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Kürzlich wurde in Deutschland eine Gesetzesänderung verabschiedet, die unter Juristen für Aufsehen sorgte. Die gesetzliche Neuregelung zum Erscheinungsbild und zur Kleiderordnung von Beamten und Beamtinnen wurde im Bundesrat angenommen. Die entsprechende Verordnung wird nach Zustimmung des Bundespräsidenten in Kraft treten. Dass im Rahmen dieses Gesetzes ein Kopftuchverbot für Beamtinnen im öffentlichen Dienst möglich sein könnte, wurde wie anfangs erwähnt von Rechtskreisen, darüber hinaus jedoch auch von der nationalen und internationalen Öffentlichkeit kritisiert.

Dennoch wurde das Bundesbeamtengesetz in Deutschland novelliert. Auf diese Weise wurde die staatliche Intervention hinsichtlich der Bekleidung von Beamtinnen und Beamten in öffentlichen Einrichtungen in rechtlich-normativen Sinn geregelt. Die aktualisierte Regelung umfasst nicht nur Eingriffsmöglichkeiten bei der Bekleidung von Beamtinnen und Beamten, sondern auch bei ihrem äußeren Erscheinungsbild bis hin zu Tattoos und Accessoires.

Was beinhaltet die Gesetzesnovellierung?

Die Novellierung bezweckt eine Art Rehabilitation des äußeren Erscheinungsbildes von Beamtinnen und Beamten in öffentlichen Einrichtungen und Institutionen. Hierbei drängt sich die Frage auf, ob dieses neue Gesetz, welches den jeweiligen öffentlichen Einrichtungen das Recht einräumt, sichtbare religiöse oder ideologische Symbole ihrer Mitarbeiter zu verbieten, quasi als offizielle Bestätigung der systematischen Einschüchterung von Muslimen zu werten ist, mit der diese in vielen Teilen Europas vor dem Hintergrund der Islamfeindlichkeit konfrontiert werden.

Der Verwirrung in den Reihen der muslimischen Öffentlichkeit – mittlerweile ein unverzichtbarer Teil Deutschlands und in allen Bereichen des öffentlichen Lebens tätig – ist nur allzu verständlich. Legt man nun die Haltung Deutschlands hinsichtlich der Islamfeindlichkeit zugrunde und berücksichtigt darüber hinaus die jüngsten Kopftuchdebatten in Frankreich, so erscheinen Befürchtungen berechtigt, dass die nach dem Brexit verbliebenen beiden Antriebskräfte der Europäischen Union eine Neugestaltung des „öffentlichen“ Bereiches anstreben. Daraus kann durchaus auch geschlussfolgert werden, dass Deutschland eine bestimmte Agenda gegenüber Muslimen verfolgt. Ähnliche Bedenken hatte auch das türkische Außenministerium hinsichtlich der Gesetzesnovellierung kurz nach deren Bekanntwerden verlautbaren lassen.

Ist dieses Gesetz rechtswidrig?

Zweifelsohne entsteht Recht nicht nur aus den formell normierten gesetzgeberischen Aktivitäten des Parlaments. In diesem Sinne kann aber das vordergründig formal Richtige nicht auf die Gesamtheit der Gesetze heruntergebrochen werden. Liberale Verfassungsordnungen beachten die universellen Werte des Rechts und die Tradition des internationalen Völkerrechts. Insofern können die von souveränen Staaten beschlossenen Regelungen und Gesetzgebungsverfahren nicht losgelöst von den universellen Werten des Rechts und des internationalen Völkerrechts betrachtet werden. Nimmt man dann noch mit Blick auf das EU-Recht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Situation Deutschlands hinzu, gewinnt die Thematik weiter an Bedeutung. Betrachtet man die Regelung also mit Blick auf die dominante Kraft innerhalb der EU, die den Anspruch stellt, Vorreiter in Sachen Menschenrechte und in höchstem Maße offen für Multikulturalimus zu sein, so nehmen die Bedenken gravierende Ausmaße an. Diese Regelung, die in erster Linie muslimische Frauen im öffentlichen Dienst beunruhigt, kann zweifellos als Rückschritt in Sachen Frauenrechte hinsichtlich der religiös begründeten Wahl der Bekleidung, des Auftretens und des Erscheinungsbildes bedeuten.

Gründe für die Unvereinbarkeit dieser Regelung mit internationalem Recht und dem deutschen Grundgesetz

Angesichts der Tatsache, dass Deutschland ein liberaler Rechtsstaat ist und mit seinem Anspruch einer säkularen Ordnung gleiche Distanz zu allen gesellschaftlichen Akteuren zu wahren hat, ist es mit Blick auf die objektiven Umstände nicht hinnehmbar, eine Novellierung zu akzeptieren, die insbesondere muslimische, kopftuchtragende Frauen davon abhalten wird ihren Berufen nachzugehen. Diese Regelung widerspricht nicht nur den entsprechenden Artikeln der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und der Europäischen Menschenrechtskonvention hinsichtlich der Religions- und Gewissensfreiheit, sondern schadet auch dem Geist der Konventionen. Es sollte bedacht werden, dass eine Intervention beim Kopftuch als Ergebnis der Einschüchterungspolitik eine soziale Krise auslösen kann, die zum einen Gesetzesänderungen hinsichtlich der politischen und sozialen Teilhabe von Frauen und darüber hinaus den Pluralismus bzw. Multikulturalismus in Frage stellen kann.

Diese Gesetzesnovellierung, die auch von vielen Staatsführungen und NGOs auf internationaler Ebene kritisiert wurde, birgt die Gefahr, eine systematische Einschüchterungspolitik gegenüber Muslimen zu legitimieren oder das Recht als politisches Mittel zu missbrauchen. Beispielsweise garantiert Artikel 33 des Grundgesetzes die Gleichstellung der Rechte aller Bürger und die Möglichkeit des Einstiegs in den öffentlichen Dienst. Hierin wird betont, dass jeder Bürger gleichermaßen mit Rechten und Pflichten ausgestattet ist und auch das Recht hat, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Zugang in den öffentlichen Dienst durch die Gesetzesnovellierung eingeschränkt wird und dass diejenigen, die bereits im öffentlichen Dienst tätig sind und von der Neuregelung betroffen sein werden, direkt oder über Umwege mit Kündigungen zu rechnen haben oder sogar von sich aus den Dienst quittieren. Wenn letztlich der deutsche Bundespräsident dieses Gesetz zum Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten unterschreibt, so erwartet das Bundesverfassungsgericht wohl in Bezug auf die Achtung von Grundrechten eine neuerliche Prüfung.

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