22. Oktober 2019, Bern, Schweiz: Der ehemalige Bundespräsident der Schweiz, Ueli Maurer (rechts), begrüßt Wang Yi, Außenminister der Volksrepublik China, zu einem offiziellen Arbeitsbesuch. (AP)
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Der Beginn der schweizerisch-chinesischen Beziehungen reicht bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Der erste Kontakt fand 1906 statt, und 1918 wurden gegenseitige Ständige Vertretungen eröffnet. Die Modernisierungsbewegungen, die mit der Ausrufung der Republik China 1912 in den Vordergrund traten, bildeten die Basis dieser Beziehungen. Politische, wirtschaftliche und soziale Kontakte in die Schweiz, die sich aufgrund der inneren Unruhen in Ostasien nicht ausreichend entwickeln konnten, wurden ab 1950 intensiviert. Mit ihrer Anerkennung der Volksrepublik China 1950 gehörte die Schweiz zu den ersten Staaten in Europa, die das Land offiziell anerkannten. In den Jahren 1950 bis 1979 konnten die bilateralen Beziehungen aufgrund des Kalten Krieges und der innengewandten Politik Pekings nicht das gewünschte Niveau erreichen. Die von Deng initiierten Schritte, das Land für die liberale Welt zu öffnen, boten die Möglichkeit, die chinesisch-schweizerischen Beziehungen in vielen Bereichen zu entwickeln. So nahm das bilaterale Handelsvolumen rapide zu, und Unternehmen aus der Schweiz begannen mit Investitionen, um die Kostenvorteile in China zu nutzen. Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten intensivierten sich zudem mit dem Wirtschaftswachstum Chinas enorm, sodass den politischen Beziehungen zunehmende Handelsbeziehungen folgten.

Beziehungen zwischen China und der Schweiz im 21. Jahrhundert

Das 2007 unterzeichnete hochrangige Kooperationsabkommen bildet die Grundpfeiler der heutigen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Das Abkommen, das auch die direkte Entwicklung gemeinsamer Projekte mit schweizerischen Kantonen und Gemeinden ermöglichte, trug zur Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und akademischen Institutionen, den lokalen Gemeinden und zu Austauschprogrammen bei. Der Besuch von Bundespräsident Johann in China 2016 machte aus diesem Dialogumfeld eine strategische Partnerschaft. Die 2018 offiziell proklamierte Zusammenarbeit hatte erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. China, seit 2010 größter Handelspartner der Schweiz in Asien, ist beim Export drittgrößter und beim Import viertgrößter Außenhandelspartner. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Staaten erreichte 2020 die Marke von 35 Milliarden Dollar und macht somit mehr als 5 Prozent des gesamten Außenhandelsvolumens der Schweiz aus. Bei den Importen der Schweiz handelt es sich in erster Linie um Elektromaschinen, Kernreaktorteile, Textilprodukte und organische Chemikalien, wohingegen Edelsteine, Maschinen, Uhrenteile und chemische Produkte hauptsächlich nach China exportiert werden. Es zeigt sich, dass die Handelsbeziehungen zwischen China und der Schweiz Teil eines besonderen Dialogs zwischen den beiden Akteuren sind. Auch wird ersichtlich, dass beide Parteien gleichermaßen zur Handelsbilanz beisteuern und deshalb wirtschaftliche Protektionismusmaßnahmen, verglichen mit anderen Akteuren, selten ergriffen werden.

Die politischen Beziehungen, die sich in Bereichen wie Bildung, Forschung und Entwicklung, Menschenrechte und Kulturaustausch widerspiegeln, werden auch durch Expertenaustauschprogramme unterstützt. Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens 2014 nahmen mit den politischen Beziehungen auch die Wirtschaftsbeziehungen an Fahrt auf. So erreichte das Außenhandelsvolumen, das im Jahr 2012 20 Milliarden Dollar betrug, 2018 mit 45 Milliarden Dollar einen historischen Höchststand. Dass der Außenhandel 2020 auf 35 Milliarden Dollar zurückging, hängt mit der Covid-19-Pandemie zusammen. In einer Zeit, in der die Wirtschaftsbeziehungen auf Hochtouren laufen, überschatten die Uiguren-Thematik und Menschenrechtsverletzungen in China die Beziehungen. Mit der erstmaligen Präsentation ihres Strategieplans zu China will die Schweiz den Entwicklungsprozess der Beziehungen jedoch transparenter gestalten. Dieser Strategieplan umfasst viele Bereiche, etwa die Revision des Freihandelsabkommens, Menschenrechtsverletzungen, die Uiguren-Thematik, die kommerzielle Digitalisierung, technologischen Wandel, Bildung, Tourismus und Finanzen.

