Archivbild. 27.10.2017, Russland, Moskau: Das Logo des staatlichen russischen TV-Senders RT ist im Fenster des Firmenbüros zu sehen. (dpa)
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Obwohl die Frage der Schließung der „Staatsmedien“ zwischen Deutschland und Russland im Hinblick auf Pressefreiheit und Reziprozität in den Medien kritisch ist, scheint sie derzeit weitgehend im Schatten der aktuellen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine geblieben zu sein. Doch Deutschland, das sich als Wiege der Demokratie versteht, hat Russia Today (RT Deutsch), das deutschsprachige Rundfunkorgan Russlands, eingestellt. Als Reaktion darauf gab Russland bekannt, dass dem öffentlich-rechtlichen deutschen Sender Deutsche Welle (DW) die Ausstrahlung in seinem Land verboten wurde.

Atmosphäre des Kalten Krieges

Dass ein solcher Showdown, der diesmal den Medienbereich im Beziehungsgeflecht von „Journalismus-Propaganda-Aktivitäten einer fünften Kolonne“ betrifft, aktuell zu einem gewissen Grad im Hintergrund der Geschehnisse bleibt, ist nachvollziehbar. Denn erstmals nach dem Kalten Krieg zwischen den USA und der UdSSR wird die damalige sowjetische Bedrohung des Kerns Europas nun im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise wieder spürbar. Obschon sich noch kein klares Bild dahingehend abgezeichnet hat, dass die politischen Akteure in Europa miteinander respektive mit den USA gemeinsam agieren, gehen die Bemühungen verschiedener Akteure weiter, den Konflikt mit diplomatischen Mitteln zu lösen.

Dahingegen entsteht mit der Berichterstattung der westlichen Medien der Eindruck, die Invasion Russlands in der Ukraine hätte bereits begonnen. In diesem Sinne kann die Äußerung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskyj vom 28. Januar dieses Jahres, wonach westliche Medien den Eindruck erweckten, dass es schon einen Krieg zwischen der Ukraine und Russland gebe, dies aber nicht der Fall sei, als Spiegelbild eines „interventionistischen und provokativen“ Berichterstattungsansatzes der westlichen Medien verstanden werden. Selenskyj unterstrich in seiner Erklärung, dass sich die aktuelle Situation zwischen der Ukraine und Russland im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert habe. Selenskij erklärte wörtlich: „Die Medien in England, Deutschland, Frankreich und Litauen erwecken den Eindruck, dass es einen Krieg gibt. Aber das ist nicht der Fall. Ich glaube nicht, dass die aktuelle Lage angespannter ist als Anfang 2021.“ Selenskyjs Äußerungen in Bezug auf westliche Medien bedeuten sicherlich nicht, dass man einen Krieg zwischen den beiden Ländern ausschließen oder dass Russland nicht versuchen wird, in die Ukraine einzudringen.

Der kritische Punkt hierbei ist, dass zwar noch keine so reale Situation vorliegt, aber so berichtet wird, als ob der Krieg in der Region begonnen hätte, was die Anspannung bei allen Beteiligten erhöht.

Selbsternannte demokratische Medien

Der Einwand des Präsidenten der Ukraine in Bezug auf die westlichen Medien gilt tatsächlich auch für weitere Staaten. So hat die Egozentrik in den westlichen Medien und der journalistische Reflex, das Gegenüber als den Anderen zu markieren, einen politischen, historischen und kulturellen Hintergrund. In der Art der Berichterstattung spiegelt sich dies tatsächlich wider.

Es ist zur Gewohnheit der westlichen Medien geworden, Demokratie, Wahlen, Staatsstreiche oder ausländische Interventionen im Rahmen ihrer eigenen Interessen zu definieren und demgemäß zu entscheiden, wer als Demokrat und prodemokratisch erachtet wird. Mit diesem Ansatz der westlichen Medien ist man nur für sich demokratisch. Mit anderen Worten: Wenn es den eigenen Interessen und Prioritäten dient, sind Dinge in Ordnung, auch wenn sie eigentlich nicht mit demokratischen Werten vereinbar sind. Geht es jedoch gegen diese besagten Interessen, spielt es keine Rolle, ob Entwicklungen mit der Demokratie vereinbar sind oder ob man einen „autoritären Diktator“ zum Gegenüber hat. Beispielsweise wurde der Sturz von Mohammed Mursi, dem durch Volksabstimmungen in Ägypten gewählten Präsidenten, durch einen Putsch des Armeechefs Sisi, bei dem tausende Zivilisten auf den Straßen umkamen und hunderte aus politischen Gründen hingerichtet wurden, nicht als gravierendes Problem angesehen. Während Sisi teilweise sogar noch gelobt wird, findet man im Gegenzug in den westlichen Medien einen ganzen Block in der Rubrik „Autoritarismus-Diktatur“ zu Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der zwar 15 Mal in Folge offizielle Wahlen gewonnen hat, wohl aber als größeres Problem wahrgenommen wird. Beispiele in diesem Zusammenhang ließen sich vervielfachen. Es ist jedoch absehbar, dass die Nennung zahlreicher Beispiele nicht dazu beitragen wird, den gebetsmühlenartig eingeübten und voreingenommenen Ansatz in den westlichen Medien zu ändern. Tatsächlich offenbart sich dies in der aktuellen Frage der Schließung der Medieneinrichtungen zwischen Deutschland und Russland.

