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Seit dem Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei vergingen mehr als fünf Jahre. Die Türkei bewegt sich gemäß Abkommen, doch die EU hält ihre Versprechen nicht ein.

Am 18. März 2016 unterzeichneten die Türkei und die Europäische Union ein Flüchtlingsabkommen, mit dem Zweck, den Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Europa zu begrenzen. Bei dem Abkommen einigten sich beide Seiten auf folgende Inhalte:

1. Flüchtlinge, die nach dem 20. März 2016 auf den griechischen Inseln ankommen und die kein Asyl beantragen oder deren Antrag als unbegründet abgelehnt wird, werden auf Kosten der Europäischen Union in die Türkei zurückgebracht. Bei der Abschiebung sollen die Bestimmungen des Völkerrechts und des EU-Rechts uneingeschränkt eingehalten werden.

2. Es wird eine 1:1 Regelung durchgeführt: Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht wird, wird ein syrischer Flüchtling aus der Türkei in die EU umgesiedelt.

3. Die Türkei wird alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um neue See- oder Landwege für die illegale Migration aus der Türkei in die EU zu verhindern.

4. Eine Aufhebung der Visumpflicht für türkische Bürger wird bis Ende Juni 2016 angestrebt.

5. Die Europäische Union und die Türkei haben vereinbart, dass 3 Milliarden Euro an die Türkei ausgezahlt werden, um Projekte für syrische Flüchtlinge in den Bereichen Gesundheit, Bildung, İnfrastruktur, Lebensmittelversorgung und sonstiger Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Sobald diese ersten 3 Milliarden Euro ausgegeben worden sind, sollen bis Ende 2018 weitere 3 Milliarden Euro an die Türkei fließen.

6. Der Beitrittsprozess der Türkei zur Europäischen Union soll dadurch beschleunigt werden, dass neue Verhandlungskapitel eröffnet werden.

Zu Punkt 1, 2 und 3 lässt sich Folgendes sagen: Bevor das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Union unterzeichnet wurde, flohen 2015 mehr als 200.000 syrische Flüchtlinge über die Türkei nach Griechenland. Nach Unterzeichnung des Abkommens lässt sich erkennen, dass die Zahl der Flüchtenden nach Griechenland jährlich nicht mehr beträgt als 2000 bis 3000. Es zeigt sich in diesem Zusammenhang, dass die Türkei, wie im Abkommen versprochen, die Flüchtlingsroute über das östliche Mittelmeer abgeschottet und somit dazu beigetragen hat, dass immer weniger Flüchtlinge nach Griechenland gelangt sind. Diesbezüglich sollte man auch beachten, dass die Rückführungen von den griechischen Inseln zurück in die Türkei wegen der langsamen griechischen Asylbürokratie sehr schleppend durchgeführt wurden. In den letzten 4 bis 5 Jahren wurden nur etwa 2000 Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht, obwohl mehrere tausend Flüchtlinge auf den griechischen İnseln angelangt sind. Gleichzeitig hat die Europäische Union gemäß der vereinbarten 1:1 Regelung etwa 7000 asylberechtigte syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen.

Zusammenfassend lässt sich zu den ersten drei Punkten des Flüchtlingsabkommens Folgendes sagen: Die Türkei hat wie versprochen die illegale Migration nach Griechenland stark reduziert, sodass immer weniger syrische Flüchtlinge auf den griechischen İnseln landeten.

Beschäftigen wir uns nun mit dem 4. Punkt des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Union, so ist festzuhalten, dass die Türkei für eine Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsbürger 72 Kriterien zur Erteilung der Visafreiheit erfüllen muss. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat die Türkei davon 67 Kriterien erfüllt. Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist die Definition des Begriffs Terrorismus. Die Europäische Union erwartet von der Türkei, dass der Begriff des Terrorismus enger gefasst wird, jedoch sollte die europäische Seite nicht außer Acht lassen, dass es in der Türkei im Juli 2016 zu einem schwerwiegenden Putschversuch kam. Dieser Zustand sollte von der Europäischen Union berücksichtigt werden. Die Türkei erwartet diesbezüglich von der Europäischen Union etwas mehr Verständnis.

Analysiert man Punkt 5 des Flüchtlingsabkommens, so sollte berücksichtigt werden, dass die Europäische Union der Türkei bis Ende 2018 3 plus 3 Milliarden Euro zugesagt hatte. Die Türkei kritisiert in diesem Zusammenhang die Europäische Union, dass das Geld noch immer nicht an die Türkei ausgezahlt wurde. Tatsache ist, dass 100 % des Geldes budgetiert sind, 78 % an die Empfänger vergeben wurden, jedoch nur 53 % ausgezahlt wurden. Die Türkei ist auf diese Gelder der Europäischen Union nicht angewiesen, auch wenn man bedenkt, dass sie für die syrischen Flüchtlinge im Land mehr als 40 Milliarden Dollar ausgegeben hat. Jedoch sollte die Europäische Union die versprochenen Gelder an die Türkei auszahlen, um die Situation der Syrer im Land zu verbessern. Auch sollte die Europäische Union ihre Hilfszahlungen an die Türkei erneuern, da das Problem der syrischen Flüchtlinge weiter besteht.

Zu Punkt 6 des Flüchtlingsabkommens lässt sich Folgendes feststellen: Zwischen der Türkei und der Europäischen Union wurde ab Unterzeichnung des Flüchtlingsabkommens am 18. März 2016 bis zum heutigen Tag lediglich ein Verhandlungskapitel eröffnet. Am 30. Juni 2016 wurde das Kapitel Finanz- und Haushaltsbestimmungen eröffnet. Berücksichtigt man die Tatsache, dass im Flüchtlingsabkommen von europäischer Seite versprochen wurde, der Beitrittsprozess der Türkei zur Europäischen Union solle beschleunigt und neue Verhandlungskapitel eröffnet werden, so lässt sich sagen, dass die Europäische Union diesbezüglich nicht Wort gehalten hat.

Fünf Jahre nach Unterzeichnung des Flüchtlingsabkommens kann man die Situation folgendermaßen zusammenfassen: Die Türkei hat ihre Versprechen in Bezug auf die syrischen Flüchtlinge eingehalten, indem sie die Flüchtlingsrouten über die Türkei abgeschottet hat. Im Gegenzug hat die Europäische Union in Bezug auf die versprochenen Gelder von 3 plus 3 Milliarden Euro, in Bezug auf die Visaliberalisierung für türkische Staatsbürger und in Bezug auf die Eröffnung von Verhandlungskapiteln ihr Wort nicht gehalten. Türkei und Europäische Union sollten das Flüchtlingsabkommen neu verhandeln, und die Europäische Union sollte nur das versprechen, was sie zu 100 % einhalten kann.

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