Hulusi Akar, António Guterres, Recep Tayyip Erdoğan, Mevlüt Çavuşoğlu (Others)
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2020 erlebte die Welt mit der pandemischen Ausbreitung des Virus COVID-19 einen großen psychischen Schock, der bis dato zur Umstellung der Lebensgewohnheiten der Menschen führte und das soziale Zusammenleben nachhaltig beeinflusste. Die verunsicherten Menschen wurden mit ungewohnten Alltagspraktiken wie Quarantäne sowie Mundschutz und verschiedenen neuen Lebenssituationen konfrontiert, die sie in ihrem Leben noch nie erfahren hatten und nur aus amerikanischen Blockbustern kannten.

Um europaweit die Ausbreitung des gefährlichen Virus koordiniert einzudämmen, trafen zahlreiche EU-Länder die Entscheidung, ihre Grenzen für den Personenverkehr zeitweise geschlossen zu halten. Trotzdem verbreitete sich der Virus, ausgehend vom Ursprungsort China, in der ganzen Welt verteilt und forderte die Gesundheitssysteme der Länder ultimativ heraus respektive legte ihre versteckten Mängel gnadenlos offen. Der Gesundheitssektor war in vielen Ländern mit Corona und seinen Mutationen hoffnungslos überfordert, was bisweilen in Krankenhäusern dazu führte, dass ethisch problematische Triage-Entscheidungen getroffen werden mussten.

Globalisierung auf der Agenda

Der See-, Land- sowie Luftverkehr innerhalb und zwischen Ländern wurde temporär eingestellt, was in der Folge in diversen Branchen einem wirtschaftlichen Shutdown gleichkam. Die Geschäftswelt, die die Globalisierung bisher als Wunderwaffe gepriesen hatte, sah sich sukzessive mit neuen, unkalkulierbaren Herausforderungen konfrontiert. Mit dieser wirtschaftlichen Zeitenwende wird jetzt von den weltweit operierenden Managern zunehmend die Zukunft der liberalen Grundsätze der Globalisierung zur Disposition gestellt.

Corona hat der Weltwirtschaft einen schweren Schlag versetzt

Weltweit gingen die Produktionen in den Fabrikhallen partiell zurück oder wurden vollständig eingestellt, was zur Stagnation der Wertschöpfungskette führte. Diese unvorhersehbaren Verwerfungen führten die Weltwirtschaft mit dem Zusammenbruch der Lieferketten schließlich in eine schwere Krise. Elektronische Kleinteile, wie Halbleiter, die in Taiwan nicht mehr in gewünschter Anzahl produziert werden konnten, trafen in Deutschland insbesondere die Produktion im Automobilsektor. Auch der Maschinenbau, der für die Herstellung von Wirtschaftsgütern in anderen Ländern eine große Rolle spielt, wurde durch die Chip-Mangel schwer getroffen.

Mit fortdauernder Pandemie ging in Deutschland ferner die Beschaffungskrise einher und erschütterte die viertgrößte Wirtschaftsnation zusätzlich. Der jahrelange Wirtschaftserfolg des ehemaligen Exportweltmeisters Deutschland basiert bekanntermaßen auf dem regen Handel mit ausländischen Staaten. Doch mit dem Mangel an benötigten ausländischen Rohstoffen wurde der hiesige Wirtschaftskreislauf massiv gestört.

Wirtschaftliche Stagnation und galoppierende Inflation

Deutsche Unternehmen konnten eingegangene Bestellungen nicht in der gewünschten Art sowie Geschwindigkeit bearbeiten und rechtzeitig ausliefern. Auch andere Volkswirtschaften rutschten durch die Beschaffungskrise immer weiter in eine wirtschaftliche Stagnation. Zudem hat die weltweite Knappheit an Ressourcen die Inflation befeuert und einige Volkswirtschaften in eine schwere Stagflation geführt.

Gerade als zwei Wissenschaftler mit türkischen Wurzeln (Uğur Şahin & Özlem Türeci) in Deutschland den lang ersehnten Impfstoff auf den Markt brachten und den Menschen wieder Hoffnung gaben, aus dieser epochalen Krise endlich herauszukommen, brach durch die russische Invasion die Ukraine-Krise aus. In diesem Krieg trat neben einer Versorgungskrise eine riesige Energie- und Nahrungsmittelkrise auf, die auf der ganzen Welt die Inflation weiter befeuerte, zum Teil mit historischem Ausmaß.

Türkiye eine ernstzunehmende Alternative

Im Bewusstsein der Lieferkettenproblematik kamen in den Führungsebenen der Außenhandelsunternehmen Begriffe wie Entkoppelung, Neuausrichtung und Unabhängigkeit in Mode. Aufgrund der erfolgreichen wirtschaftlichen Beziehungen und der räumlichen Nähe erkannten die deutschen Unternehmer nun Türkiye als eine ernstzunehmende Alternativmöglichkeit mit den gewünschten Rahmenbedingungen.

