Griechisch-zyprische und griechische Flaggen neben türkisch und türkisch-zyprischen Flaggen in der Nähe der UN-kontrollierten Pufferzone in Nikosia, Zypern Insel , Juli 6, 2017 (dpa)
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Fronten sind verhärtet

Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York trafen sich bei der 76. Tagung der UN-Generalvollversammlung vom 20.-24. September zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, um über aktuelle Probleme zu sprechen. Mit dabei war auch Ersin Tatar, Präsident der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ), der im Rahmen der Eröffnung des türkischen Hochhauszentrums „Türkevi“ mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres bereits am 20. September zusammentraf. Hinsichtlich der Zypernfrage hatte sich Tatar zunächst mit dem UN-Generalsekretär und am 27. September im Beisein von Guterres mit dem Chef der zyperngriechischen Administration, Nikos Anastasiadis, getroffen.

Die Fronten im Streit um eine Lösung für die geteilte Mittelmeerinsel sind verhärtet, weil sich die politische Führung des international als „Republik Zypern“ anerkannten griechischen Südens seit Jahrzehnten weigert, die Zyperntürken als gleichberechtigte Volksgruppe zu akzeptieren. Eine Lösung schien 2004 beim durchgeführten Plebiszit zum Greifen nahe, denn 65 Prozent der zyperntürkischen Bevölkerung stimmten dem „Annan-Plan“ der UN bekanntlich zu, aber fast 76 Prozent der Zyperngriechen lehnten diesen ab.

Präsident Ersin Tatar: Keine weiteren Zyperngespräche unter den derzeitigen Bedingungen

Präsident Tatar trat nach der Unterredung mit Anastasiadis in New York vor die internationale Presse und lehnte weitere offizielle Gespräche mit dem griechischen Süden ab, weil es keine „gemeinsame Basis“ für weitere Verhandlungen gebe. Bereits im April hatten sich die politischen Führer beider Seiten unter Vorsitz von Guterres in Genf getroffen, um über eine Lösung zu sprechen. Doch nach mehrtägigen Gesprächen erklärte Guterres die Verhandlungen für beendet, weil die Positionen der Verhandlungsparteien zu unterschiedlich seien. Präsident Tatar wies in der Pressekonferenz darauf hin, es könne auf der bisherigen Grundlage keine weiteren Unterredungen geben, da dies seit fast 60 Jahren zu keinem Ergebnis geführt habe.

Das Schlüsselproblem besteht darin, dass die zyperngriechische Führung an ihrem Alleinvertretungsanspruch als „Republik Zypern“ mit einem homogenen zyperngriechischen Nationalstaat festhält, der im griechischen Südteil der Insel seine Anwendung findet und ethno-religiösen Minoritäten, wenn überhaupt, Minderheitenrechte gewährt. Dieser Anspruch resultiert aus dem Selbstverständnis der Zyperngriechen, zahlenmäßig als Bevölkerungsmehrheit selbst darüber entscheiden zu können, welche Rechte der zyperntürkischen Volksgruppe zugestanden werden.

Nationalistische Ideologie der Zyperngriechen als Hindernis für Lösung

Nikos Anastasiadis äußerte Bedenken hinsichtlich der politischen Gleichheit der Zyperntürken, die einen „dysfunktionalen Zustand“ schaffen und zu einem „Zusammenbruch führen“ würde. Ein weiterer Faktor ist die nationalistische Ideologie vieler Zyperngriechen, die einen gemeinsamen föderalen Staat mit der türkischen Volksgruppe nicht akzeptieren. Sowohl im griechischen Süden als auch im türkischen Norden gibt es einen Anteil an Menschen, die über die zyprische Identität eine kulturelle und politische Annäherung anstreben, allerdings keine Mehrheit in ihren Gesellschaften besitzen.

Enge Beziehung zwischen Staat und Kirche in Südzypern

Nicht nur die politische Klasse der Zyperngriechen, sondern auch die griechisch-orthodoxe Kirche in Zypern steht einer politischen Gleichberechtigung der Zyperntürken ablehnend gegenüber. Der Erzbischof der griechisch-orthodoxen Kirche, Chrysostomos II., hatte in einem Interview mit der griechischen Zeitung „Kathimerini“ eine politische Gleichstellung der Zyperntürken ausgeschlossen. Zwar hat die griechisch-zyprische Kirche offiziell keine politische Macht, aber wie in einigen Ländern in Ost- und Südosteuropa existiert zwischen Staat und Kirche in Zypern eine besondere und enge Beziehung. Der von Chrysostomos II. mit Vehemenz vertretene Anspruch auf die gesamte Insel und die Ablehnung einer politischen Gleichstellung der Zyperntürken spiegeln den griechisch-zyprischen Nationalismus wider.

