Archivbild. Das ehemalige katholische Piusheim in Baiern. Im Prozess gegen einen Großvater wegen hundertfachen sexuellen Missbrauchs kamen heftige Vorwürfe gegen das frühere katholische Erziehungsheim bei München ans Tageslicht. (dpa)
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Ein Großvater ist für den jahrelangen Missbrauch an seinen Stiefenkeln und deren Freunden zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der 56-Jährige habe eine „dissoziale Persönlichkeit“, sagte der Vorsitzende Richter am Freitag. Seine „desaströse Kindheit“ habe dem Angeklagte „ein völlig abseitiges Wertesystem ermittelt“.

Das Landgericht München II sah es als erwiesen an, dass der Mann die Kinder immer wieder – beim „Sponge Bob“-Schauen, beim „Wahrheit oder Pflicht“-Spielen, beim Wandern und in einem Fall sogar in einer Kirche – missbraucht und vergewaltigt hat. Die Staatsanwaltschaft, die hunderte Fälle angeklagt hatte, hatte zwölf Jahre Haft gefordert.

„Schuld an diesen Taten hat tatsächlich nur der Angeklagte“, sagte der Vorsitzende Richter. Es solle aber „nicht darum gehen, den Angeklagten einseitig als Monster darzustellen“. Er nahm auch die Eltern der Kinder, die sich bei der Urteilsverkündung an den Händen hielten, in die Pflicht, sprach von Vernachlässigung: „Das Umfeld hat es dem Angeklagten schon erheblich erleichtert.“ Der Angeklagte habe nicht nur das Leben seiner Opfer zerstört, sondern auch das der Eltern schwer belastet, weil sie sich schwere Vorwürfe machten.

Der 56-Jährige, dessen schwere Diabetes-Erkrankung dazu führte, dass der Prozess sich in die Länge zog, entschuldigte sich kurz vor der Urteilsverkündung bei seinen Opfern: „Und das meine ich ehrlich“. „Das tut mir sehr, sehr leid.“

Der Prozess hatte auch heftige Vorwürfe gegen ein früheres Erziehungsheim bei München ans Tageslicht gebracht. Denn der Angeklagte gibt an, als Kind und Jugendlicher selbst massiv missbraucht worden zu sein. Er sprach von Sexpartys und Prostitution in dem ehemaligen katholischen Piusheim in Baiern bei München.

Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin Vorermittlungen ein, die noch immer nicht abgeschlossen sind. Auch das Erzbistum München und Freising hat angekündigt, die Vorwürfe aufarbeiten zu wollen. Inzwischen haben sich noch zehn weitere mutmaßliche Betroffene gemeldet.

Das, was der Angeklagte in dem katholischen Heim erleben musste, habe ihn für das Leben gezeichnet, sagte der Richter – und dazu geführt, dass er das, was er den Kindern über Jahre antat, für Liebe gehalten habe.

dpa