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Der harte Lockdown betrifft nicht nur die innenpolitische Dynamik und Wirtschaft in Deutschland, sondern auch die wirtschaftliche und politische Stabilität der EU-Mitgliedstaaten und die Rolle der EU als internationaler Akteur auf globaler Ebene.

Angela Merkel hat in ihrer Rede im Bundestag den nächsten harten Lockdown für ganz Deutschland angekündigt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern war der wirtschaftliche Einbruch in Deutschland nicht so signifikant. Höchste Priorität hat bei diesem Lockdown die Erhaltung der stabilen Wirtschaftslage. Damit möchte Deutschland seine Führungsposition in der EU weiter beibehalten, denn falls auch die deutsche Wirtschaft stark einbrechen sollte, wäre man nicht in der Lage, anderen EU-Staaten zu helfen. Dies könnte wiederum zu einem Chaos in der Europäischen Union führen. Die Krise ähnelt sehr stark der Eurokrise im Jahre 2010, in deren Verlauf allen voran Deutschland ein Rettungspaket für die kriselnde Wirtschaft der EU-Staaten schnürte. Damals wie heute ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten nicht nur für die EU, sondern auch für Deutschland von großer Bedeutung.

Wirtschaftliche Erholung nach hartem Lockdown?

Mit ihrer Rede im Bundestag hat Angela Merkel vor Wochen die Richtung vorgegeben, wie Deutschland in den kommenden Wochen und Monaten vorgehen sollte, um die Verbreitung des Corona-Virus unter Kontrolle zu bekommen. Aufgrund der ansteigenden Infektionszahlen in den letzten Wochen wurde ein harter Lockdown nahezu unumgänglich. Laut Robert Koch-Institut wurden in den letzten sieben Tagen 135.944 Fälle verzeichnet. Seit Ausbruch des Virus sind 21.466 Menschen an der Krankheit verstorben (Stand: 12.12.2020). Am Freitag, dem 11. Dezember, wurde mit 598 Todesfällen binnen 24 Stunden ein trauriger Hochpunkt erreicht.

Die Bundeskanzlerin gab bekannt, dass ab Mittwoch bis zum 10. Januar bundesweit ein harter Lockdown stattfinden wird. Somit wird der traditionelle Weihnachtsmarkt, der in der deutschen Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, dieses Jahr nicht stattfinden. Merkel hatte zuvor in ihrer Rede die Bedeutung der Feierlichkeiten zu Weihnachten unterstrichen, jedoch sei man aufgrund der Pandemie dazu gezwungen, die Weihnachtsmärkte in diesem Jahr zu verbieten. Die Kanzlerin hatte dabei darauf verwiesen, dass es unverantwortlich wäre, die Feierlichkeiten stattfinden zu lassen, da damit vor allem Risikogruppen unnötig in Gefahr gebracht werden würden.

Dieser Lockdown betrifft jedoch im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr verstärkt den Einzelhandel, die Gastronomie und den Freizeitbereich wie Kinos und Schwimmbäder. Demgegenüber wird die Industrie vergleichsweise milde vom Lockdown betroffen werden. Vor allem die Autobranche profitiert von dieser Vorgehensweise: Im November erreichte die Anzahl der produzierten Autos seit Ausbruch der Krise ihren Höchstwert. Laut Bundeswirtschaftsministerium stieg die Produktion in der Industrie im Oktober im Vergleich zum Vormonat um 3,2 Prozent. Jedoch geht Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier davon aus, dass das BIP in Deutschland im Jahre 2020 um 5,5 Prozent schrumpfen wird. Laut Experten wird eine Normalisierung der Volkswirtschaft Ende 2021 bzw. Mitte 2022 erwartet.

Söders steigende Popularität – Wunsch nach harter Führungsperson

Zuvor wurde schon von mehreren Politikern ein harter Lockdown gefordert. Der Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, gilt als größter Verfechter eines harten Lockdowns. Söder verkündete nach Merkels Rede weitere Maßnahmen für den Freistaat Bayern, worunter beispielsweise eine nächtliche Ausgangssperre für ganz Bayern umgesetzt werden soll. Der bundesweite harte Lockdown ab 16. Dezember sollte als Bestätigung für die konsequente Vorgehensweise des bayerischen Ministerpräsidenten bewertet werden.

