EastMed-Projekt  (AP)
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Die amerikanische Botschaft in Athen veröffentlichte am 10. Januar dieses Jahres ein Statement zur EastMed-Gaspipeline. Darin erläutert die diplomatische Vertretung die Gründe der US-Administration für ihren Rückzug von der geplanten Energietrasse, die in einigen Jahren Gas vom östlichen Mittelmeer über Griechenland nach Europa liefern sollte. In der Mitteilung wird auf die Verlagerung der US-Politik auf Stromtrassen hingewiesen, die sowohl Gas als auch erneuerbare Energien unterstützen können. Die Erklärung des State Departments nimmt Bezug auf die geplante EuroAfrika-Unterwasserstromverbindung von Ägypten nach Kreta und zum griechischen Festland.

Ungünstiger Zeitpunkt für EastMed-Unterzeichnerstaaten

Außerdem unterstützt das Weiße Haus eine EuroAsien-Stromverbindungsleitung, welche die Stromnetze Israels, der „Republik Zypern“ und Europas verbinden soll. Berechnungen zufolge lagen die 2009 vor den Küsten Israels, Ägyptens, der „Republik Zypern“ und Griechenlands entdeckten Gasvorräte bei etwa 1,3 Billionen Kubikmeter. Der Rückzug der USA kommt für Israel, Griechenland und die „Republik Zypern“ zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weil diese Staaten im Januar 2020 ein Abkommen zur EastMed-Gaspipeline unterzeichnet hatten.

Pipeline-Projekt sollte die Energiesicherheit Europas erhöhen

Für die Realisierung der 1.900 Kilometer langen Pipeline, die ab 2025 Gas nach Europa transportieren sollte, wurden 7 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Das Projekt beinhaltete die Lieferung von 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr aus den Offshore-Feldern vor den Küsten Israels und der „Republik Zypern“ über Griechenland nach Italien und Südosteuropa. Es galt als Alternative zu bestehenden Gaslieferungen aus Russland und wurde von Brüssel unterstützt, weil es die Energiesicherheit Europas verbessern sollte. Doch schon vor der Entscheidung der US-Regierung war das EastMed-Projekt in wirtschaftlicher und klimapolitischer Hinsicht umstritten.

Ukraine-Krise zwingt Europa, nach alternativen Gaslieferungen zu suchen

Gerade die Ukraine-Krise verdeutlicht exemplarisch die Abhängigkeit Europas von russischem Gas, denn 2020 lieferte Russland über Pipelines 168 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Europa. Der Anteil von importiertem russischem Gas in den EU-Ländern lag 2016 bei 40 Prozent, in Deutschland sogar bei 55 Prozent. Wegen der Ukraine-Krise loten Deutschland und andere europäische Länder alternative Gaslieferungen aus, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Nach dem russischen Einmarsch in die Donbass-Region beschloss die Europäische Union Sanktionen gegen Russland, und die Bundesregierung legte die Zertifizierung der Nord-Stream 2-Gaspipeline auf Eis..

Pipelinevorhaben in der Levante hatte destabilisierenden Faktor für die Region

Das EastMed-Gaspipeline-Projekt hatte in der Türkei für Kritik gesorgt, weil die geplante Strecke über die von Ankara beanspruchte Außenwirtschaftszone (AWZ) im östlichen Mittelmeer verlief und die türkische Seite hierzu nicht konsultiert wurde. Diese beruft sich dabei auf die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen, wonach ein Küstenstaat von der Basislinie des Meeres 200 Seemeilen als AWZ nutzen darf, etwa für die Erforschung und Ausbeutung von Ressourcen. Die türkische Regierung hatte wiederholt ihre Bereitschaft signalisiert, an dem Projekt mitzuwirken, was von Israel, Griechenland und der zyperngriechischen Administration abgelehnt wurde. Diese Haltung wirkte sich dahingehend destabilisierend aus, weil diese drei Staaten die Türkei als das Land mit der längsten Küste an der Ausbeutung von Energieressourcen im östlichen Mittelmeer nicht teilhaben lassen wollten.

US-Energieexperte Hochstein: Gaspipeline unter dem Meer zu teuer in Bau und Wartung

Die USA nannten bei der Begründung für ihre Absage an das EastMed-Projekt neben der Abkehr von der bisherigen Energiepolitik und Umweltgründen auch wirtschaftliche Gründe, die den Ausschlag für die Entscheidung gaben. Diese Einschätzung teilt auch der leitende Berater des US-Außenministeriums für globale Energiesicherheit, Amos Hochstein. Eine lange Gaspipeline unter dem Meer, so Hochstein, sei teuer in Bau und Wartung. Ferner sei das Gas, das zur Befüllung der Rohre benötigt wird, immer noch nicht entdeckt. Das Washington Institute sieht beim Rückzug der US-Regierung aus dem Projekt noch eine weitere Determinante. Dabei geht es um die von der Türkei beanspruchte Wirtschaftszone und die Einwände der türkischen Regierung gegen das EastMed-Projekt. Unabhängig von wirtschaftlichen und ökologischen Faktoren, die gegen das Projekt im östlichen Mittelmeer sprechen, wird kein Privatinvestor Kapital aufwenden, wenn sicherheitspolitische Risiken existieren.

Investigate Europe: Klimaziele durch Projekt bedroht

Nach Recherchen von Investigate Europe bedroht das EastMed-Projekt die von vielen Staaten ratifizierten Klimaziele. Die Unterstützung der EU für das Projekt stehe im Gegensatz zur Bekämpfung des Klimawandels, weil Gas als fossiler Brennstoff sehr viele Treibhausgase erzeuge.

Bei der Entscheidung der Vereinigten Staaten, das Pipelineprojekt im östlichen Mittelmeer nicht zu unterstützen, spielen verschiedene Gründe eine Rolle. Ein Koeffizient ist ökonomischer Natur, weil das Projekt mit 7 Milliarden US-Dollar zu kostspielig ist. Geplant war, pro Jahr 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Europa zu liefern, was Energiekonzerne wahrscheinlich als zu gering erachten, um Rendite zu erwirtschaften. Der Wert von 20 Milliarden Kubikmetern entspricht fünf Prozent der EU-Gasimporte. Hinzu kommen noch geschätzte Unterhaltungskosten der Pipeline in Höhe von 90 Millionen US-Dollar pro Jahr. Der Erdgasverbrauch in den EU-Staaten lag 2020 bei 380 Milliarden Kubikmeter.

Destabilisierung an der Südflanke der NATO nicht im Interesse der Vereinigten Staaten

Im Übrigen sind die USA selbst Exporteur von Flüssiggas (LNG) und führten allein im Dezember 7,15 Millionen Tonnen LNG aus, wovon ungefähr die Hälfte nach Europa ging. Ein weiterer Gesichtspunkt sind Umweltaspekte, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die Beziehungen der USA zu Russland sind wegen der Ukraine-Krise sehr angespannt, und auch mit der Volksrepublik China gibt es wegen unterschiedlicher Themen seit geraumer Zeit Spannungen. Ein Streit um Energieressourcen in der Levante, der sich geopolitisch destabilisierend auf die Region auswirkt und die Südostflanke der NATO schwächt, ist nicht im Interesse der USA. Derzeit wird über Alternativen zum gescheiterten EastMed-Projekt nachgedacht, wie das Gas vor den Küsten Ägyptens, Israels und der „Republik Zypern“ über eine kürzere Strecke auf das Festland transportiert werden kann.

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