäck (38) führt die Bremer Liberalen erstmals in einem Wahlkampf an. Er wurde in Delmenhorst geboren, studierte in Bremen und Bayreuth und führt ein eigenes Start-up-Unternehmen. Auch in der Wirtschaftspolitik setzt er auf einen Schub an Unternehmensgründungen in Bremen. Schäck war zu Beginn seiner politischen Laufbahn kurz Mitglied der SPD. Dann wechselte er zur FDP und machte dort rasch Karriere. 2019 zog er als Vorsitzender der Jungen Liberalen Bremen in die Bürgerschaft ein. 2020 übernahm er von Hauke Hilz das Amt des Landesvorsitzenden.

Bürger in Wut: Piet Leidreiter (58) führt die Liste der rechtspopulistischen Wählergruppierung Bürger in Wut (BiW) für die Stadt Bremen an; für Bremerhaven ist es deren Gründer Jan Timke (52). Leidreiter sieht sich als Wertkonservativer, dem die CDU zu weit nach links gerückt ist. In der Bundes-AfD war er Schatzmeister, zählte zum eurokritischen Flügel. Als dort extremistisch-nationalistische Kräfte stärker wurden, trat er 2015 aus. Seit 2017 ist der gebürtige Bremer Mitglied der BiW. Von 2015 bis 2019 gehörte er der Bürgerschaft an. Leidreiter führt die Steuerberatungskanzlei seiner Familie in Bremen. Seine Tochter kandidiert ebenfalls für die BiW.

SPD in Umfragen knapp vor CDU

Seit 77 Jahren stellt die SPD den Bremer Bürgermeister und regiert damit in der Hansestadt länger als die CSU in Bayern. Bovenschulte regiert seit 2019 in einer Koalition mit Grünen und Linkspartei. Bei der damaligen Wahl löste zwar die CDU das erste Mal in der Nachkriegszeit die SPD als stärkste Kraft ab. Die Regierung konnten die Christdemokraten aber nicht übernehmen, weil die Grünen sich gegen eine Jamaikakoalition mit CDU und FDP entschieden.

Umfragen vor der Abstimmung lassen Werte um 29 bis 30 Prozent für die Sozialdemokraten erwarten - wieder deutlich über ihrem Bremer Negativrekord von 24,9 Prozent vor vier Jahren. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Imhoff liegt mit Umfragewerten um 27 Prozent dicht am Ergebnis von 26,7 Prozent 2019. Die aktuell mitregierenden Grünen werden in den Umfragen bei zwölf bis 13 Prozent gesehen. Das wären deutlich weniger als vor vier Jahren, als sie 17,4 Prozent erreichten.

Bremer Bürgerschaft (DPA)

Die Linke liegt in den Umfragen bei neun bis elf Prozent, was beinahe ihrem Ergebnis aus 2019 von 11,3 Prozent entspricht. Die FDP kommt derzeit laut Umfragen auf sechs Prozent - vor vier Jahren holte sie 5,9 Prozent. Im rechten Parteienspektrum ergab sich in Bremen eine besondere Situation.

Die tief zerstrittene AfD wurde nicht zur Wahl zugelassen, weil aus ihren Reihen zwei konkurrierende Wahlvorschläge eingereicht worden waren. Von ihrem Ausschluss profitieren offenbar die Bürger in Wut (BIW), die in Umfragen derzeit landesweit bei acht bis zehn Prozent liegen. Das ist neu für die rechtspopulistische Partei. Sie ist zwar schon seit vier Legislaturperioden in der Bürgerschaft vertreten.

Der Anteil der Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund liegt in Bremen bei 17,8 Prozent. Damit liegt Bremen im Ländervergleich vor Hessen und Baden-Württemberg. Vergleichsweise hoch ist in Bremen auch der Anteil der Landtagsabgeordneten mit Migrationshintergrund.

Agenturen