20.06.2021, Frankreich, Le Touquet-Paris-Plage: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, verlässt eine Wahlkabine während der ersten Runde der Regionalwahlen. (dpa)
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Die in zwei Runden vollzogenen Regionalwahlen in Frankreich lieferten wichtige Anhaltspunkte über die politische Atmosphäre des Landes und über die im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen. Die Wahlbeteiligung blieb auf einem Rekordtief, und das Wahlergebnis war für Macron und Le Pen eine regelrechte Enttäuschung. Während Macron und Le Pen, die als wichtigste Kandidaten für die im April des nächsten Jahres anstehenden Präsidentschaftswahlen gelten, bei den Regionalwahlen keine Siege verbuchen konnten, steigen nunmehr neue politische Akteure wie Xavier Bertrand ins Rennen bei den Präsidentschaftswahlen ein.

Sicherlich sticht die geringe Wahlbeteiligung als auffälligster Aspekt hervor. Mit 32 Prozent im ersten Wahlgang und 34 Prozent im zweiten Wahlgang verharrte die Wahlbeteiligung auf einem Rekordtief. Während die Wahlbeteiligung 2015 noch bei rund 50 Prozent gelegen hatte, sorgte die geringe Teilnahme jüngst für viel Diskussionsstoff.

Die geringe Wahlbeteiligung ist vor allem bei jungen Menschen am stärksten zu verzeichnen. In Anbetracht der Tatsache, dass 90 Prozent der jungen Bevölkerung zwischen 18 und 24 Jahren nicht an die Urnen gingen, wird klar, dass der Urnengang der jungen Bevölkerung bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr entscheidend sein wird. Die Partei, der es gelingt, die junge Bevölkerung zu mobilisieren und an die Urne zu bringen, wird bei den Präsidentschaftswahlen Oberwasser gewinnen.

Zudem zeigt diese geringe Wahlbeteiligung, dass in Frankreich angesichts zahlloser sozialer Unruhen wie beispielsweise die Gelbwestenbewegung, Glaube und Erwartungen der Bevölkerung an die Politik und die Politiker von Tag zu Tag sinken. Während diese geringe Wahlbeteiligung auf der einen Seite das Problem der Repräsentativität hervorbringt, zeigt sie auf der anderen Seite, dass sich die Menschen in Frankreich von der Politik und den Politikern entfremdet haben und ihren Frust nicht mit ihrem Votum ausdrücken, sondern im Gegenteil einfach nicht wählen gehen.

Emmanuel Macron, der sich bei den Präsidentschaftswahlen 2017 gegen die rechtsextreme Le Pen durchsetzen konnte, zog es vor auf, auf die Wählerschaft aus dem rechten Milieu verstärkt zuzugehen, da er davon ausging, dass es bei den Wahlen 2022 wieder zum gleichen Duell kommen würde. Die Regionalwahlen haben eben auch gezeigt, dass diese Strategie Macrons vollständig gescheitert ist. Seine offensichtlichen Avancen gegenüber rechter Politik, die scharfe Rhetorik gegen Muslime und die Polemik gegen die Türkei halfen ihm nicht im Entferntesten, Le Pen Stimmen abzujagen; im Gegenteil, seine Partei verlor viele Stimmen und legitimierte gleichzeitig den Politikstil von Le Pen.

Allianz gegen Rechtsextreme

Aus den Regionalwahlen gingen als stärkste Kraft die Mitte-Rechts positionierten Republikaner hervor, die 7 von 13 Regionen für sich gewinnen konnten. Vor allem in der Provence-Alpes-Côte d'Azur, wo Le Pen stärkste Kraft war, brachte die Entscheidung der linken Wählerschaft, den Mitte-Rechts-Kandidaten zu unterstützen, einerseits die Rechtsextremen in Frankreich bei den Regionalwahlen zum Scheitern und stieß andererseits die Tür zu einer Debatte auf, ob ähnliche Allianzen bei den kommenden Präsidentschaftswahlen geschlossen werden können. Auch wenn der erwartete Erfolg Le Pens zunächst ausblieb, zeigt die Bildung von Allianzen in verschiedenen Regionen und der Rückzug einiger Kandidaten, um die Wahl Le Pens zu verhindern, dass sie auch bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen eine entscheidende Rolle einnehmen wird.

