Symbolbild: Wahlen (AFP)
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Der Spitzenkandidat der SPD in Nordrhein-Westfalen (NRW), Thomas Kutschaty, möchte auch im Falle eines zweiten Platzes bei den Landtagswahlen in weniger als zwei Wochen Ministerpräsident werden. Das sagte der heutige Chef der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzende, der von 2010 bis 2017 Justizminister in NRW war, gegenüber dem Tagesspiegel: Es gehe darum, so der 53-jährige Politiker, eine stabile Mehrheit im Parlament für eine eigene Regierung zu organisieren, sofern es rechnerisch möglich sei. „Das ist prinzipiell nichts Verbotenes“, betonte Kutschaty. Der gebürtige Essener verwies darauf, dass er sowohl zu den Grünen als auch zur FDP gute Kontakte habe, und machte zugleich unmissverständlich deutlich: „In keiner einzigen Umfrage der jüngsten Zeit reicht es mehr für Schwarz-Gelb, also für die Fortsetzung der aktuellen Regierung. Das heißt, diese Regierung wird abgewählt.“ Die derzeitigen Umfragen bestätigen die Aussagen des SPD-Spitzenkandidaten.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Seit Wochen liefern sich CDU und SPD ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Laut Insa lag die SPD (31 Prozent) zwei Prozentpunkte vor der CDU (29 Prozent). Auch wenn die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap der CDU eine hauchdünne Mehrheit (31 Prozent) vor der SPD (30 Prozent) bescheinigt, verlöre die jetzige Koalition aus Christ- und Freidemokraten ihre Mehrheit im Düsseldorfer Landtag dennoch. Theoretisch möglich wären neben einer großen Koalition ein schwarz-grünes Bündnis sowie eine Jamaika-Koalition. Die SPD könnte aber auch nach dem Vorbild im Bund eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP bilden.

Laut Infratest-Analyse bevorzugt ein Großteil der Bevölkerung in NRW trotz fehlender Mehrheit ein rot-grünes Bündnis: 41 Prozent bezeichnen eine Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen als sehr gut bzw. gut. Dagegen votieren nur 33 Prozent für eine schwarz-gelbe Regierung. Drei von zehn bewerten eine große Koalition (31 Prozent) positiv, etwa ebenso viele eine Ampelregierung (30 Prozent). Ein schwarz-grünes Bündnis findet in NRW Rückhalt bei 28 Prozent, ein Jamaika-Bündnis bei 26 Prozent.

Für den Spitzenkandidaten der SPD, der aus einer Eisenbahner-Familie stammt und in einer Sozialwohnung aufgewachsen ist, kommt die Popularität einer Regierung unter SPD-Führung gerade recht. So wirbt Kutschaty in den letzten Tagen vermehrt mit der Person des Bundeskanzlers: „Wir machen lieber deutlich, dass Nordrhein-Westfalen am besten regiert wird, wenn der neue Ministerpräsident auch eng mit der Bundesregierung zusammenarbeitet“, betont der Jurist.

Impulse für eine neue Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Punkten möchte der Sozialdemokrat, der seit 1986 Mitglied in der Partei ist, mit mehr Arbeit und sozialer Gerechtigkeit, den Kernthemen der SPD, von denen sich die Genossen in den letzten Jahren und Jahrzehnten merklich verabschiedet hatten. Kutschaty begrüßt die Abkehr von Hartz-IV und möchte Langzeitarbeitslosen wieder schneller zu einem neuen Job verhelfen. Dafür hat die SPD vor, den öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt auszubauen, von derzeit 4.000 auf 10.000 Arbeitsplätze in NRW. Für langzeitarbeitslose Ehepaare und Alleinerziehende soll es neue Eingliederungs- und Jobprojekte geben. Die Ausbildung zum Meister soll kostenfrei werden. Mitarbeiter sollen zudem stärker an den Gewinnen ihres Unternehmens beteiligt werden. Mit einer sogenannten „Familienarbeitszeit“ möchte die SPD es Familien ermöglichen, Arbeitszeiten zu reduzieren, ohne gleichzeitig auf Einkommen zu verzichten.

Pläne zur Bekämpfung der Wohnungsnot

Ein großes Problem, das nicht nur Menschen in NRW beschäftigt, sind die steigenden Mieten und die Knappheit des Wohnraums. Um Entlastung bei diesem Dauerproblem herbeizuführen, möchten die Sozialdemokraten 100.000 neue Wohnungen in NRW schaffen, ein Viertel davon mit sozialer Mietpreisbindung. Um die soziale Härte des Wohnungsmarkts zu begrenzen, planen sie eine landeseigene Wohnungsgesellschaft. Des Weiteren fordern die Genossen im bevölkerungsreichsten Bundesland steuerliche Anreize, um den Wohnungsbau zu beflügeln. Familien sollen durch Förderangebote dazu ermutigt werden, Häuser und Wohnungen in Landstrichen zu kaufen, in denen die Bevölkerungsentwicklung rückläufig ist.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Einen zentralen Platz nimmt im Wahlprogramm die Kinderbetreuung ein, gerade für Alleinerziehende. Die Kita soll für mindestens 30 Stunden pro Woche gebührenfrei werden, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Überdies soll das knappe Betreuungspersonal aufgestockt werden.

Großbaustelle Bildungspolitik

Akzente möchte Kutschaty vor allem auch in der Bildungspolitik setzen. Eigens dafür hat die Partei einen Zehn-Punkte-Plan für Schulen entworfen: Zentral soll hier die bessere Ausstattung der Schulen mit mehr Geld und Lehrpersonal sein, vor allem in sozial schwachen Vierteln. Dazu zählen Mittel für Digitalisierung, Ganztag, Schulsozialarbeit und Neubauten von Schulen. Im Rahmen einer Personal-Offensive will die SPD die Gehälter der Lehrkräfte in den verschiedenen Schulformen, egal ob Grundschule oder Gymnasium, einander anpassen und bessere Bedingungen für die Verbeamtung schaffen. Kutschaty möchte darüber hinaus die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Schulen aufwerten und sie zur „kritischen Infrastruktur“ erklären. Dafür sollen Hygiene- und Schutzmaßnahmen so gestaltet werden, dass auch in Krisenzeiten wie einer Pandemie konstant Präsenzunterricht angeboten werden könne. Ausdrücklich bekennt sich die Landes-SPD auch zum gemeinsamen Lernen behinderter und nichtbehinderter Kinder (Inklusion) an Schulen. Zudem bekennt sich die Partei zur Gesamtschule, möchte allerdings das mehrgliedrige Schulsystem im Land fürs Erste fortführen. Auch die Zahl der Studienplätze für das Lehramt soll erhöht werden. Nach Meinung der SPD gebe es überdies zu viele Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verließen. Diesen jungen Leuten müsse eine bessere Förderung, Orientierung sowie Angebote zum Nachholen ihrer Abschlüsse geboten werden.

Mit diesen Kernpositionen haben die Sozialdemokraten durchaus gute Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Mehr noch: Diesmal ist die Wahrscheinlichkeit sogar sehr hoch, dass Thomas Kutschaty am 15. Mai der neue Ministerpräsident von NRW werden könnte.

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