14.11.2021, Österreich, Wien: Karl Nehammer (ÖVP,l-r), Innenminister von Österreich, Alexander Schallenberg (ÖVP), Bundeskanzler von Österreich, und Wolfgang Mückstein (Grüne), Gesundheitsminister von Österreich, sprechen bei einer Pressekonferenz zu den neusten Entwicklungen während der Corona-Pandemie. (dpa)
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Seit Wochen, ja Monaten warnen Experten aus verschiedenen Disziplinen in Österreich vor der vierten Corona-Welle. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Landeskliniken im Bundesland Salzburg Triageteams nominieren mussten. Deren Aufgabe ist im Fall der Fälle dem französischen Wort folgend das „Aussortieren“. Die Rede ist von Patienten, die je nach Chance auf Überleben ein freies Bett auf der Intensivstation bekommen oder eben nicht. Ungeachtet, ob sie gegen Covid-19 geimpft sind oder nicht.

Salzburg und Oberösterreich als Lockdown-Vorreiter

Lange hatte man versucht, mit diversen Regelungen wie 3G (geimpft, genesen, getestet), 2,5 G (geimpft, genesen, PCR-getestet) und schließlich einem Lockdown nur für Ungeimpfte das Schlimmste zu verhindern.

Am Donnerstag taten die ÖVP-Landeshauptmänner der Bundesländer Salzburg und Oberösterreich das, was sie wohl bereits vor Wochen hätten tun sollen: einen Lockdown für alle ab Montag zu verhängen. Salzburg ist mit einer aktuellen 7-Tage-Inzidenz von 1.740 österreichischer Spitzenreiter, knapp gefolgt von Oberösterreich mit einer Inzidenz von 1.591.

Alle Gedanken darüber, dass diese Maßnahmen sowohl aus wirtschaftlicher als auch epidemiologischer Sicht viel zu spät kommen, sind wohl richtig, aber letztlich müßig.

Über den Tag mehrten sich die Gerüchte, dass bei der am Achensee anstehenden Konferenz wohl ein bundesweiter Lockdown aufs Tapet gebracht wird. Die SPÖ-geführten Bundesländer Wien, Burgenland und Kärnten signalisierten trotz eigener relativ niedriger Inzidenzen bereits Einverständnis.

Die Auslieferung des Sebastian Kurz

Während die Bevölkerung gespannt in den Medien die neuesten Entwicklungen verfolgte sowie in den sozialen Medien diskutierte und spekulierte, stand im Nationalrat die Debatte über das Budget an.

Auch wurde über den Auslieferungsantrag gegen den zweifachen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) abgestimmt. Wegen der aktuellen Gesundheitskrise war diesem Ereignis nicht mehr jene Aufmerksamkeit gewidmet worden, die es wohl verdient hätte.

Denn es geht bei den Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft um nicht weniger als Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.

Angesichts der dramatischen Gesundheitskrise könnte man sich auch an diverse Kurzsche Aussagen erinnern. Wie beispielsweise „Das Versprechen, dass wir im Sommer in die Normalität zurückkehren können, dieses Versprechen können wir einhalten“, dem Erblicken des „Lichts am Ende des Tunnels“ und seiner Prognose der „coolen Zeit“, die auf alle im vergangenen Sommer angeblich hätte zukommen sollen.

Wie weit hier politische Verantwortung zu übernehmen sein wird, wird die Zukunft weisen.

Der Auslieferungsantrag wurde jedenfalls einstimmig angenommen.

Vom Ibiza-Star zum Demonstranten-Sammler

Herbert Kickl, nachweislich und stolz ungeimpfter Chef der FPÖ, die sich betont nicht als Gegner der Corona-Impfung versteht, sondern lediglich die „Wahlfreiheit“ propagiert, ist mittlerweile selbst an Corona erkrankt, weshalb er im Rahmen der Quarantäneregelungen zu Hause bleiben muss.

Der Zeitpunkt kommt ihm besonders ungelegen, da für Samstag eine große Demonstration für "Demokratie, Grundrechte und Freiheit" angesetzt ist und er nun nicht live vor Ort mit dabei sein kann. Doch was wäre Österreich, würde aus dem Schaden des einen nicht ein anderer seinen Nutzen ziehen wollen?

Der 2019 über das Ibiza-Video gestolperte ehemalige Vizekanzler und vormalige Chef der FPÖ, HC Strache, witterte seine Chance! Seine politischen Perspektiven kann man mittlerweile am besten mit dem Wienerischen „Null Komma Josef“ (= absolut Null) beziffern. Die Wiener hatten bei der letzten Landtagswahl 2020 klar zum Ausdruck gebracht, dass das Team HC Strache, kurz: THC (sic!), im Landtag unerwünscht ist. Auch in Graz 2021 lief es nicht besser.

Was also liegt näher, als dem ans Haus gefesselten ehemaligen Parteikollegen Kickl die Teilnehmer an der Kundgebung und damit potentiellen Wähler abspenstig zu machen und eine eigene Demonstration für „Grund-, Menschen- und Freiheitsrechte“ zu veranstalten?

Das Zitat von Konrad Adenauer „Freund, Feind, Parteifreund“ darf also ab sofort um den „Ex-Parteifreund“ ergänzt werden.

Der Mut der Verzweiflung

Angesichts der dramatischen Infektionszahlen, der Auslastung auf den Intensivstationen und dem Vorpreschen von Salzburg und Oberösterreich betreffend eines Lockdowns kam es am Freitag kurz nach 10:00 Uhr Ortszeit zum vorläufigen Pressekonferenz-Showdown.

Ab Montag gilt in ganz Österreich ein Lockdown. Diesmal wieder für alle und nicht nur für Ungeimpfte. Betreffend Schulen appellierte Bundeskanzler Schallenberg an alle Eltern, wenn es möglich sei, die Kinder zu Hause zu lassen. Wirtschaftliche Hilfen werden verlängert bzw. wieder neu aufgelegt.

Und ab 1. Februar 2022 wird es eine allgemeine Corona-Impfpflicht geben. Dem bisherigen Versäumnis, bestimmte Berufsgruppen mit einer Impfpflicht zu belegen, soll nun offenbar gegengesteuert werden.

Beide Entscheidungen, sowohl der bundesweite Lockdown für alle als auch die allgemeine Impflicht, sind durchaus mutige und in der aktuellen Situation wohl die einzig richtigen Schritte. Auch wenn dieser Mut letztendlich aus Verzweiflung gespeist wird.

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