Seit Ausbruch der Corona-Krise stieg die Popularität von Markus Söder stetig an, da er durch seine harte Vorgehensweise gleichzeitig auch viel Vertrauen in den Reihen der bayerischen Bevölkerung gewinnen konnte. Dieses größtenteils erfolgreiche Krisenmanagement wirkte sich auch positiv auf die Umfragewerte bei der Kanzlerfrage aus. Laut einer Umfrage desZDF „Politbarometer“ liegt der CSU-Politiker Söder mit 58 Prozent und damit mit großem Abstand zu allen anderen potentiellen Union-Politikern vorne. Trotz dieser hohen Umfragewerte hatte Söder immer klargemacht, dass er nicht an eine Kanzlerkandidatur interessiert sei und in Bayern bleiben möchte. Die Annäherungen zwischen Söder und Grünen-Chef Robert Habeck weisen jedoch darauf hin, dass beide eine schwarz-grüne Koalitionsregierung für 2021 planen. Auch wenn sich statt Söder ein anderer Unionspolitiker um den Kanzlerposten bewerben sollte, steht eine schwarz-grüne Koalitionsregierung im Jahre 2021 so gut wie fest.

Die steigenden Umfragewerte bei Markus Söder zeigen zudem, dass die Bevölkerung in Deutschland sich eine Führungspersönlichkeit wünscht, die in Momenten wie der Corona-Krise hart durchgreift. Die Corona-Krise könnte sich als Wendepunkt in der deutschen Krisenpolitik erweisen. In Zukunft könnten liberale Denkmuster und Entscheidungen in der Politik in Krisenzeiten in den Hintergrund treten. Der Staat würde mehr präventiv handeln und in das Alltagsleben der Menschen eingreifen, um somit zukünftigen Krisen vorzubeugen.

Deutschland und EU: Wirtschaftliche Stabilität besteht im gegenseitigen Interesse

Diese Entwicklung gilt jedoch nicht nur für Deutschland, sondern auch für ganz Europa. Die Corona-Krise hat vor allem Länder wie Frankreich, Belgien, Spanien und Italien sehr hart getroffen. Die EU-Mitgliedstaaten sind schwer gebeutelt und teilweise abhängig von den Entwicklungen in Deutschland. Die Corona-Krise ähnelt aus wirtschaftlicher Sicht sehr der Euro-Krise im Jahre 2010. Damals war es erneut Deutschland, das vor allem den EU-Mitgliedstaat Griechenland in Form eines Rettungspakets unterstützte.

In der Corona-Krise muss sich Deutschland seiner Führungsrolle bewusst werden, um die Stabilität innerhalb der EU zu bewahren. Damit Deutschland Unterstützung für andere EU-Staaten gewährleisten kann, muss es selbst wirtschaftliche Stabilität bewahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit der Ankündigung des harten Lockdowns schon die ersten Schritte dafür unternommen. Falls die Prognosen in Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung stimmen und Deutschland sich vom Lockdown erholen sollte, könnte sich auch die gesamte EU wieder erholen. Die wirtschaftliche Stabilität der einzelnen Länder liegt nicht nur im Interesse der Mitgliedstaaten selbst, sondern auch im Interesse Deutschlands. Denn eine starke EU bedeutet auch ein starkes Deutschland.

Deutschland und die EU in der Post-Pandemie-Periode

Betrachtet man aus europäischer Sicht die Entwicklungen der Corona-Krise auf globaler Ebene, wird die Position Deutschlands umso deutlicher. Angela Merkel hatte selbst in ihrer Rede bekanntgegeben, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 8,2 Prozent höher als im Gegensatz zum Vorquartal sei. Damit sei man mit Ländern wie den USA auf dem Wege zur wirtschaftlichen Stabilität. Demgegenüber unterstrich Merkel die wirtschaftliche Entwicklung in China. Während die Wirtschaftsleistung der meisten Länder aufgrund der Corona-Krise gesunken ist, erwartet China ein Wirtschaftswachstum von mindestens 2 Prozent über das gesamte Jahr 2020.

Damit zeigt China wiederholt, dass es eine schwerwiegende Rolle in der zukünftigen internationalen Politik einnehmen wird. Nicht zuletzt zeigte das größte geschlossene Freihandelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) die Ansprüche Chinas auf, nicht nur auf dem asiatischen Kontinent, sondern global Einfluss auszuüben. Da Deutschland als einer der größten Handelsstaaten gilt, ist es umso wichtiger, die wirtschaftliche Stabilität in der EU zu bewahren, um mit China auf dem globalen Markt mithalten zu können. Falls Deutschland und die EU die Corona-Krise nicht erfolgreich bewältigen sollten, besteht die Gefahr, dass die EU als Ganzes in der Post-Pandemie-Periode zunehmend an Einfluss verliert.

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