Karl Eduard Hammerschmidt. Source: www.kizilay.org.tr (kizilay.org.tr)
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Leidenschaft zur Wissenschaft

Der österreichische Naturwissenschaftler und Arzt Dr. Karl Eduard Hammerschmidt wurde am 12. Juni 1801 in Wien geboren. Er studierte von 1820 bis 1826 Rechtswissenschaften, wurde Doktor der Medizin und beschäftigte sich nebenbei mit Naturwissenschaften. Sein besonderes Interesse galt der Entomologie, der geographischen Verbreitung von Säugetieren, den essbaren und schädlichen Pilzen in Österreich, der Mineralogie und den Fossilienfunden, der korrekten Behandlung von Versuchstieren und der graphischen Darstellung von mikroskopischen Gegenständen. Seit 1835 war er auch Herausgeber der „Landwirtschaftlichen Zeitung“. Seine naturwissenschaftlichen Leistungen fanden Anerkennung, indem er 1833 in die Kaiserlich-Leopoldinische-Akademie der Naturforscher in Bonn aufgenommen wurde. Des Weiteren war er seit 1846 Mitglied der königlichen entomologischen Gesellschaft in London sowie Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.

In Bezug auf die Beschäftigung mit Narkose war Hammerschmidt ein Pionier in Europa. Zwischen 1847 und 1848 publizierte er Berichte über die Narkotisierung mit Äther, wobei er Versuche an Tieren, an sich selbst und anderen Personen durchführte. Seine Forschungseinsichten reichten vom Vorhandensein des Hörvermögens während der Narkotisierung bin hin zu den Vorteilen der Äthernarkose gegenüber der Narkose mittels Chloroforms (weniger Nebenwirkungen und Gefahren). Die erhöhte Sterblichkeitsrate bei Chloroform als Narkosemittel wurde erst 1892 von E. J. Gurl bestätigt. Hammerschmidt ist außerdem ein wichtiger Wegweiser: Er erarbeitete in seinen Versuchen die Einteilung von Narkosestadien sowie ein statistisch verwertbares Narkoseprotokoll für Patienten, die in der heutigen Medizin Standard sind.

Hammerschmidt – Abdullah Bey – im Osmanischen Reich

In der Zeit des Metternichschen Vormärz, die durch Zensur charakterisiert war, geriet der kritische Hammerschmidt als Zeitungsherausgeber ständig in Konflikt. Schließlich wurde er in der österreichischen Revolution vom März 1848 zum heftigsten Gegner der Regierung erklärt. Er wurde als einer der führenden Revolutionäre 1849 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Diesem Urteil hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Todesurteil angeschlossen, wäre er nicht nach Ungarn geflohen. Dort kämpfte er unter General Jozef Bem in der ungarischen Armee gegen Österreich. Seine Einheit wurde im Laufe der Gefechte in Siebenbürgen in das Osmanische Reich abgedrängt, wo die Kämpfer Asyl bekamen.

In Istanbul angekommen, wurde Hammerschmidt Spitalsarzt im Gülhane Krankenhaus, wo er auch eine Lehrtätigkeit erhielt. Nach Ende der Revolutionen verlangte Österreich die Auslieferung von Hammerschmidt, was jedoch vom Osmanischen Reich abgelehnt wurde. Das Osmanische Reich garantierte jedoch, dass Asylanten aus der Habsburgermonarchie unter Beobachtung gestellt würden und sich nicht nahe der Monarchie aufhalten durften.

Dennoch führten die Proteste Österreichs dazu, dass Hammerschmidt seine Tätigkeit in Istanbul 1850 aufgeben musste, nach Damaskus ging und dort als Spitalsarzt arbeitete. Während seines Aufenthaltes in Syrien nahm er den Islam und den Namen „Abdullah“ an und wurde fortan „Abdullah Bey“ (Herr Abdullah) genannt. Die Konversion zum Islam war für ehemalige Revolutionäre eine Gelegenheit, in der osmanischen Hierarchie aufzusteigen. Hammerschmidt diente von 1853–1856 als Miralay (Oberst) in der osmanischen Armee und wurde offiziell Dr. Macarli Miralay Abdullah Bey – Dr. Ungarischer Oberst Herr Abdullah – genannt.

Gründung des Roten Halbmondes und weitere Beiträge

Aufgrund der großen Opferzahl während der Krimkriege beschloss das Osmanische Reich, ein Pendant zum Roten Kreuz zu gründen. Hierbei sollte eine Symbolik gewählt werden, die Muslimen vertraut war. Abdullah Bey wurde zum Vertreter des Osmanischen Reiches beim Komitee des Internationalen Roten Kreuzes in Genf ernannt und hatte die Aufgabe, eine entsprechende Organisation zu gründen. Gemeinsam mit Dr. Aziz Bey und Dr. Marko Pasa gründete er als Schlüsselfigur im Dreierkomitee am 14. Juni 1869 den Roten Halbmond in Istanbul.

Bei der Pariser Weltausstellung von 1867 wurde Hammerschmidt für seine entomologische Sammlung mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Infolgedessen erhöhte sich sein Bekanntheitsgrad, sodass der ehemals verfolgte Revolutionär von Österreich mit der goldenen Medaille für Wissenschaft und dem Komturkreuz des Franz Joseph Ordens ausgezeichnet wurde. Anlässlich der Weltausstellung in Wien reiste Abdullah Hammerschmidt 1873 als osmanischer Kommissar erstmals seit Jahren wieder in seine Heimatstadt. Im selben Jahr wurde er Professor für Geologie, Mineralogie und Zoologie an der Medizinischen Fakultät in Istanbul. Seine Beiträge im Osmanischen Reich erstrecken sich auf die Gründung eines Naturhistorischen Museums an der Fakultät für Istanbul, das Verfassen von zoologischen und geologischen Lehrbüchern auf Türkisch sowie die Erforschung von Fauna und Geologie des Bosporusgebietes.

Das bildungsreiche Leben dieser faszinierenden Persönlichkeit, die in mehreren naturwissenschaftlichen Disziplinen außerordentliche Beiträge leistete, endete am 30. August 1874. Abdullah Bey starb nach der Rückkehr von geologischen Untersuchungen in Kleinasien. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof der Defterdar Moschee im Bezirk Eyüp, jedoch ist sein Grab leider heute nicht mehr zu erkennen. Diese Moschee, die als Kuppelkrönung nicht den üblichen Halbmond, sondern ein Tintenfass und eine Feder hat, ist eine passende Ruhestätte für jemanden, der sein Leben unermüdlich der Wissenschaft gewidmet hatte.

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