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Mehrere AfD-Bundestagsabgeordnete haben die von Armenien besetzte Berg-Karabach-Region besucht. Die Partei ist Teil der rechten Strömungen, die sich mit Armenien solidarisieren und den Konflikt mit Aserbaidschan als Kampf der Kulturen propagieren.

Seit dem Ausbruch der Kämpfe am 27. September in Berg-Karabach verbreitet die armenische Seite den Narrativ von einem Kampf der Kulturen. Armenien versucht, dem Konflikt eine religiöse Dimension zu verleihen und ihn als Krieg zwischen Christen und Muslimen darzustellen. Die von der armenischen Führung und Gesellschaft gebetsmühlenartig wiederholten Lieblingsphrasen wie „die letzte Bastion der westlichen Zivilisation“ oder „ein Stützpunkt gegen das wachsende türkisch-islamische Kalifat“ verdrehen nicht nur das Wesen der Konfrontation, sondern lenken auch die internationale Aufmerksamkeit von der Tatsache der Besetzung der aserbaidschanischen Gebiete ab.

Das als pseudointellektuell und rassistisch geltende Konzept „Kampf der Kulturen“ findet Sympathie und Unterstützung bei rechtsextremen und populistischen Gruppen auf dem gesamten europäischen Kontinent. In den letzten Wochen kamen Solidaritätsbekundungen mit Armenien hauptsächlich von umstrittensten politischen Persönlichkeiten und Parteien in Europa.

Der Führer der rechtsextremen Front im politischen Spektrum der Niederlande, Geert Wilders, twitterte am 27. September seine Unterstützung für die „christlich-armenischen Freunde" gegen die „islamische Aggression aus Aserbaidschan". Später wiederholte er seine Position auf Facebook mit ähnlichem Wortlaut. Bekannt für seine fremdenfeindlichen Äußerungen wurde Wilders wiederholt der Anstachelung zu Diskriminierung und Hass gegen verschiedene ethnische und religiöse Gruppen beschuldigt.

Am selben Tag gab auch die weit rechts stehende Rassemblement National (RN) unter der Führung von Marie Le Pen in Frankreich eine Erklärung zur Unterstützung Armeniens ab. Die radikalere RN-Vorgängerpartei Front National wurde einst von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen gegründet, der für seine Holocaust-Leugnung und Islamfeindlichkeit bekannt ist. Wegen undurchsichtigen Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen und dem Kreml lösten diese beiden Parteien bereits in der Vergangenheit Kontroversen in der französischen und europäischen Politik aus. Marie Le Pen selbst macht kein Geheimnis aus ihrer Unterstützung für den „Rattachism“, eine marginale irredentistische Bewegung, die Wallonien als Teil Frankreichs beansprucht. Ihr engster Berater Emmanuel Leroy war Teil einer umstrittenen europäischen Delegation aus hauptsächlich rechtsextremen Politikern, die 2015 an den Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der „Unabhängigkeit" der sogenannten Volksrepublik Donezk, einer von Russland unterstützten abtrünnigen Region der Ukraine, teilnahm.

In einer Ansprache vor dem Europäischen Parlament forderte der Schwede Charlie Weimers Europa auf, wegen der Kämpfe in der sogenannten Republik Arzach – ein nicht anerkanntes Regime in der Berg-Karabach-Region – Sanktionen gegen den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew zu verhängen und die Türkei aus der OSZE-Minsk-Gruppe auszuschließen. Weimers repräsentiert im Europaparlament die Schwedendemokraten, die als rechtspopulistische und national-konservative politische Kraft gelten. Ihre Wurzeln haben sie im schwedischen Faschismus sowie weißen Nationalismus.

Der italienische Senator und Anführer der rechtsextremen italienischen Lega (ehemals Lega Nord), Matteo Salvini, stellte bei einer pro-armenischen Kundgebung in Italien ein ähnliches Narrativ wie Weimers über die Notwendigkeit vor, Armenien als einen „Vorposten der europäischen Zivilisation im Nahen Osten und im Kaukasus” zu verteidigen.

