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Mit der Französischen Revolution gewannen nationalistische Strömungen weltweit und insbesondere in Europa an Zuspruch. Diese Einwicklung ebnete auch den Weg zum Zerfall der multinationalen Reiche. Insbesondere Anfang des 20. Jahrhunderts gewannen nationalistische Bewegungen die Oberhand, und viele Imperien zerfielen. Mit dem Zerfall der Monarchien entstanden zahllose Nationalstaaten. Und auch wenn erst nach ihrer Gründung Staatsgrenzen um die Nationalstaaten gezogen wurden, haben sich diese Staaten weder von ihrer Vergangenheit noch von ihrer Geschichte loslösen können. Deshalb ist es auch möglich, unsere historischen und geographischen Spuren sowohl in der Türkei als auch in den ehemaligen Gebieten des Osmanischen Reiches zu entdecken. Weit über die offiziellen Staatsgrenzen hinaus weist die Türkei insbesondere mit dem Balkan, dem Nahen Osten, dem Kaukasus und Afrika in puncto Kultur, Religion und gesellschaftliches Leben viele Gemeinsamkeiten auf.

Die Außenpolitik der Türkei durchläuft seit Anfang der 2000er Jahre einen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wandel. Dabei setzt Ankara weltweit, insbesondere mittels öffentlicher Einrichtungen wie TIKA, YTB, Maarif Stiftung, Kizilay und Yunus Emre-Institute zunehmend auf Hilfe im Bildungs- und Gesundheitswesen und humanitäre Hilfe sowie auf Kulturveranstaltungen und Fernsehserien als Soft-Power-Instrumente. Neben diesen als Soft-Power-Instrumenten gegründeten müssen wir unter der Rubrik Kulturpolitik einen gesonderten Blick auf die türkischen Fernsehserien richten.

Das Abenteuer der türkischen Fernsehserien

Dass es türkische Fernsehserien überhaupt vom eigenen lokalen Markt auf den globalen Markt geschafft haben, ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Obwohl für den Beginn des Siegeszugs türkischer TV-Serien auf dem globalen Markt unterschiedliche Daten genannt werden, markiert letztlich der Export der Serie „Deli Yürek“ Anfang der 2000er Jahre in zentralasiatische Staaten diesen Start. Ebenso ist die Serie „Gümüş“ aus dem Jahr 2007 zu nennen, die eine regelrechte Nachfrageexplosion aus den Staaten des Nahen Ostens auslöste und als weiterer Wendepunkt in der Historie des Exports türkischer Serien gilt.

Obwohl der Serie Gümüş in der Türkei nicht der erwartete Erfolg zuteil wurde, war sie im Nahen Osten sehr beliebt. So erreichte die Ausstrahlung im Jahr 2007 85 Millionen arabische Zuschauer. Und als ein Reiseanbieter aus Jordanien die Villa am Bosporus, in der die Serie gedreht wurde, als Touroption hinzufügte, stieg die Nachfrage um 25 %. Auf diese Weise fanden bis 2011 30.000 Touristen den Weg zur besagten Villa und bezahlten für den Eintritt jeweils 50 Dollar. Der Inhaber der syrischen Produktionsfirma Sama Art, Adeeb Khair, der türkische Serien importiert, gibt an, dass sich in der Vergangenheit die Lizenzgebühren für türkische Fernsehserien auf 600 bis 700 Dollar pro Stunde beliefen, nunmehr aber Senderechte kaum noch unter 40.000 Dollar liegen würden.

Die Serie „Ihlamurlar Altinda“ wurde von 67 Millionen Menschen angeschaut. Und insgesamt liegt die Anzahl der in die Region exportierten türkischen Serien etwa bei 50. Diese Serien sind derart beliebt, dass Recherchen zufolge etwa 83 % der Bevölkerung in Jordanien diese gesehen haben.

Der zweitgrößte TV-Serien-Exporteur der Welt: Vom nationalen Markt hin zu globalen Märkten

Das Interesse an türkischen Serien, das zunächst in Regionen mit historischer und kultureller Nähe zur Türkei begann, weitete sich im Laufe der Zeit auf verschiedene Regionen der Welt aus. Über die bis dahin bestehenden Regionen traten türkische TV-Serien mit der Ausstrahlung der Serie „Binbir Gece“ auf dem chilenischen TV-Sender Mega 2014 in den lateinamerikanischen Markt ein. So werden seit 2014 türkische Fernsehserien vermehrt auf lateinamerikanischen und spanischen Sendern ausgestrahlt. Derzeit werden 51 türkische Serien in den Sendern dieser Regionen ausgestrahlt. Die Serie „Fatmagül’ün Sucu Ne“ wurde 2018 zur meistgesehenen TV-Serie in Spanien.

