17.06.2022, Sachsen, Riesa: Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, geht vor Beginn des Bundesparteitags der AfD in der Sachsenarena über die Bühne. (dpa)
Folgen

Die AfD kommt an diesem Freitag zu einem Parteitag im sächsischen Riesa zusammen. Bei dem dreitägigen Treffen wählen die etwa 600 Delegierten eine neue Parteispitze. Daneben werden alle weiteren Plätze im momentan 13-köpfigen Bundesvorstand neu vergeben. Damit wird auch über den künftigen Kurs der AfD entschieden, je nachdem, wieviele Vertreter der jeweiligen Parteiströmung sich einen Posten in dem Gremium sichern können. Parteichef Tino Chrupalla erwartet nach eigenen Worten einen „heißen Parteitag“. „Nicht nur das Wetter wird sehr heiß“, sagte er am Vorabend. AfD-Gegner rechnen mit einer „weiteren Rechtsverschiebung“ im Bundesvorstand und haben Proteste in Riesa angekündigt.
Ärger gab es schon vor dem Beginn des Parteitags: Die Delegierten des Berliner Landesverbands wurden von dem Treffen ausgeschlossen wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei ihrer Wahl.
Die Wahl der Bundessprecher - so heißen die Vorsitzenden bei der AfD - wird voraussichtlich noch an diesem Freitag stattfinden, wie ein Parteisprecher vorab sagte. Möglich ist aber auch, dass es wegen längerer Debatten etwa über die Tagesordnung erst am Samstag dazu kommt.
Wiederwahl von Chrupalla erwartet
Der momentan alleinige Vorsitzende Tino Chrupalla aus Sachsen strebt eine Wiederwahl an. Der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter aus Brandenburg, der sich als Vertreter eines „gemäßigten“ Lagers darstellt, tritt als Gegenkandidat an. Ein Sieg Kleinwächters gegen den Amtsinhaber wäre nach Einschätzung aus Parteikreisen jedoch eher eine Überraschung.
Als möglicher Co-Vorsitzender bewirbt sich auch der AfD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest. Andere haben offiziell bisher keine Absichten bekundet. Ein Sprecher von Co-Fraktionschefin Alice Weidel hatte allerdings im Deutschlandfunk nicht ausgeschlossen, dass sie im Falle einer Doppelspitze ebenfalls als Co-Vorsitzende antreten könnte. Der Parteitag muss zunächst darüber entscheiden, ob es in der AfD bei der Einzelspitze bleiben soll oder ob sie wieder ein Führungsduo bekommt.

Kleinwächter fordert „Neuanfang“
Nach den jüngsten Stimmenverlusten bei den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein - wo die AfD sogar erstmals wieder aus einem Landesparlament herausgewählt wurde - und in Nordrhein-Westfalen hatten die „Gemäßigten“ und Gegner Chrupallas mobil gemacht. Sie werfen dem Handwerksmeister aus dem Osten vor, im Westen nicht punkten zu können, kritisieren einen aus ihrer Sicht zu russlandfreundlichen Kurs, bringen Parteiaustritte damit in Verbindung und fordern mehr „Abgrenzung nach rechtsaußen“.
Chrupalla-Herausforderer Kleinwächter plädiert für einen „Neuanfang“ sowohl inhaltlich als auch in „Stil“, „Auftreten“ und „Kommunikation“ und pocht auf ein „liberal-konservatives“ Profil. „Lasst uns die Partei kernsanieren und ihr einen neuen Anstrich verpassen“, schrieb der 36-Jährige in einer kurz vor Beginn des Parteitags vorgelegten „Agenda für den Parteivorsitz“.
Verfassungsschutz stuft AfD inzwischen als Verdachtsfall ein
Chrupalla führt die AfD seit dem Parteiaustritt von Ex-Co-Chef Jörg Meuthen im Januar alleine. Er vertrete keine spezielle Strömung und stehe für die gesamte Partei, sagt der 47-Jährige. Meuthen hatte der AfD bei seinem Weggang einen zunehmend radikalen Kurs bescheinigt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz - der deutsche Inlandsgeheimdienst - stuft die AfD inzwischen als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus ein. Er sieht ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei und will sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Das kann etwa der Einsatz verdeckter Ermittler oder die Anwerbung von Informanten im AfD-Umfeld sein.
Die Partei versucht das weiterhin juristisch zu verhindern. Das Verwaltungsgericht in Köln hatte zwar im März dem Verfassungsschutz recht gegeben, dagegen hat die AfD aber Berufung eingelegt.

Unwägbarkeiten in Berlin könnten Beatrix von Storch die Wiederwahl kosten
Das Protestbündnis „AfD? Adé!“ hat für die Zeit des Parteitags in Riesa zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Es stehe eine „weitere Rechtsverschiebung für den Bundesvorstand“ bevor. „Es darf nicht sein, dass die AfD diese Schritte gehen kann, ohne dass die Zivilgesellschaft aufschreit“, heißt es in einem Aufruf. An den Protesten wollen sich den Angaben zufolge unter anderem Vertreter von SPD, Grünen, Linken, DGB und dem Zentralrat der Muslime beteiligen.
Die mehr als 20 Delegierten des Landesverbandes Berlin dürfen bei dem Parteitag derweil nur als Gäste zuschauen und nicht mitstimmen. Das Landesschiedsgericht der Berliner AfD hatte sie ausgeschlossen. Kurz vor dem Parteitag wurde das vom Bundesschiedsgericht bestätigt. Ein Eilantrag des Landesverbandes dagegen vor dem Landgericht Berlin hatte keinen Erfolg, wie die Berliner Bundestagsabgeordnete und stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch am Donnerstagabend bestätigte.
Hintergrund waren die Umstände der Wahl der Delegierten im vergangenen Jahr: Im Kern ging es um die Frage, ob drei Bewerber rechtmäßig auf die Wahlliste aufgenommen wurden. Von Storch fehlen nun wichtige Stimmen, sollte sie wieder für eine Position in der AfD-Führung kandidieren.

dpa