Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Video-Gipfel mit Angela Merkel, Emmanuel Macron und Boris Johnson. (dpa)
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bei einem Video-Gipfel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu einer Aufstockung der EU-Mittel für die Versorgung von syrischen Flüchtlingen in der Türkei bereit erklärt. Bei dem Gespräch, an dem auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson teilnahmen, habe man sich klar zu dem Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei bekannt, sagte Merkel am Dienstag nach den Beratungen in Berlin. Man dürfe auch die auf Eis gelegten Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei „nicht aus den Augen verlieren“.

Damit kam Merkel Erdoğan im Streit über die Umsetzung des Flüchtlingspakts entgegen. Parallel zu dem Spitzengespräch berieten der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell darüber, wie der 2016 ausgehandelte Flüchtlingspakt stabilisiert werden kann.

Auch der türkische Präsident bewerte das Video-Gipfel positiv. Auf einer Informationsveranstaltung sagte er, auf der Video-Konferenz hätten die Staatschefs die Entwicklung im syrischen Idlib und die Operation „Friedensquelle“ diskutiert. Außerdem habe er Informationen über den Gipfel in Moskau gegeben.

Hilfe für Menschen in Idlib derzeit drängendster Punkt

Bei dem Gespräch sei betont worden, dass humanitäre Hilfe für die Menschen in Idlib derzeit der drängendste Punkt sei, hieß es anschließend aus Élyséekreisen. Eine politische Vereinbarung sei die einzige Lösung für die Region, hieß es. Darüber waren sich die EU und die Türkei demnach einig.

Bereits vor einer Woche war Erdoğan nach Brüssel gereist, um mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel darüber zu reden. Auslöser war Erdoğans Entscheidung, Flüchtlinge und Migranten nicht mehr von der Einreise in die Europäische Union abzuhalten. Daraufhin kamen tausende Menschen an die Grenze zu Griechenland. Die griechischen Behörden verhinderten Grenzübertritte mit Gewalt - mit Wasserwerfern, Tränengas, Blendgranaten und Ventilatoren. Mehrere Flüchtlinge wurden dabei verletzt, einige kamen ums Leben.

Erdoğan wirft der EU vor, sie habe nicht wie versprochen sechs Milliarden Euro für die 3,6 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlinge überwiesen. Auch andere Vereinbarungen von 2016 seien nicht umgesetzt worden, so etwa die Abschaffung der Visapflicht für Türken in der EU und eine Vertiefung der Zollunion beider Seiten.

Merkel: Schnelle Lieferung von Hilfsmitteln an Idlib notwendig

Bei dem Vierer-Gipfel ging es auch um die Situation in der umkämpften syrischen Region Idlib, für die inzwischen ein Waffenstillstand vereinbart worden ist. Merkel forderte, nun schnell die Lieferung von Hilfsmitteln zu den notleidenden Menschen zu ermöglichen.

Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in Syrien, das sich dem Assad-Regime widersetzt. Das Nato-Land Türkei unterstützt dort den Widerstand, während Russland und der Iran die Truppen unter Baschar al-Assad unterstützen. Die Waffenruhe wird nun gemeinsam von russischen und türkischen Truppen überwacht.

Der Beginn des Syrien-Kriegs hatte sich am Wochenende zum neunten Mal gejährt. Deutschland, Frankreich, die USA und Großbritannien hatten aus diesem Anlass von der syrischen Regierung eine landesweite Waffenruhe verlangt. „Wir fordern, dass das Assad-Regime das rücksichtslose Töten einstellt“, hieß es.

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dpa