UN-Generalsekretär António Guterres hat vor Angriffen im südlichen Gazastreifen gewarnt. „Ich bin besonders beunruhigt über Berichte, dass das israelische Militär beabsichtigt, sich als Nächstes auf Rafah zu konzentrieren – wo Hunderttausende Palästinenser auf der verzweifelten Suche nach Sicherheit unter Druck geraten“, sagte Guterres am Mittwoch vor der UN-Vollversammlung in New York. Eine solche Aktion würde das, „was bereits ein humanitärer Albtraum mit ungeahnten regionalen Folgen ist, exponentiell verstärken.“ Es sei Zeit für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand und die bedingungslose Übergabe aller festgehaltenen Israelis.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat zuvor die Forderung der Hamas nach einer Waffenruhe zurückgewiesen und nach eigenen Angaben eine Ausweitung der Angriffe im südlichen Gazastreifen angeordnet. Die israelischen Streitkräfte seien angewiesen worden, Angriffe in Rafah sowie in zwei Flüchtlingslagern „vorzubereiten“, sagte Netanjahu am Mittwochabend in einer Fernsehansprache. Bei israelischen Angriffen auf Rafah könnten unzählige Zivilisten getötet werden. Denn aufgrund massiver Bombardierungen durch Israel war die Bevölkerung in Gaza zuvor in den Süden der abgeriegelten Enklave geflüchtet.
Kurz zuvor hatte sich US-Außenminister Antony Blinken nach Gesprächen mit Netanjahu und weiteren Mitgliedern des israelischen Kriegskabinetts in Jerusalem noch hoffnungsvoll hinsichtlich eines Abkommens zwischen Israel und der Hamas geäußert. Derweil verlautete aus ägyptischen Verhandlungskreisen, dass für Donnerstag eine weitere Verhandlungsrunde in Kairo angesetzt sei.
Ende November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen Feuerpause mehr als hundert festgehaltene Israelis im Gegenzug zu 240 palästinensischen Gefängnisinsassen übergeben worden. Nach palästinensischen Angaben hieß es nun, die Organisation habe den erneuten Gesprächen mit dem Ziel „eines Waffenstillstands, einer Beendigung des Krieges und eines Gefangenenaustauschs“ zugestimmt.
Ein ranghoher Vertreter der Hamas sagte vor Journalisten in der libanesischen Hauptstadt Beirut, Netanjahus „Beharren auf der Fortsetzung der Aggression“ bestätige, dass das Ziel der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen „ein Völkermord am palästinensischen Volk“ sei. Er betonte, die Hamas werde „alles uns mögliche tun, um unser Volk zu schützen - sei es durch Widerstand vor Ort oder durch politische Bemühungen, die Aggression zu beenden“.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant eine Ausweitung der Bodenangriffe auf die südliche Stadt Rafah angekündigt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, dass dies „nicht zu rechtfertigen“ sei.
Nach UN-Angaben halten sich in der einst 200.000 Einwohner zählenden Stadt inzwischen mehr als 1,3 Millionen palästinensische Binnenflüchtlinge auf. Sie waren vor den brutalen Angriffen Israels geflüchtet, doch es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem 7. Oktober die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seitdem behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr 27.600 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können.