(tag der muttersprache)
Folgen

Schutz und Fortbestand der Muttersprache sind insbesondere für Minderheiten wichtige Anliegen. Um die sprachliche Vielfalt zu erhalten und die mehrsprachige Bildung in der Muttersprache zu fördern, hat die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im Jahr 2000 den „Internationalen Tag der Muttersprache“ ins Leben gerufen. Dieser Tag wird jährlich am 21. Februar begangen. Dadurch wird auch Sprachen, die nur noch selten bzw. lediglich von Minoritäten gesprochen werden, mehr Interesse zuteil. Bilingualität und Mehrsprachigkeit sind Kostbarkeiten, die vielfach unterschätzt werden. Zudem machen Studien deutlich: Die Muttersprache ist die Basis zum Erwerb weiterer Sprachen. Denn wer seine Muttersprache optimal beherrscht, kann umso besser eine Zweit- oder Drittsprache erlernen. So weisen auch Pädagogen verstärkt darauf hin, dass Eltern mit ihren Kindern zunächst immer die Muttersprache, mit der eine emotionale Verbundenheit bestehe, sprechen sollten.

Minderheitensprachen in Deutschland

In Deutschland ist die offizielle Behördensprache Deutsch. Auch die Gesetzes- und Gerichtssprache sowie die Parlaments- und Schulsprache in Deutschland ist Deutsch. Wer beispielsweise vor Gericht des Deutschen nicht mächtig ist, bekommt Unterstützung von einem Dolmetscher. Daneben gibt es weitere Sprachen und Dialekte, die in wenigen Gebieten Deutschlands als Amtssprachen neben dem Hochdeutschen zulässig sind: Dies trifft beispielsweise in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf die friesische und dänische Minderheit zu. Dort sind in einigen Kreisen Niederdeutsch, Friesisch (Nordfriesisch und Saterfriesisch) sowie Dänisch geschützte und offiziell anerkannte Sprachen. In den traditionellen sorbischen Siedlungsgebieten Sachsens und Brandenburgs genießt das Nieder- und Obersorbische einen Amtssprachenstatus. Die Sprache der Volksgruppen der Sinti und Roma, Romani, ist eine weitere offizielle Minderheitensprache in Deutschland. Auch Niederdeutsch und Plattdeutsch sind als eigenständige Sprachen geschützt. Diese werden in acht der sechzehn deutschen Bundesländer gesprochen. Der Schutz der Minderheitensprachen wird durch die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ garantiert. Deutschland unterstützt die Angehörigen der nationalen Minderheiten bei der Bewahrung ihrer kulturellen Identität, indem es z.B. Kulturzentren, Musikgruppen, Fernseh- und Funkstationen fördert. Auch im Bildungs- und Erziehungswesen – angefangen beim Kindergarten über die Schulen bis hin zur Universität – werden die offiziell anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland gefördert. Diese Praxis unterstützt die Vielfalt in Deutschland. In der heutigen Türkei wird der Diversität eine ähnlich hohe Bedeutung beigemessen.

Eine stille Revolution in der Frage der Minderheitenpolitik

In der Türkei hat sich in Bezug auf die so genannte „Kurdenfrage“ – selbst wenn dies in den hiesigen Medien wenig Beachtung findet – in den letzten 19 Jahren im Vergleich zu vorher vieles zum Positiven verändert. Während der Regierungszeit der AK Partei hat sich eine stille Revolution hin zu mehr Pluralismus vollzogen. Jetzt wird Kurdisch nicht nur in der Schule unterrichtet, es existieren mittlerweile sogar mehrere Fakultäten für Kurdologie. Bei seinem Amtsantritt 2003 hatte der heutige Staatspräsident und ehemalige Premier Recep Tayyip Erdoğan die Stärkung der Rechte der kurdischen Minderheit zur Chefsache erklärt. Schon 2005 sagte er in Diyarbakır: „Die Kurdenfrage ist auch mein Problem“. Er sprach von bedauerlichen Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht worden seien und denen man sich als Staat stellen müsse. Darüber hinaus betont er immer wieder die kurdische Identität. AK Partei und Regierungskabinett waren nicht nur in der Vergangenheit, sondern sind auch heute noch mit kurdischen Abgeordneten und Ministern besetzt. Erdoğan, der „Assimilation als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ auffasst und diesen Satz auch oftmals in Bezug auf die türkisch- und kurdischstämmige Bevölkerung in Europa verwendet, bewertet auch die frühere Assimilationspolitik gegenüber der kurdischen Minderheit in der Türkei ähnlich.