In den letzten Jahren hat die AfD eine Anerkennung der „Republik Berg-Karabach“ in Deutschland aktiv unterstützt. AfD-Mitglieder hatten Armenien schon in der Vergangenheit ihre Unterstützung angeboten und vor einigen Jahren eine inoffizielle Wahlbeobachtungsmission nach Berg-Karabach geschickt. Am 18. Oktober besuchten die AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Stefan Keuter sowie die AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Galau und Andreas Kalbitz das von Armenien okkupierten Kriegsgebiet Berg-Karabach. Die armenische Rechtspartei Adekvad, die eine ultra-konservative und auf Verschwörungstheorien basierende Agenda besitzt, schätzt die AfD aufgrund ideologischer Gemeinsamkeiten.

In Griechenland hat die rechtsextrem-rassistische Partei „Goldene Morgenröte" ebenfalls ihre Unterstützung für Armenien im Karabach-Konflikt deutlich gemacht. Auf ihrer Webseite wurden mehrere Erklärungen und eine Resolution zugunsten von Armenien veröffentlicht. Ein griechisches Gericht hatte die „Goldene Morgenröte“ bereits als kriminelle Vereinigung verboten und die politische Führung der Partei, einschließlich den Vorsitzenden Nikolaos Michaloliakos, des Mordes und versuchten Mordes bzw. gewalttätiger Angriffe bezichtigt.

Ein weiterer leidenschaftlicher Unterstützer der armenischen Position im Karabach-Konflikt ist Paul Antonopoulos, ein in Sydney ansässiger Journalist. Antonopoulos, der bei dem Pro-Assad-Medium „Al-Masdar News“ angestellt war, wurde aufgrund seiner rechtsradikalen Haltung und rassistischer Beleidigungen von der Agentur entlassen. Sein Twitter-Account verbreitet nicht nur pro-armenische Ansichten, sondern auch Falschnachrichten über Aserbaidschan und die Türkei.

Witali Milonow, ein berüchtigter nationalistischer Politiker in Russland, der Wladimir Putin nahesteht, besuchte am 16. Oktober Berg-Karabach und drückte dem dortigen Separatistenregime seine Solidarität aus. Milonow ist Mitglied der Regierungspartei „Einheitliches Russland" und Abgeordneter der Staatduma. Wegen seiner homophoben und antisemitischen Äußerungen wird er seit langem kritisiert und teils verspottet. Milonow, der in Russland als Architekt des berüchtigten Gesetzes gegen „Propaganda von Homosexualität“ gilt, besuchte vor einigen Jahren auch eine andere Konfliktzone: die von Russland unterstützte abtrünnige Donbass-Region in der Ostukraine. Dabei propagierte er Werte der „russischen Welt“ und das berüchtigte Noworossija-Projekt, das auf eine Okkupation der gesamten Ost- und Südukraine abzielt.

Auch Armenien versucht offiziell, die Erzählung von einem angeblichen Kampf der Zivilisationen im Südkaukasus zu verbreiten. Dieses Narrativ ist an das internationale Publikum gerichtet und soll die Aufmerksamkeit verschiedener Gruppen auf sich ziehen – von der extremen Rechten bis hin zur radikalen Linken. Das kann aber auch nach hinten losgehen und Gegenreaktionen hervorrufen, da damit zugleich die Diskurse rechtsextremer Gruppen legitimiert werden. Eine Unterstützung für derartige Ideologien sollte im Ausland nur auf wenig Sympathien treffen. Dieses Narrativ wird auch nichts Wesentliches zur Lösung des Konflikts beitragen, der durch solche irrelevanten Elemente nur noch komplizierter wird.

Verschiedene politische Strömungen aus dem rechten Spektrum und aus Russland versuchen schon seit langem, verschiedene politische Themen im Sinne eines Zusammenpralls von Zivilisationen und als Konflikt zwischen Islam und Christentum darzustellen. Sie instrumentalisieren damit das Berg-Karabach-Problem und können oder wollen nicht verstehen, dass dieser Konflikt keinen religiösen Hintergrund hat. Ausländische Unterstützer der armenischen Seite hingegen sind aufgrund ihrer eigenen politischen Agenda an einer Instrumentalisierung des Berg-Karabach-Konflikts interessiert. Das schadet Armenien mehr, als es hilft und bringt keine Lösungen hervor.

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