22.08.2021, Afghanistan, Kabul: Ein Taliban-Kämpfer steht an einem Kontrollpunkt im Viertel Wazir Akbar Khan in afghanischen Hauptstadt Kabul. (dpa)
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Nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan 2001 kamen in Bonn die großen Weltmächte und die wichtigsten Akteure zusammen und legten den Grundstein für ein neues Regime und eine neue Regierung. 20 Jahre später, insbesondere nachdem der von den USA initiierte Friedensprozess keine greifbaren Ergebnisse hervorbrachte, wandten sich die US-amerikanische und die afghanische Regierung an die Türkei, um eine Konferenz in Istanbul einzuberufen, mit dem Ziel, Möglichkeiten für eine friedliche Lösung für Afghanistan auszuloten. Vor dem Hintergrund der Entscheidung, das Land bis zum September 2021 zu verlassen, versuchte Washington, den Prozess für einen Gipfel in der Türkei mit geladenen Gästen aus mehr als 20 Ländern und den Vertretern internationaler Organisationen zu beschleunigen. Die ursprünglich vom 24. April bis 4. Mai 2021 geplante Konferenz wurde als historische Chance gesehen, dem langjährigen Krieg alsbald ein Ende zu setzen. Somit waren die Erwartungen an die Konferenz hoch, da die beteiligten Parteien die Ausarbeitung eines Plans für die Bildung einer kurzfristigen Übergangsregierung in Verbindung mit einem nationalen Waffenstillstand vorsahen, um in dieser Zeit alle relevanten Themen zu diskutieren und letztlich ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Aus diesem Grund sprachen Analysten und Kommentatoren bereits vom einem „Bonn 2.0“.

Türkei war vielversprechendste Option

Mit Blick auf Alternativen wie Katar, Iran, Pakistan, China und Russland, allesamt schon Veranstalter innerafghanischer Konsultationen und stark an der Thematik interessiert, hätte die Türkei beste Aussichten als Vermittler gehabt. Während ihrer zwanzigjährigen Präsenz in Afghanistan war die Türkei das Land, das mit den geringsten Herausforderungen konfrontiert wurde, und ihr guter Wille wurde nicht nur von der Regierung, sondern auch von den Taliban und der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Noch dazu gilt das Land als erfolgreiches Modell für einen moderaten und demokratischen Staat in der muslimischen Welt. Der Türkei wurde darüber hinaus zugetraut, die Regierung in Pakistan dahingehend zu beeinflussen, den Druck auf die Taliban zu erhöhen, damit diese im Friedensprozess eine konstruktive Haltung einnehmen. Die breite öffentliche Unterstützung für das Angebot an die türkische Seite, die Sicherheits- und Managementverantwortung des internationalen Flughafens Kabul zu übernehmen, stärkte das Vertrauen in die Türkei weiter.

Die Gunst der Konstellation

Obwohl Katar keine Grenze zu Afghanistan hat, ist das Land in Hinsicht der Zugänge zu den Taliban einer der profiliertesten Staaten. So vermittelten die Verantwortlichen von Katar den Gefangenenaustausch zwischen den USA und den Taliban und überzeugten erstere bereits 2013 davon, für letztere ein politisches Büro auf ihrem Territorium zu eröffnen. Diese Bemühungen waren in gewisser Weise fruchtbar, da sie zunächst einen offiziellen Kommunikationskanal zwischen den USA und den Taliban und später zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung eröffneten. Die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban führten am 29. Februar 2020 zu einer Einigung, die im Interesse beider Seiten war, da die Amerikaner eine rechtliche Grundlage für den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan benötigten und die Taliban im Kampf gegen das mächtigste Land der Welt als vermeintliche Sieger dastanden. Die afghanische Regierung und die Taliban leiteten dann ab September 2020 die zweite Phase des afghanischen Friedensprozesses mit der Aufnahme von Friedensgesprächen ein. Allerdings brachten die Verhandlungen kaum Ergebnisse hervor, und hinzu kamen etliche weitere Hindernisse, wobei die Taliban in Afghanistan selbst militärisch schneller vorankamen als erwartet, sodass sie am 15. August 2021 Kabul eroberten.

Moskau und Teheran organisierten mehrere Runden innerafghanischer Konsultationen, und Peking und Islamabad boten an, ähnliche Veranstaltungen auszurichten, aber all diese Bemühungen erwiesen sich letztlich als nutzlos und gingen ohne oder nur mit spärlichen Ergebnissen zu Ende. Nun war es an der Türkei, die bestehende Pattsituation zu überwinden, indem sie ihre Reputation und Überparteilichkeit einbrachte. Denn trotz der Gebietsgewinne der Taliban waren und sind alle Seiten davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung für den Afghanistankrieg geben wird.

Mögliche Ursachen für das Scheitern

Anfangs wurde die geplante Konferenz aufgrund der kurzfristigen Absage der Taliban um einen Monat verschoben, letztlich kam sie jedoch nie zustande, da die Gruppe immer wieder neue Ausreden vorbrachte. Das Scheitern der Konferenz war in der Tat das Scheitern des Friedensprozesses und damit ein Scheitern aller Beteiligten, einschließlich der Taliban, der afghanischen Regierung und der USA. Die Auswirkungen dieses Scheiterns auf die anderen Beteiligten liegen auf der Hand, aber die Auswirkungen auf die Taliban müssen näher erörtert werden. Wäre die Konferenz zustande gekommen und von Erfolg beschieden gewesen, hätte es bereits vor Monaten zur Einstellung der Kampfhandlungen kommen können und der Boden wäre bereitet gewesen, die Präsenz der Türkei für die Sicherheit Kabuls zu rechtfertigen. Das erste Ergebnis hätte die Taliban als friedensorientiert präsentiert, und letzteres hätte ihre bisher vergeblichen Bemühungen, Verbindungen zur internationalen Gemeinschaft zu knüpfen, bestärkt.

Das Wissen der Taliban darum, eine Konferenz nicht ohne Kompromisse verlassen zu können und sich mit der Regierung einigen zu müssen, führte dazu, dass sie eine solche Veranstaltung am Ende ablehnten. Die Türkei hätte das notwendige diplomatische Geschick und den Einfluss auf die Hauptakteure, etwa die afghanische Regierung, Pakistan und die Taliban gehabt.

Als weiterer Grund für das Scheitern kann die Einstellung Pakistans zur Thematik gesehen werden. Obwohl nicht ganz klar ist weshalb, gebietet es die Fairness festzuhalten, dass Pakistan nicht genug unternahm, um die Teilnahme der Taliban an der Konferenz sicherzustellen. Vielmehr behaupteten die Verantwortlichen, sie hätten nicht so viel Kontrolle über die Taliban wie gemeinhin angenommen, hätten aber dennoch alles getan, um diese Gruppe zu ermutigen, sich in Istanbul an den Verhandlungstisch zu begeben. Die sich überstürzenden Entwicklungen vor Ort könnten die Taliban letztlich dazu veranlasst haben, den von Pakistan ausgeübten Druck zu ignorieren.

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