Apothekerkammer Berlin: Politik darf Apotheken nicht kaputtsparen (Others)
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Apothekerverbände haben zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen. In ganz Deutschland bleiben die Apotheken am 14.Juni geschlossen – mit Ausnahme der Notfallapotheken, die für die Versorgung der Bevölkerung in dringenden Fällen zuständig sind. Die Forderungen der Apotheken sind in einem 10-Punkte-Katalog dokumentiert. Kerstin Kemmritz, die Präsidentin der Apothekerkammer (AK) Berlin, erläutert im Gespräch mit TRTDeutsch, wofür die Branche streikt.

„Die Apotheken leiden wie viele andere Leistungserbringer unter Fachkräftemangel, Inflation, Kostensteigerungen, Nachwuchsmangel, überbordender Bürokratie und mangelnder politischer Wertschätzung“, so Kemmritz. Aus diesem Grund richte sich der Protest gegen politische Fehlentscheidungen.

Branche fordert finanzielle Unterstützung

Die Ampelkoalition habe als erstes Gesetz ein Sparpaket im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht. Damit seien die Honorare für die Apotheken de facto um fast den gleichen Betrag gekürzt worden, um den sie im Jahr 2013 erhöht worden waren. Es dürfe aber nicht sein, dass die Apotheken kaputtgespart werden, sagte Kemmritz.

Die Apothekerverbände haben eine Anhebung der Honorare für verschreibungspflichtige Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro pro Packung gefordert. Die Branche fordert ​​eine zusätzliche Pauschale für jede Apotheke, um das Versorgungsangebot in der Fläche als solches abzusichern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die Forderungen jedoch am Montag zurückgewiesen.

Apothekerkammer Berlin: Politik darf Apotheken nicht kaputtsparen (DPA)

Kemmritz zufolge ist neben den wirtschaftlichen Gründen vor allem die demografische Struktur für diese Entwicklung verantwortlich. Viele junge Menschen seien nicht mehr bereit, nach einem anstrengenden Studium für ein geringes Gehalt zu arbeiten. Zudem vermeiden sie das hohe finanzielle Risiko der Selbständigkeit.

Eine Anpassung an die wirtschaftlichen Entwicklungen ist daher laut Kemmritz bei den aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht möglich. Die Folge sei ein Nachwuchsmangel. Hinzu käme der bürokratische Aufwand, eine hohe Belastung auch an Sonn- und Feiertagen, und die hohe Eigenverantwortung. Deshalb setze sich die Branche für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem unter Einbeziehung der pharmazeutischen Kompetenz ein.

Kemmritz: Lieferengpass-Gesetz keine kurzfristige Lösung

Seit geraumer Zeit steige die Zahl der Arzneimittel, die kurz- und mittelfristig nicht lieferbar seien. Bei einigen Wirkstoffen sei die Versorgungslage bereits alarmierend. „Neben verschiedenen Antibiotika gibt es weiterhin Lieferengpässe bei Cholesterinsenkern, Hustensäften, Fiebersäften, Elektrolytlösungen, Insulinen, Antidiabetika, einigen Asthmamitteln, Nasensprays oder auch anderen Erkältungsmitteln,“ so die AK-Präsidentin. Aus Sicht der Apotheker ist vom Lieferengpass-Gesetz keine kurzfristige Lösung zu erwarten.

Apothekerkammer Berlin: Politik darf Apotheken nicht kaputtsparen (DPA)

Apothekensterben gefährdet Arzneimittelversorgung

Laut Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände fiel die Zahl der Apotheken in Deutschland zuletzt unter die Marke von 18.000 – der niedrigste Stand seit mehr als 40 Jahren. „Bundesweit spricht die Branche bereits davon, dass alle 16 Stunden eine Apotheke für immer ihre Türen schließt,“ sagte Kemmritz. Aktuell gibt es in Berlin insgesamt 732 Apotheken, im Jahr 2007 waren es noch 892.

„Berlin hat inzwischen mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohner eine im bundesweiten und europäischen Vergleich niedrige Apothekendichte“, erklärt Kemmitz gegenüber TRTDeutsch. Die Situation werde sich weiter verschlechtern, wenn der Gesetzgeber nicht handelt und die Bedingungen für Apotheken deutlich verbessert werden. Das bewährte System der wohnortnahen, individuellen Arzneimittelversorgung wäre dann in Gefahr, so die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin.

TRT Deutsch