Der Präsident der türkischen Kammer und Börsenunion, Rıfat Hisarcıklıoğlu, konstatierte bereits vor einigen Jahren: „Die Türkei ist das weltweit größte Produktionszentrum zwischen Italien und China.“ Dieses Faktum spiegelt sich auch im bilateralen Handel zwischen Deutschland und Türkiye wider, der im Corona-Jahr 2021 41 Milliarden US-Dollar betrug.

8.000 Unternehmen in Türkiye mit deutscher Kapitalbeteiligung

Für deutsche Investoren wird Türkiye zunehmend als interessante Alternative für China wahrgenommen. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass die Anzahl der Unternehmen in Türkiye mit deutscher Kapitalbeteiligung mittlerweile die 8.000er Grenze überschritten hat, während diese Zahl vor ungefähr 20 Jahren noch bei 2.000 Investoren lag.

Deutschland und Türkiye pflegen seit Jahrzehnten eine traditionell enge wirtschaftliche Beziehung miteinander. Deutsche Unternehmer generieren durch die Nutzung von Türkiye als Versorgungs- und Produktionszentrum einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Ländern. Andererseits haben sich viele türkische Unternehmen nach Deutschland und Europa geöffnet, was die Expansionskraft der türkischen Wirtschaft der letzten 20 Jahre zum Ausdruck bringt. Infolgedessen gründeten die Germany Trade and Invest (GTAI) und ihre Investitionsbüros eigens Abteilungen, um türkische Investoren anzuziehen. Einige von ihnen eröffneten sogar Repräsentanzen in Türkiye.

Das Investment Office der Republik Türkiye als Anlaufstelle für Investoren

Das Investment Office der Republik Türkiye, das die deutsche Wirtschaft in Türkeifragen berät, eröffnete im Dezember 2020 nach dem Standort Berlin eine weitere Repräsentanz in Frankfurt am Main. Und dies auf dem Höhepunkt der Corona-Krise, in der die Büroräume in den Business-Wolkenkratzern in Frankfurt am Main verwaisten.

In einer Zeit, in der die Lieferketten unterbrochen waren, die Menschen in armen Ländern eine Ernährungskrise erlebten und die Energieversorgungssicherheit im nächsten Winter in Deutschland so kritisch gesehen wird, erinnerte das Investment Office der Republik Türkiye die deutsche Politik und die Geschäftswelt beharrlich daran, dass Türkiye als sicherer Hafen an der Seite Deutschlands steht.

Westliche Unternehmen sehen Türkiye als Alternative zu Russland

Mit Beginn des Krieges zwischen der Ukraine und Russland kündigte der American Circle of Trade an, dass über 1000 amerikanische Unternehmen aus Russland abziehen werden. Es wird angenommen, dass die Anzahl der auswanderungswilligen westlichen Unternehmen bei mindestens 5000 liegt. Viele Unternehmen haben bereits ihre Fühler ausgestreckt, um ihre Produktion oder den Firmensitz nach Türkiye zu verlegen.

Nach Angaben des Repräsentanten des Standorts Frankfurt des Investment Office der Republik Türkiye,Ferruh Parmaksız, haben auch deutsche Unternehmen ihre Investitionen nach Türkiye umgelenkt, um ihr Kapital so schnell wie möglich in ein sicheres und geographisch nahes Land zu transferieren.

Es gibt nach Aussage von Parmaksız aktuell zahlreiche Anfragen von der deutschen Wirtschaft, die sich mit ihren Unternehmen in Türkiye niederlassen wollen. Das Investment Office der Republik Türkiye berät diese Unternehmen bei ihren Investitionen und ihrem Wunsch, sich in Türkiye niederzulassen sowie längerfristig die Vorteile und das Potential von Türkiye gewinnbringend zu nutzen.

Ein robustes Gesundheitssystem als Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg

Einer der essentiellen Gründe für den Erfolg, den Türkiye in Zeiten von COVID-19 erzielte, waren die Investitionen und Reformen in den letzten 20 Jahren im Gesundheitswesen, das sich als Rückgrat des Wirtschaftserfolgs erwies. Die Räder und Zahnräder der türkischen Wirtschaft drehten sich auch in der Pandemie weiter. Türkiye generierte 2021 ein Wirtschaftswachstum von mehr als 10 % und war auch 2020 neben China eines der beiden G20-Länder, die ein positives Wirtschaftswachstum erzielten.

Diese schweren und schockierenden Krisen haben aufgezeigt, dass politische Differenzen zwischen Türkiye und Deutschland in den letzten Jahren beiden Ländern wirtschaftlichen Schaden zugefügt haben. Es wäre wünschenswert, dass auch die Politik diese Evidenz zur Kenntnis nimmt und entsprechende Schritte zum Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation einleitet. Im Interesse beider Staaten!

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