Ein Geflüchteter im griechischen Mytilene, der als Vorsichtsmaßnahme Mundschutz trägt, bevor er aufs Festland gebracht wird. (Reuters)
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Deutschland setzt in der Coronavirus-Krise nach einem Medienbericht die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Ausland aus. Das sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Donnerstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Ministerium habe am Dienstag „angesichts der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie“ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angewiesen, das Resettlement-Verfahren mit der Türkei und die Resettlement-Verfahren des Bundes für Menschen in humanitären Notlagen „bis auf Weiteres auszusetzen“.

Faktisch seien die „deutschen humanitären Aufnahmeverfahren wegen verschiedener Reisebeschränkungen und operativer Einschränkungen auch seitens wichtiger Partner bereits seit vergangenem Freitag zum Erliegen gekommen“, sagte der Ministeriumssprecher. So hätten die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ebenfalls am Dienstag offiziell die Aufnahmeprogramme für Geflüchtete ausgesetzt.

Seit 2012 nimmt Deutschland im Rahmen der sogenannten „Resettlement-Programme“ Flüchtlinge in Notlagen auf, darunter Syrer aus der Türkei und dem Libanon. Die Programme sollen Schutzsuchenden aus Krisengebieten einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sichern. Pro Jahr will die Bundesregierung so rund 5000 Menschen zur Zuflucht nach Deutschland verhelfen.

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, sagte, aktuell werde die Beantragung von Asyl als Ausnahmetatbestand im Sinne der am Mittwoch beschlossenen Regelungen gewertet. Ob dies dauerhaft so bleiben wird, sei allerdings nach offen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte bereits seine Arbeit wegen des Infektionsrisikos stark eingeschränkt. Schutzsuchende durften bislang nur noch dann einen Asylantrag stellen, wenn sie entweder negativ auf das Virus getestet wurden oder eine 14-tägige Quarantäne nachweisen konnten. Das Gleiche galt für Anhörungen im Asylverfahren. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Dienstag auf Anfrage mitteilte, sind zudem die Befragungen im Widerrufsverfahren bis zum 29. März ausgesetzt worden.

Währenddessen haben sich in mehreren Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber Bewohner mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, sind bislang 13 bestätigte Infektionen an sechs Standorten in vier Bundesländern bekannt sowie 31 Verdachtsfälle an vier Standorten in drei Bundesländern. „Alle Bundesländer haben Maßnahmen zur Verhinderung von Infektionsketten in den jeweiligen Aufnahmeeinrichtungen ergriffen“, sagte der Sprecher weiter. Dazu seien sie in regelmäßigem Austausch mit dem Bundesinnenministerium.

Pro Asyl fordert Stopp für Abschiebungen wegen Coronavirus

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl fordert währenddessen wegen der Auswirkungen des Coronavirus einen Abschiebestopp und eine Aussetzung ablehnender Bescheide für Asylbewerber. Derzeit könnten Geflüchtete nicht effektiv gegen Ablehnungen ihrer Schutzgesuche vorgehen, erklärte Pro Asyl am Donnerstag. Maßnahmen zur Eindämmung des Virus seien grundsätzlich zu begrüßen. „Der Schutz und die prekäre Situation geflüchteter Menschen sind jedoch unbedingt mitzubedenken - Solidarität muss für alle gelten.“

Um die Infektionsgefahr zu minimieren, seien alle Termine beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Behörden, Ämtern und Gerichten abzusagen, forderte Pro Asyl. Es sei abzusehen, dass das BAMF sich in der kommenden Zeit vermehrt auf Entscheidungen konzentrieren und Gesuche ablehnen werde.

Laut Pro Asyl schließen Beratungsstellen und Kanzleien, die Asylbewerbern insbesondere bei ablehnenden Bescheiden nun fehlten. „Der Zugang zu effektivem Rechtsschutz bei einer so lebenswichtigen behördlichen Entscheidung wie dem Asylgesuch ist für Betroffene nicht mehr gewährleistet.“

In einem offenen Brief fordert Pro Asyl gemeinsam mit medico international, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und dem Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche NRW, Abschiebungen in Herkunftsländer und Überstellungen europaweit grundsätzlich auszusetzen. Abschiebungen erhöhten das Risiko der Verbreitung von Covid-19. Abschiebehäftlinge müssten freigelassen werden.

An Personal zur Durchführung von Abschiebungen mangelt es nach Angaben aus dem Bundesinnenministerium nicht. Durch die neuen Grenzkontrollen ist die Bundespolizei zwar derzeit personell stark gefordert. Aus dem Ministerium hieß es jedoch am Donnerstag, es gebe keinen generellen Abschiebestopp. Sollten die Länder Abschiebungen planen, stünden auch dafür geschulte Kräfte bereit.

TRT Deutsch und Agenturen