Klar ist auch, dass der ausgebliebene Erfolg der Rechtsextremen bei den Regionalwahlen, der ein Vorbote für eine Regierung auf Landesebene gewesen wäre, den Aufstieg der Rechtsextremen in Frankreich beeinträchtigen wird. Momentan scheint es, dass die von Le Pen als „unnatürlich“ verunglimpfte Allianz den regionalen Erfolg der Rechtsextremen und damit deren direkten Kontakt zur Bevölkerung mit konkreten Projekten, die den Menschen zugute kommen und sie damit stärker ins politische Rampenlicht rücken, verhindern konnte.

Selbstverständlich sollte aber das Ausbleiben des erwarteten Erfolgs der von Le Pen geführten Bewegung nicht den Gedanken aufkommen lassen, dass es bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen ähnlich laufen könnte. Tatsache ist, dass die Rechtsextremen bei Nationalwahlen ihre Anhänger viel besser mobilisieren können und sich dadurch die Unterstützung vor allem in den Reihen junger Menschen sichern. Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass politische Allianzen, die bei Kommunalwahlen womöglich leichter zu schließen sind, nicht unbedingt ähnlich problemlos auch bei den Präsidentschaftswahlen geschmiedet werden können.

Der neue starke Akteur: Bertrand

So wie es bei jeder Wahl Verlierer und Enttäuschte gibt, so gibt es auch Gewinner. Entgegen den Erwartungen konnten sich weder Macron noch Le Pen, sondern der Mitte-Rechts-Kandidat der republikanischen Partei Xavier Bertrand behaupten. Bertrand, der auch als Architekt der Allianz gegen die Rechtsextremen bezeichnet wird, kündigte bereits an, er werde bei den Wahlen 2022 gegen Macron antreten. Nach seinem Erfolg bei den Regionalwahlen wird bereits darüber spekuliert, er könne als neue Kraft aus den Präsidentschaftswahlen hervorgehen und einen starken Widerstand gegen Macron zeigen, der immer mehr an Zuspruch verliert.

Der Wahlerfolg Bertrands verschafft ihm verständlicherweise für die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei eine starke Position, die voraussichtlich im Herbst des nächsten Jahres stattfinden wird. Vor allem die Tatsache, dass Macron und Le Pen mit einem so schwachen Ergebnis aus den Regionalwahlen hervorgingen, wird der republikanischen Partei und Bertrand den nötigen Schwung für die Präsidentschaftswahlen geben. Daneben ist anzumerken, dass die Stimmen der republikanischen Partei ausschlaggebend sein werden, vor allem wenn die Wahlen wie 2017 in einen zweiten Wahlgang zwischen Macron und Le Pen gehen sollten.

Alles in allem erlebte Frankreich eine Wahl im Schatten einer geringen Wahlbeteiligung, bei der Macrons Politik des Zuwendens zur rechten Politik fehlschlug, die rechtsextreme Bewegung um Le Pen durch vorübergehende Allianzen eingezäumt wurde und neue Akteure durch ihren persönlichen Einsatz auf den Plan traten. Die geringe Wahlbeteiligung machte auch Erwartungen dahingehend zunichte, dass die Regionalwahlen ein Probelauf der in zehn Monaten anstehenden Präsidentschaftswahlen wären. Mit dem Rekordtief bei der Wahlbeteiligung wird es daher auch schwierig, eine Prognose für die kommenden Präsidentschaftswahlen auf der Basis des Wahlergebnisses der Parteien abzu

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