Förderung von Minderheitensprachen durch TV- und Radiokanäle

Die ersten konkreten Schritte der Regierung zu mehr kultureller Eingliederung wurden durch die Eröffnung des ersten kurdischsprachigen, öffentlich-rechtlichen Staatssenders „TRT ŞEŞ“ eingeleitet. Bei der Eröffnungszeremonie sprach der heutige Präsident selbst auf Kurdisch. Heute existiert dieser Sender unter dem Namen „TRT Kurdî“ weiter. Der Fernsehkanal, dessen Programme – von Kindersendungen bis hin zu Serien, Filmen und Dokumentationen – 24 Stunden ausgestrahlt werden, sendet auch in verschiedenen Dialekten der kurdischen Sprache. Zudem werden einige Programminhalte auch auf Persisch und Arabisch produziert. Neben „TRT Kurdî“ gibt es viele weitere kurdischsprachige TV-Sender, die in der Türkei ausgestrahlt werden: Mit „Kurdistan 24“, „Rûdaw TV“, „Evin TV“, „Kanal Urfa“, „Rehber TV“, „Edessa TV“ und „Uzay TV“ seien hier nur einige genannt.

Die Förderung von Minderheitensprachen ist der türkischen AK Partei Regierung stets ein wichtiges Anliegen. So gingen bereits 2009 kurdisch- und armenischsprachige Radiostationen auf Sendung. Kurdischsprachige Programme werden über „Türkiye'nin Sesi“ („Die Stimme der Türkei“) empfangen. Überdies trumpfte „TRT-6 Radyo“ mit armenischsprachigen Programmen auf. Beide Radiostationen senden seitdem rund um die Uhr. Außerdem: Seit dem 6. Dezember 2019 ist der erste armenisch-türkische Fernsehkanal „Luys TV“ auf Sendung.

Muttersprachlicher Unterricht und Fakultäten

Die Betonung der Erhaltung der eigenen Kultur, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, war für Erdoğan immer schon ein wichtiges Anliegen. So sprach sich der heutige Staatspräsident – auch gegen vielerlei Widerstände alter nationalistischer und radikal-säkularer Eliten – für die muttersprachliche Schulbildung der Kurden in der Türkei aus. Zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei hatten Kinder in staatlichen Schulen des Landes die Möglichkeit, sich ab der Mittelstufe für Kurdisch als Wahlpflichtfach zu entscheiden. Auch in zahlreichen Privatschulen konnte plötzlich in kurdischer Sprache unterrichtet werden. Unmittelbar danach entstanden an staatlichen Universitäten kurdische Fakultäten. Auch private Forschungseinrichtungen und Institute wurden nunmehr verstärkt gefördert. Die Universität Mardin eröffnete 2011 den Fachbereich „Kurdische Sprache und Literatur“ und gehörte zu den ersten staatlichen Hochschulen, die ein solches Angebot schufen. 2012 schloss sich die Universität Bingöl diesem Vorhaben an. Die Universitäten in Muş und Tunceli schufen ebenfalls entsprechende Fachbereiche. Und: Die Bosporus-Universität Istanbul bietet schon seit 2008 Armenisch als Wahlfach an. Überdies gibt es dort auch die Möglichkeit, Romani zu studieren.

Reformen für eine pluralistische Türkei

Kurdische Lokalverwaltungen dürfen seitdem mit ihren Bürgern wieder auf Kurdisch kommunizieren. Die Rückbenennung von traditionell kurdisch besiedelten Ortschaften wurde ebenso ermöglicht. Außerdem wurde das Verbot, in Gefängnissen Kurdisch zu sprechen, aufgehoben.

Diversität, Pluralismus, der Schutz von Minderheiten und ihre kulturelle Förderung sind wichtige Elemente demokratischer Gesellschaften. Sie müssen weiterhin gefördert werden. Homogenität war nämlich nie ein Freund der Entwicklung und des Fortschritts. Deutschland und die Türkei sind hier auf einem guten Weg.

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