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Viele Türken verbinden mit dem Begriff der „Alman vakfı“ dubiose Machenschaften und Verschwörungen. Aber was genau macht eigentlich eine deutsche Stiftung wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in der Türkei und wem nützt ihre Arbeit?

Das Prinzip der Stiftung ist den Türken seit jeher aus der islamischen Tradition bekannt. Mit der „vakıf“ stellten wohlhabende Bürger ihren Besitz nach ihrem Ableben in den Dienst vom Koran definierter gemeinnütziger Zwecke. Die „vakıf“ ist somit eine Form bürgerschaftlichen Engagements. Sie dient der Förderung besonderer Werte im Sinne des Stifters. Denn der Staat kann nicht alles und eine Gesellschaft lebt vom Einsatz der Menschen für einander und ihre Ideale.

Ähnlich ist es auch mit einer politischen Stiftung aus Deutschland wie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Konrad Adenauer war der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Eine große Straße in Ankara ist nach ihm benannt. Wie kaum ein anderer steht er für den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands und die europäische Einigung. Seine Überzeugung war es, verschiedene politische Strömungen in einer Volkspartei, der Christlich-Demokratischen Union (CDU), zusammenzubringen und sich gemeinsam für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen.

Seit 1964 trägt die KAS daher seinen Namen, denn genau diesen Werten hat sie sich verpflichtet. Dieses Engagement verfolgt die KAS sowohl deutschlandweit als auch international. Die Arbeit der KAS Türkei umfasst eine Vielzahl von Aktivitäten von der politischen Bildung für Bürger und Stipendien für begabte Studierende – deutsche wie türkische – über die Förderung eines internationalen Dialogs zwischen der CDU und türkischen Parteien der politischen Mitte bis zu großen Veranstaltungen zu wichtigen Themen für Europa, Deutschland und die Türkei wie Sicherheit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Migration. Die KAS ist damit ein Bestandteil deutsch-türkischer Beziehungen und der Vernetzung beider Gesellschaften jenseits der Diplomatie.

Als Stiftung dient sie vor allem ihren Werten und dem Gemeinwohl. Ihr Interesse ist die Stärkung der Prinzipien, die ihre Gründer als wichtig erachteten: freiheitliche Demokratie, eine soziale Marktwirtschaft, gesellschaftlicher Zusammenhalt. Es ist die grundlegende Überzeugung der KAS, dass diese Werte für alle Gesellschaften in der Welt von Bedeutung sind und daher ist sie mit ihren Büros und Projekten in über 120 Ländern weltweit engagiert – so auch seit über 30 Jahren in der Türkei.

Demokratie ist mehr als eine Staatsform

Deutschland hat durch den Zerfall der Weimarer Republik und den Aufstieg der nationalsozialistischen Diktatur am eigenen Leibe erfahren, dass freiheitliche Demokratie mehr bedarf als einer Verfassung: es bedarf Bürgerinnen und Bürgern, die diese Staats- und Gesellschaftsform auch aktiv leben, indem sie ihre Grundsätze kennen und pflegen. Außerdem hat die Geschichte Deutschland gelehrt, dass internationale Verständigung und geteilte wirtschaftliche Wohlfahrt elementar für ein gutes Auskommen in der Welt sind.

Aus diesem Grund arbeitet die KAS in der Türkei an der Stärkung der Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit sowie der türkischen Wirtschaft und der deutsch-türkischen Beziehungen. Das tut sie durch Programme für Politiker, Experten, Journalisten, Juristen und Studierende, durch Konferenzen über internationalen Handel, technologische Innovation und die Weiterbildung türkischer Unternehmen sowie durch einen vertieften Austausch zwischen deutschen und türkischen Partnern auf allen Ebenen. Die Arbeit der KAS nützt folglich ihren Werten; sie nützt der Verständigung zwischen Deutschland und der Türkei und deren gemeinsamem Interesse an Stabilität, Freiheit und Solidarität.

Seitdem Turgut Özal 1983 die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Türkei initiierte, ist auf diesem Feld viel geschehen. Auch wenn die europäisch-türkischen Beziehungen heute unter manchen Spannungen leiden, sind Deutschland und die Türkei insgesamt enger aneinandergerückt. Deutschland ist heute der größte Handelspartner der Türkei und viele Investitionen in der Türkei kommen aus Deutschland. Die KAS trägt dazu bei, dass diese Beziehung auch in Zukunft fortbesteht.

Die Türkei ist und bleibt ein besonderer Partner Deutschlands

Die Leistungsfähigkeit der türkischen Wirtschaft ist in der jüngsten Vergangenheit zurückgegangen, doch die neusten Zahlen lassen Hoffnung im Kampf gegen die Inflation verheißen. Wirtschaftliches und Politisches hängen dabei oft zusammen: der Puls einer freien und offenen Gesellschaft bestimmt die Innovationskraft einer freien Marktwirtschaft. Gleichzeitig kann eine offene Gesellschaft auch zu Belastungen führen: durch die Aufnahme der größten Anzahl an Flüchtlingen weltweit steht die türkische Wirtschaft unter einem hohen Druck. Nur durch die Förderung eines jeden einzelnen in seiner freien Entfaltung und seiner sozialen und ökonomischen Teilhabe durch Bildung und Ausbildung kann die Prosperität eines Landes gewährleistet werden. Die KAS unterstützt die Türkei daher aktiv darin, die Flüchtlingskrise im Einklang mit ihren Werten zu bewältigen und ihre eigene Bevölkerung dabei nicht aus dem Auge zu verlieren.

Die Türkei ist und bleibt ein besonderer Partner Deutschlands und Europas. Gerade in der Flüchtlingskrise hat die Türkei enorm viel geleistet. Gleichzeitig hat Migration unsere Gesellschaften seit einigen Jahrzehnten ganz besonders nah aneinander geführt. Das führt auch zu einem stärkeren Austausch von Kultur, Sichtweisen und Überzeugungen. Für die KAS ist dieser Austausch von großer Bedeutung genauso wie der Rahmen einer freiheitlichen Demokratie und pluralistischen Gesellschaft mit globalen Verbindungen, in welcher dieser stattfindet. Denn „wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nichts“, sagte schon Konrad Adenauer. In diesem Sinne der demokratischen und internationalen Verständigung arbeitet die KAS – in Deutschland, in der Türkei und der Welt.

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