Gegenseitigkeit in den Medien ist wesentlich

Betrachtet man die medialen Spannungen zwischen den beiden Ländern, so stellt man fest, dass Deutschland zunächst die russischsprachigen RT-Sendungen in deutscher Sprache abgeschaltet hat. Die Zulassungs- und Prüfkommission (ZAK) der Medien in Deutschland hat sich in ihrer Sitzung mit der Situation von RT-Sendern auseinandergesetzt, die in Deutschland als Propagandainstrument des Kremls gelten. Nach dem Treffen hatte ZAK alle Übertragungen in Deutschland komplett verboten, einschließlich der Live-Übertragungen von RT Deutsch im Internet oder über mobile Anwendungen. Als Grund für das Sendeverbot nannte die ZAK das Fehlen der erforderlichen „medienrechtlichen Genehmigungen“. Deshalb hat Deutschland dem staatlichen Sender RT die Ausstrahlung in Deutschland verboten und ihm die Sendelizenz entzogen. Als Reaktion darauf hat Russland verständlicherweise die Aktivitäten der DW, des Medienorgans des deutschen Staates, in Russland verboten und entzog ihr am nächsten Tag die Sendelizenz.

Darüber hinaus kündigte das russische Außenministerium an, für deutsche Beamte, die an der Abschaltung von RT Deutsch beteiligt waren, ein Einreiseverbot nach Russland zu verhängen. Hier ist zu konstatieren, dass die Herangehensweise der deutschen Medien in Bezug auf dieses Spannungsfeld nicht wirklich überrascht. Obwohl es Deutschland war, das mit einem Verbot vorpreschte, wurde Russlands Verbotsentscheidung mit den Schlagworten Autoritarismus, Unterdrückung, Demokratiefeindlichkeit und Prohibitionismus aufgearbeitet. In diesem Verständnis wird Deutschland als Land mit „demokratischen Werten“ positioniert und das von ihm umgesetzte Verbot in diesen Kontext gesetzt.

In einem anderen Beispiel, zu einem ähnlichen Thema in Bezug auf die Herangehensweise, behandelten die deutschen Medien mit dem schon beschriebenen Ansatz die gesetzlichen Regulierungsbemühungen zu Social-Media-Netzwerken in der Türkei. Laut deutschen Medien können Social-Media-Gesetze in Deutschland verabschiedet werden, weil „Deutschland ein demokratisches Land ist“, aber nicht in der Türkei, weil „die Türkei ein undemokratisches Land ist“.

In einem aktuellen Fall wurde einer palästinensischen Journalistin bei der Deutschen Welle, Maram Salem, gekündigt, weil sie sagte: „Es gibt keine Meinungsfreiheit in Europa“. Der palästinensischen Journalistin wurde zudem vorgeworfen, Antisemitin zu sein. In dem für die Kündigung maßgeblichen Social-Media-Post sei dahingestellt, ob der Inhalt als antisemitisch gewertet werden kann, auch wird dort Israel nicht einmal erwähnt. Dieses Vorgehen der DW gegenüber den eigenen Mitarbeitern untermauert eigentlich die Kritik der palästinensischen Journalistin und zeigt, wie weit verbreitet Diskriminierung in Europa ist.

Abschließend sei bei der Betrachtung des Themas deutsch-russischer Medienkrieg daran erinnert, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit in den zwischenstaatlichen Beziehungen und auch im Medienbereich unabdingbar ist. So gibt die deutsche Sicht über das Fehlen eines demokratischen politischen Systems in Russland Deutschland selbst nicht das Recht, die Medien des russischen Staates zu schließen. Wird auf eine solche Praxis zurückgegriffen, wie im Fall von RT-DW, hat auch das Land auf der anderen Seite das Recht, darauf zu reagieren. Und Russland hat dies getan. Der Versuch, bei der Behandlung des Themas die Frage auf die Ebene demokratischer und antidemokratischer Einstellungen zu heben, ist zwar geschickt, aber in sich wirkungslos. In diesem Sinne ist das aktuelle Bild ein eindeutiger und konkreter Hinweis auf den laufenden deutsch-russischen Propagandakrieg.

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