Die Handelskammer von Istanbul gab bekannt, dass der Export von TV-Serien, der 2008 bei 100.000 US-Dollar gelegen hatte, im Jahr 2017 300 Millionen US-Dollar erreichte und das Ziel für 2023 bei mindestens einer Milliarde US-Dollar liege. Derzeit werden türkische Fernsehserien in mehr als 150 Länder weltweit exportiert.

Auch wurde analysiert, wie türkische TV-Serien von ausländischen Medien wahrgenommen werden. Demnach erklären 76,19 % der Beiträge, dass die Serien viel Beifall ernten, und 46 % davon, dass sie bedeutende Exporteinnahmen für die Türkei generieren. Gleichzeitig machen 28 % der Beiträge auf das Potenzial von TV-Serien, die Tourismuseinnahmen der Türkei zu steigern, aufmerksam. In der Analyse berichtet Özarslan, dass internationale Beiträge über türkische TV-Serien der Frage nachgehen, welchen Beitrag diese sowohl zum Image als auch zur Wirtschaft der Türkei leisten können. Auffällig an dieser Stelle erscheint, dass Beiträge über türkische Serien seit 2007 sowohl im Inland als auch außerhalb der Türkei zugenommen haben. Demgegenüber wurden früher Filme, Fernsehserien und Unterhaltungsprogramme meist aus dem Ausland importiert.

Auch wenn sich die direkten Auswirkungen der TV-Serien-Exporte auf die Wirtschaft nicht einfach messen lassen, kann man davon ausgehen, dass sie indirekt Einfluss auf Handelsbeziehungen bzw. Immobilienkäufe haben und zudem den Tourismus beleben. Es zeigt sich auch, dass dank der exportierten türkischen Serien die Nachfrage nach türkischen Produkten weltweit gestiegen ist. So brechen im Nahen Osten beispielsweise Parfums, welche die Namen der Schauspieler aus den TV-Serien tragen, Verkaufsrekorde. Die Erfolge türkischer Fernsehserien ziehen sogar die Aufmerksamkeit europäischer und US-amerikanischer Medien auf sich, und auf internationalen Sendern werden Beiträge darüber produziert. Der türkischen Fernsehserie „Son“ gelang es in Schweden, die meistgesehene Fernsehserie in der Geschichte des Landes zu werden.

Auswirkungen der Fernsehserien auf Handel und bilaterale Beziehungen

In den Staaten mit historischer Bindung zur Türkei stieg mit der weltweiten Verbreitung der türkischen Serien das Interesse an der türkischen Kultur und die Zahl der Menschen, die einen Sprachkurs in Türkisch besuchen, erheblich.

Neben der Verbesserung der kulturellen Beziehungen und der Stärkung der Beziehungen mit dem jeweiligen Land sind Fernsehserien darüber hinaus kostenlose Werbekampagnen von unschätzbarem Wert. Mit der Verbreitung der Fernsehserien geht eine Zunahme der positiven Berichterstattung über die Türkei einher. Außerdem belegen wissenschaftliche Studien, dass die Serien die Entscheidung der einheimischen Bevölkerung für einen Türkeiurlaub beeinflussen. Besuche und Ausflüge insbesondere an Orte, an denen die TV-Serien gedreht werden, nehmen zu. Auf der anderen Seite ist ein positiver Trend in den Handelsbeziehungen mit den Regionen, in denen die Fernsehserien ausgestrahlt werden, zu erkennen. Vor allem die Exportsteigerung in den Nahen Osten um 100 % zeigt die indirekte Wirkung der türkischen TV-Serien. Ein ähnlicher Trend ist in den lateinamerikanischen Staaten zu beobachten, in denen seit 2014 türkische Fernsehserien zu sehen sind: Dank türkischer TV-Serien konnten die Exporte in diese Staaten, zu denen die Türkei bis dahin nur geringe Handelsbeziehungen unterhielt, um das Dreifache gesteigert werden.

Türkische Fernsehserien tragen mehr zur Außendarstellung, zum Export, zum Tourismus und der Wirtschaft des Landes bei, als man bisher annahm. Sichtbares Indiz hierfür ist, dass es der Türkei in den letzten 20 Jahren gelang, direkt nach den USA zweitgrößter TV-Serien-Exporteur der Welt zu werden.

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