Symbolbild. Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern an einer Gedenkstätte in Berlin. (dpa)
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Mit Blick auf jüngste antisemitische Übergriffe warnt die Historikerin Juliane Wetzel vor einer Verengung der Debatte. „Die jüngsten Übergriffe gegen jüdische Einrichtungen haben sich zwar an der Eskalation im Nahost-Konflikt entzündet, aber man darf nicht vergessen, dass es Hass gegen Juden in allen Bereichen der Gesellschaft gibt“, sagte die Wissenschaftlerin am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist eine neue Qualität, wenn Gruppen vor Synagogen ziehen und dort Steine werfen.“ Der Rechtsextremismus und insbesondere die Radikalisierung im Netz stellten aber weiterhin die größte Gefahr dar.

Zwischen Antisemitismus und Kritik an der israelischen Regierung gebe es eine große Grauzone, so Wetzel. „Es kommt auch darauf an, wer was mit welcher Absicht und vor welchem Hintergrund sagt.“ Eine aktuelle Spielart sei sogenannter sekundärer Antisemitismus mit einer Verdrängung oder Relativierung der deutschen Verbrechen sowie einer Umkehr der Opferrolle. „Juden wird dann vorgeworfen, sie könnten nicht mit der Vergangenheit abschließen“ oder aber das israelische Vorgehen gegen die Palästinenser werde als Vorwand für den eigenen Antisemitismus genutzt.

Wie verbreitet Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland ist, ist aus Wetzels Sicht eine offene Frage. „Das ist ein Bereich, der bislang kaum erforscht ist und für den auch erst einmal eine Methodik entwickelt werden muss. Das ist aber dringend nötig.“ Nach der Eskalation im Nahost-Konflikt gab es hierzulande teils Demonstrationen mit judenfeindlichen Parolen und Übergriffen gegen Synagogen. Mehrere islamische Verbände in Deutschland verurteilten anschließend die Gewalt gegen Juden.

Natürlich gebe es auch unter Muslimen judenfeindliche Stereotype, sagte Wetzel. „Manche, die aus arabischen Ländern kommen, haben die von dort mitgebracht, andere haben sie von der deutschen Mehrheitsgesellschaft übernommen.“

Mit dem Islam habe das aber nichts zu tun: „Im mittelalterlichen Spanien etwa war das Zusammenleben von Juden und Muslimen recht friedlich.“ Die Ablehnung von Juden entstehe eher durch gefühlte Betroffenheit im Nahost-Konflikt oder Solidarisierung mit den Palästinensern.

TRT Deutsch und Agenturen