09.04.2010, Russland, Portowaja-Bucht: Ein russischer Bauarbeiter spricht während einer Zeremonie zum Baubeginn der Nord-Stream-Pipeline in der Portowaja-Bucht, etwa 170 Kilometer nordwestlich von St. Petersburg. (dpa)
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Die russische Staatsduma hat die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten ratifiziert. Als Antwort legte die EU-Kommission am Dienstag angesichts des erneuten Verstoßes Russlands gegen die territoriale Integrität der Ukraine unerwartet scharfe Strafmaßnahmen auf den Tisch. Die Bundesregierung stoppte bis auf Weiteres das Genehmigungsverfahren für die russisch-deutsche Erdgasleitung Nord Stream 2.

Aus für Handel mit russischen Staatsanleihen?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte die Entscheidung von Präsident Wladimir Putin als „schwerwiegenden Bruch des Völkerrechts“. Die Lage sei „heute eine grundlegend andere“, sagte Scholz in Berlin bei einer Pressekonferenz mit dem irischen Ministerpräsidenten Micheál Martin.
Die EU-Kommission präsentierte in Brüssel den Mitgliedsstaaten nach Angaben von Diplomaten einen Entwurf, der unter anderem vorsieht, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staats zu erschweren. Zudem sollen mehrere hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen.
Die britische Regierung will ebenfalls scharf reagieren. Es werde ein Sofortpaket von Wirtschaftssanktionen geben, kündigte Premierminister Boris Johnson in London an.
150.000 Soldaten an ukrainischer Grenze
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Vorabend die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Der Kremlchef ordnete auch eine Entsendung russischer Soldaten in die Ostukraine an. Er plant damit bereits zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Die Abgeordneten der Staatsduma unterstützten in Moskau einstimmig die Verträge über „Freundschaft und Beistand“ mit den prorussischen Separatistengebieten, wie die Agentur Interfax meldete. Zuvor hatten die Aufständischen ihrerseits den Verträgen bei getrennten Parlamentssitzungen zugestimmt. Moskau könnte damit künftig auch Militärstützpunkte in der Ostukraine errichten.
Selenskyj glaubt nicht an großen Krieg
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht trotz der Anerkennung der „Volksrepubliken“ keine erhöhte Kriegsgefahr. „Wir glauben daran, dass es keinen großen Krieg gegen die Ukraine geben wird“, sagte er in Kiew.
Putin will trotz der Krise mit dem Westen die Gaslieferungen ins Ausland nicht stoppen. „Russland beabsichtigt, die ununterbrochenen Lieferungen dieses Rohstoffs, einschließlich des Flüssiggases, an die Weltmärkte fortzusetzen“, sagte er in Moskau dem Kreml zufolge.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte im Staatsfernsehen die Androhung neuer Sanktionen: „Sie drohen bereits mit allen möglichen Sanktionen. (...) Wir haben uns daran gewöhnt.“
Russland hat eigenen Angaben zufolge weitere Tausende von Flüchtlingen aus den „Volksrepubliken“ aufgenommen. „In den vergangenen 24 Stunden haben mehr als 20.000 Bürger, die aus dem Gebiet der Donbass-Republiken evakuiert wurden, die Grenze über Kontrollpunkte überquert“, teilte der Inlandsgeheimdienst FSB in der russischen Region Rostow am Dienstag der Staatsagentur Tass zufolge mit.

dpa