Aktuelle Meinungsumfrage: Fast 50 Prozent für Zwei-Staaten-Lösung

Die interessante Frage wäre, ob es nach all den Ereignissen eine gemeinsame Zukunft für beide Volksgruppen auf der Insel geben kann. Zu diesem Aspekt führte ein Institut für Demoskopie in Nordzypern eine Befragung durch. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Redborder Research and Consultancy befürworten 49,2 Prozent der zyperntürkischen Bevölkerung eine Zwei-Staaten-Lösung in Zypern. Für die im Auftrag des Präsidialamts von Nordzypern durchgeführte Umfrage wurden anhand der Zufallsmethode 1010 Personen ermittelt und face to face befragt. Auf die Frage, welches Modell für eine Lösung der Zypernfrage am realistischsten sei, befürworteten 49,2 Prozent der Befragten eine Zwei-Staaten-Lösung, während sich 33,1 Prozent für eine Föderation aussprachen. 11,3 Prozent würden eine Vereinigung mit der Türkei unterstützen, 4 Prozent waren für eine Lösung unter der Ägide der Republik Zypern und 1 Prozent für eine Konföderation.

Zur Frage, wie wichtig die Rolle der Türkei als Garantiemacht sei, interpretierten dies 58,2 Prozent der Bürger als sehr wichtig, 22,8 Prozent als wichtig, 10,7 Prozent als nicht relevant, 4,4 Prozent als weder wichtig noch unwichtig und 3,6 Prozent als gar nicht relevant. Die Anwesenheit der türkischen Armee auf der Insel bewerten 58,8 Prozent als sehr wichtig, 24,4 Prozent als wichtig, 9,9 Prozent als nicht relevant, 4,2 Prozent als weder wichtig noch unwichtig und 2,6 Prozent als unwichtig.

Bei der Frage, ob die türkische Armee auf Zypern stationiert bleiben sollte, bewerteten 58,8 Prozent der Zyperntürken diesen Punkt als sehr wichtig, 24,4 Prozent als wichtig, 9,9 Prozent als unwichtig, 4,2 Prozent als weder wichtig noch unwichtig und 2,6 Prozent als unwichtig. Das Meinungsforschungsinstitut stellte die Frage, welche Bedeutung die Türkei für sie habe. 54,1 Prozent bezeichneten die Türkei als Vaterland, 25,3 Prozent interpretierten die Türkei als ein befreundetes und brüderliches Land, 15,6 Prozent als Garantiemacht, 2,6 Prozent als „Besatzung“ und 1,6 Prozent hatten zu dieser Frage keine Meinung.

Die Meinungsumfrage verdeutlicht: Fast die Hälfte der zyperntürkischen Volksgruppe spricht sich für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, die auch von der Regierung des Nordens geteilt wird. Ex-Präsident Mustafa Akıncı gilt als Fürsprecher einer Föderation, aber selbst er vermochte es in seiner Amtszeit nicht, mit der zyperngriechischen Seite einen Kompromiss zu erzielen, weil auch er verstanden haben muss, dass die Administration des Südens an keiner ernsthaften Lösung interessiert ist.

Bei Gesprächen in der Schweiz 2017 waren sich Akıncı und Anastasiadis im Prinzip einig, doch die nachträgliche Forderung der zyperngriechischen Seite nach einer Beendigung von bestehenden Garantien und einem Abzug von Streitkräften brachte das Fass zum Überlaufen. Nimmt man die Umfrage als Maßstab, käme ein Abzug der türkischen Armee, einmal abgesehen von den rechtlichen Bestimmungen des Garantievertrags von 1959, nicht infrage, weil sich über 83 Prozent der zyperntürkischen Bevölkerung dagegen ausgesprochen haben. Auch bei der Frage nach der Bedeutung der Türkei sehen fast 80 Prozent der Zyperntürken diese als Vaterland oder als befreundetes und brüderliches Land, was die enge Bindung zwischen Lefkoşa und Ankara unterstreicht.

Zukünftige Zypern-Verhandlungen sollten über Zwei-Staaten-Lösung geführt werden

Eine politische Lösung der Zypernfrage unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erscheint unwahrscheinlich, weil der griechische Süden auf seinem Alleinvertretungsanspruch beharrt, keine Kompromisse eingeht und die türkische Volksgruppe rechtlich betrachtet als nicht gleichberechtigt ansieht. Eine politische Gleichstellung der Zyperntürken wäre aber eine Grundvoraussetzung für ein Zusammenleben beider Volksgruppen. Es kommt noch hinzu, dass EU, USA und einige andere Staaten aus unterschiedlichen Gründen den griechischen Süden als „Republik Zypern“ unterstützen, und mit dieser internationalen Anerkennung sieht sich die zyperngriechische Administration in einer komfortableren Position. Die seit Jahrzehnten laufenden Zyperngespräche sollten nicht unter den bisher geführten Bedingungen stattfinden, sondern sich am Status quo orientieren und an einer Zwei-Staaten-Lösung arbeiten.

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