Chinesische Investitionen und die Schweiz

Die Regierung in Peking investierte zwischen 2005 und 2021 weltweit 2,13 Billionen Dollar. Chinesische Investitionen in Bereichen wie Energie, Transport und Immobilien machen mehr als 5 Prozent der weltweiten Gesamtinvestitionen aus. In den letzten Jahren tätigte China, das sich nach den USA als Staat mit den meisten Auslandsinvestitionen etabliert hat, die zahlenmäßig größten Investitionen im europäischen Raum. So stehen europäische Staaten an der Spitze der Liste chinesischer Investitionen. Die Schweiz steht mit 61,21 Milliarden Dollar auf dem sechsten Platz. Alibaba, Hangzhou Great Star, CemChina, HNA, Luye Group und Sinopec gehören zu den staatlichen und privaten Unternehmen aus China, die in der Schweiz investieren. Der Sektor mit den höchsten Investitionen ist jedoch die Landwirtschaft. Von Chinas weltweiten Agrarinvestitionen in Höhe von 43 Milliarden Dollar gingen mehr als 45 Prozent in die Schweiz. Den Investitionen in der Landwirtschaft folgen die im Energie- (8,31 Milliarden Dollar), Tourismus- (3,35 Milliarden Dollar) und Logistiksektor (2,81 Milliarden Dollar). Es ist bemerkenswert, dass China fast 3 Prozent seiner gesamten Auslandsinvestitionen in die Schweiz tätigt.

Mit ihren großen Saatgut- und Agrarunternehmen im Portfolio ist die Schweiz für China ein wichtiger Handelsstützpunkt für chinesische Investitionen. Dabei importiert China, entgegen dem Trend im Außenhandel, nur wenige landwirtschaftliche Produkte aus der Schweiz. In Anbetracht dessen, dass China mehr als 35 Prozent der weltweiten Landwirtschaft ausmacht, kann man folgern, dass die Investitionen in die Schweiz von strategischer Bedeutung sind. Durch das unterzeichnete Kooperationsabkommen haben sich die Beziehungen der beiden Staaten weiterentwickelt, und Bereiche wie Außenwirtschaft und Investitionen sind in den Vordergrund gerückt. Wie auch dem schweizerischen Strategieplan zu entnehmen, sollen die Beziehungen zwischen den beiden Staaten effizienter und nachhaltiger gestaltet werden. Doch die Menschenrechtsverletzungen und der Umgang mit Minderheiten in China wirken sich negativ auf die Beziehungen aus.

Im Gegensatz zu den Beziehungen zwischen Washington und Brüssel konzentrieren sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und China auf den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Die Verhandlungen der Parteien über neue Kooperationsmöglichkeiten im Finanzsektor sind ein wichtiges Indiz für den aktuellen positiven Trend. Auch ist bekannt, dass beide Seiten beim Projekt „Neue Seidenstraße“ stärker zusammenarbeiten wollen. Während die Schweiz von chinesischen Investitionen wirtschaftlich profitiert, treten in der politischen Diskussion so manch andere Themen in den Vordergrund. China hat große Agrarunternehmen aus der Schweiz übernommen und somit seine operativen Aktivitäten über diesen Staat ausgeweitet. So kann es durchaus sein, dass die anstehenden Wahlen in der Schweiz die Beziehungen beeinträchtigen könnten. Letztlich suchen Peking und Bern ein Gleichgewicht von politischen und wirtschaftlichen Aspekten. Dabei setzt China weiterhin die Priorität auf Handel, Wirtschaft und Investitionen in der Schweiz.

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