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Die neue „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ in Österreich sorgt für rege Diskussionen - auch in Deutschland. Die Bezeichnung polarisiert, ist unendlich dehnbar und kann für alles oder auch für gar nichts stehen.

Das österreichische Integrationsministerium hat eine neue Institution mit dem Namen „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ gegründet. Die umstrittene „Dokumentationsstelle“ soll der Erfassung von „Informationen über religiös motivierten politischen Extremismus“ dienen.

Kampfbegriff „Politischer Islam“

Die Einrichtung möchte, wie sie vorgibt, Fälle von religiösem Extremismus, vor allem innerhalb des sogennannten politischen Islams, sammeln, auswerten und dokumentieren. Indes wird moniert, dass bis heute keine klare Definition dieses Kampfbegriffs existiert und jeder etwas anderes darunter versteht. Wissenschaftliche Begleiter der „Dokumentationstelle“ verteidigen dagegen in zahlreichen Interviews die neu gegründete Beobachtungsstelle in der österreichischen Hauptstadt. Sie weisen beispielsweise darauf hin, dass für sie der „politische Islam“ im Gegensatz zum „Dschihadismus“ und „Salafismus“ lange vernachlässigt worden sei und fordern, den „politischen Islam“ stärker ins Blickfeld zu nehmen, da dieser viel subtiler auftrete: nämlich in „Krawatte und Anzug“.

Von wissenschaftlich-neutraler Seite gibt es jedoch Beanstandungen gegen diese pauschalisierende Haltung: Der Wiener Professor Richard Potz weist beispielsweise auf die Schwierigkeit der Definition „Politischer Islam“ hin. Der Ausdruck erinnere ihn an die Bezeichnung „politischer Katholizismus“ im 19. Jahrhundert, so der Religionsjurist in einem Gespräch mit dem Medienmagazin „Pro“.

IGGÖ wirft Integrationsministerium „politische Zielsetzung“ vor

Noch im Juli erklärte die IGGÖ in einer Pressemeldung, dass sowohl österreichische als auch internationale Fachexperten unterschiedlicher Disziplinen „im vergangenen Jahr bei der von der IGGÖ initiierten Fachtagung zum Thema ‚Politischer Islam – Versuch einer Definition‘ zu dem Schluss gekommen“ seien, „dass es keine anerkannte wissenschaftliche Definition des Begriffs gibt“. Die Konferenzteilnehmer hätten daher von einer Verwendung der Bezeichnung „nachdrücklich abgeraten“. Die IGGÖ warf den Initiatoren und der Integrationsministerin Susanne Raab von der konservativen ÖVP vor, eine politische Agenda zu verfolgen.

Ähnlich wie einige andere europäische Staaten verfolgt auch Österreich eine zunehmende Politik der Marginalisierung und Kriminalisierung muslimischer Religionsgemeinschaften und deren Vertretungen. Ob ein Generalverdacht gepaart mit einer Strategie des Misstrauens und der Denunziation dazu beitragen kann, die Mehrheit der organisierten Muslime zu integrieren - denn die IGGÖ repräsentiert einen Großteil der 278 Moscheegemeinden in Österreich - bleibt eine spannende Frage. Damit katapultiert sich die österreichische Regierung auf einen Holzweg.

Emotionale Politik gepaart mit Ausgrenzungstendenzen

Der rechtskonservative und islamkritische Stil der FPÖ besitzt in Österreich weiterhin Kontinuität. Aufgrund der mangelhaften Beratung der Wiener Politik verwundert das destruktive Ergebnis der Regierungsarbeit nicht sonderlich. Meinen denn die Verantwortlichen dieser falsch verordneten Integrationspolitik, die vielmehr eine Segregationspolitik darstellt, sie könnten mithilfe ihrer konfrontativen Strategien die muslimisch-österreichische Mehrheit erreichen? Oder möchte die schwarz-grüne bzw. türkis-grüne Regierung dem Großteil der Austro-Muslime die Teilhabe in der Gesellschaft verwehren und ihrer Loyalität zur österreichischen Heimat entgegenwirken? Das hätte weitreichende Folgen für alle Seiten - und somit für ganz Österreich. Die Regierung in Wien macht den fatalen Eindruck, ihren Emotionen zu erliegen. Rationale Politik funktioniert hingegen über Beteiligung - nicht über Ausgrenzung. Denn: Vielfältigkeit als Chance zu nutzen, zeichnet eine vernunftgesteuerte Führung aus. Ganz egal in welchem Land.

Seltsame Definition von Integration

Unter diesen Umständen scheint die neue Beobachtungsstelle in Wien im falschen Haus untergebracht zu sein. Ist das Integrationsministerium der geeignete Standort für so eine Art „Dokumentationsstelle“? Oder lässt sich das neu geschaffene Institut eher dem österreichischen Verfassungsschutz untergliedern? Der Geist und die Idee hinter der „Dokumentationsstelle“ erwecken eher die Vermutung, dass sicherheitspolitische Intentionen eine Rolle spielen. Mit Integration hat das wenig zu tun. Natürlich kommt es auch darauf an, wie „Integration“ definiert und was darunter verstanden wird. Die Damen und Herren in Wien haben offensichtlich ein grundlegend anderes Verständnis davon als der Durchschnittsbürger.

Verpasste Gelegenheit

Somit steht die „Dokumentationsstelle“ als vertane Gelegenheit im Raum und ist ein Beispiel für eine politisierte und ideologisierte Institution. Dass bei der Gründung dieses Apparats unter anderem auch Vertreter des sogenannten politischen Islams wissenschaftlich mitgewirkt haben, sei nur am Rande erwähnt.

Möchte die österreichische Integrationsministerin eine zukunftsträchtige und nachhaltige Institution haben, ist sie gut beraten, auf die Mehrheit der organisierten Austro-Muslime zuzugehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber bitte nicht mit Drohungen und erhobenem Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe. Die Verschiedenheit des Gegenübers zu akzeptieren und Meinungsunterschiede zu respektieren, ist Teil eines zielführenden Dialogs. In diesem Zusammenhang sollte die asymmetrische Debattenkultur den Weg frei machen für eine konstruktive Zusammenarbeit und eine gesunde Streitkultur, die auf gegenseitigem Respekt aufgebaut ist. Es darf nicht vergessen werden: Alle sitzen im gleichen Boot!

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