14.11.2021, Belarus, Grodno: Migranten stehen an der belarussisch-polnischen Grenze vor belarussischen Soldaten. Polen warnt Migranten an der Grenze zu Belarus per SMS, Gerüchten über einen angeblich bevorstehenden Transit nach Deutschland nicht zu glauben. (dpa)
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Polen hat die Vermittlungsversuche von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in der Krise um die Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze kritisiert. Die Regierung in Warschau sei vorab über Merkels Telefonat mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und Macrons Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin informiert werden, sagte Regierungssprecher Piotr Müller am Mittwoch dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP.

„Europäische Solidarität“ gebrochen
Er persönlich habe sich über das Gespräch mit Lukaschenko gewundert, denn dies sei „in gewisser Weise die Akzeptanz seiner Wahl“, sagte Müller weiter. „Ich verstehe die Situation, aber ich glaube, dass es kein guter Schritt ist.“
Auch der Fraktionschef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Ryszard Terlecki, kritisierte Merkels Schritt. „Auf diese Weise wurde die europäische Solidarität gebrochen“, sagte Terlecki dem Sender Radio Plus. „Man muss sich aber nicht besonders wundern, dass das größte Land in Europa seine eigenen staatlichen Ziele umsetzt.“ Deutschland gehe es um seine wirtschaftlichen Interessen.
Merkel hatte am Montagabend angesichts der Not der Migranten mit Lukaschenko telefoniert. Es war ihr erstes Gespräch mit dem Machthaber seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August vergangenen Jahres in Belarus.

EU erkennt Lukaschenko nicht an

Die EU erkennt Lukaschenko nicht als Präsidenten an. Hintergrund sind massive Betrugsvorwürfe bei der Wahl sowie das Vorgehen der belarussischen Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten und die sogenannte Zivilgesellschaft.
Ebenfalls am Montag führte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein langes Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin über die Rolle, die Russland bei einer Lösung des Konflikts spielen könnte. Am Dienstag sprach Putin mit Lukaschenko.
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren tausende Migranten seit mehreren Tagen an der Grenze in provisorischen Camps aus. Machthaber Alexander Lukaschenko hat nach Angaben der belarussischen Staatsagentur Belta angeordnet, in den Lagerstätten eines Logistikunternehmens in der Region Grodno nahe der Grenze ein Nachtlager einzurichten. Die EU beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck zu machen. Vermutet wird, dass er sich damit für Sanktionen der EU rächen will.

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dpa