Bundesaußenminister Heiko Maas wirbt um Unterstützung für den deutsch-französischen Vorschlag für neue Russland-Sanktionen. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) habe bestätigt, dass es sich bei der Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny um einen Verstoß gegen das Chemiewaffen-Übereinkommen handele, sagte der SPD-Politiker am Montag bei einem Treffen mit EU-Kollegen in Luxemburg. Dies könne nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Von mehreren Außenministern bekam Maas Unterstützung. Der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu verwies darauf, dass sein Land zusammen mit Polen, Dänemark und den baltischen Ländern bereits im September Sanktionen für den Fall gefordert habe, dass Russland keine ordentlichen Ermittlungen zum Fall Nawalny beginne. Nachdem sich nun zeige, dass nichts passiere, sei es an der Zeit, zügig Sanktionen zu beschließen, sagte er.
Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg sagte, Russland habe es leider versäumt, die Chance zu nutzen, zur Aufklärung des Anschlags beizutragen. Eine solch eklatante Verletzung des Verbots des Einsatzes von Chemiewaffen könne nicht ohne Reaktion bleiben. „Da kann die Europäische Union nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte er.
Ob die Unterstützung ausreicht, um schnell Strafmaßnahmen auf den Weg zu bringen, blieb am Montag allerdings zunächst unklar. Da Sanktionsentscheidungen in der EU einstimmig getroffen werden, kann theoretisch ein einzelnes Mitgliedsland entsprechende Pläne aufhalten.
Der Kreml-Kritiker Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt. Der 44-Jährige hat das Krankenhaus mittlerweile verlassen, ist aber noch nicht vollständig genesen und macht in der deutschen Hauptstadt eine Reha-Maßnahme.
Nawalny vermutet, dass der russische Staat hinter dem Giftanschlag auf ihn steckt. Der Oppositionelle ist einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Deutschland und Frankreich begründen ihre Sanktionsforderungen damit, dass Russland Aufforderungen zu einer lückenlosen Aufklärung der Tat bislang nicht nachgekommen ist. Die Strafmaßnahmen sollen nach den Plänen der beiden Länder auf Einzelpersonen abzielen, „die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist“. Details wurden bislang aber nicht genannt.
Die Grundlage für neue Strafmaßnahmen legten die EU-Außenminister am Montag mit der einjährigen Verlängerung des Chemiewaffen-Sanktionsregimes der EU. Es war 2018 eingeführt worden und führte unter anderem dazu, dass die zwei höchsten Führungskräfte des russischen Militärgeheimdienstes mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden konnten. Dem Chef und dem Vizechef des russischen Militärgeheimdienstes GRU wird vorgeworfen, für den Gebrauch von Nervengift bei dem Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal verantwortlich zu sein. Zudem wurden auch Sanktionen gegen die beiden Agenten verhängt, die den Anschlag im britischen Salisbury mutmaßlich ausgeführt haben sollen.
Bei dem Anschlag im britischen Salisbury waren im März 2018 der frühere Doppelagent Skripal und seine Tochter Julia schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei ein Mittel, das dem einst in der Sowjetunion entwickelte Kampfstoff Nowitschok entspricht. Nach britischen Ermittlungen steckte der russische Militärgeheimdienst GRU hinter der Tat. Die Regierung in Moskau streitet allerdings jegliche Verantwortung ab. Mit Nowitschok wurde nach Ergebnissen mehrerer Laboruntersuchungen nun auch Nawalny vergiftet.
12 Okt. 2020
dpa
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