02.11.2020, Berg-Karabach: Sebeos Galatschjan (vorne), Priester, führt in einem Militärlager nahe der Frontlinie eine Taufzeremonie für ethnisch armenische Soldaten durch.  (dpa)
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Im Berg-Karabach-Konflikt kämpfen die Aserbaidschaner nicht nur um ihr Territorium. Sie müssen auch gegen unbegründete Anschuldigungen aus der armenischen und proarmenischen Seite kämpfen. So wurde etwa behauptet, syrische Söldner seien auf der aserbaidschanischen Seite am Krieg beteiligt.

Diejenigen, die diese Anschuldigungen machen, können in der Regel keine eindeutigen Beweise für die angebliche Überführung der Söldner aus Syrien nach Aserbaidschan oder ihre Teilnahme an den Kampfhandlungen auf den Schlachtfeldern liefern. Die Wurzeln dieser in ausländischen Medien verbreiteten Berichte gehen auf unbegründete und unzuverlässige Quellen zurück. So enthüllt beispielsweise ein ausführlicher Artikel auf der Website von CCBS die Fake News zu diesem Thema. Die Aussage des Sprechers des armenischen Verteidigungsministeriums, Artsrun Hovhannisyan, dass „syrische Kämpfer die Leichen ihrer Kameraden nicht auf dem Schlachtfeld lassen und sie sofort wegbringen“, ist ebenfalls eine lächerliche Behauptung ohne jegliche Belege.

Militärstrategisch sinnlos

Der Einsatz von syrischen Söldnern in Berg-Karabach ist allein militärstrategisch nicht zielführend: Da der Konflikt in Berg-Karabach kein Guerillakrieg ist, wäre der Einsatz von Guerilla erprobten syrischen Truppen hier militärisch nicht wirksam.

Syrische Söldner, die es gewohnt sind, in der Wüste und in Halbwüstengebieten zu kämpfen, nun in den Bergen einzusetzen, erscheint militärisch nicht sinnvoll.

Die gegenwärtigen Kämpfe in Berg-Karabach werden mit Hilfe moderner Kriegstaktiken und -techniken geführt: Ein intensiver Einsatz von Panzern, Artillerie und Drohnen ist offensichtlich. Dagegen ist bekannt, dass die Kämpfer in Syrien keine entsprechende militärische Ausbildung erhalten haben.

Aserbaidschans Ankündigung, die militärischen Streitkräfte des Landes werden nicht vollständig sondern nur teilweise in Anspruch genommen, zeigt, dass das Land keine zusätzlichen Humanressourcen benötigt. Darüber hinaus gibt es Widersprüche hinsichtlich der Anzahl der „nach Aserbaidschan gebrachten syrischen Kämpfer“: Einige Quellen behaupten, es seien 300-500 Personen. Diese Anzahl würde jedoch für die aserbaidschanische Seite, die über eine reguläre Armee von 120.000 Mann verfügt, keine ernsthafte Verstärkung bedeuten und ihre militärische Macht nicht erhöhen. Andere Quellen bezifferten die Zahlen auf 4000 bis 5000 Personen. Auch diese Behauptung scheint aber nicht plausibel, da hierfür so viele Menschen auf einmal spurlos aus Syrien verschwinden und nach Aserbaidschan gebracht werden müssten.

Die Türkei beschuldigen und Russland in den Konflikt hineinziehen

Die meisten Autoren, die in ausländischen Medien über die aus Syrien nach Aserbaidschan „importierten“ Kämpfer geschrieben haben, stammen entweder aus Ländern mit schlechten Beziehungen zur Türkei oder sind mit ihnen verknüpft. Es gibt auch russische Quellen, die gerne solche Nachrichten verbreiten. Der Zweck dahinter scheint dreispurig zu sein: erstens die Türkei zu beschuldigen, zweitens Russland in den Konflikt hineinzuziehen, drittens die Öffentlichkeit in der westlichen Welt von der vermeintlichen Existenz solch einer Beteiligung zu überzeugen.

Mit einer seiner letzten Reden sorgte der Leiter des Auswärtigen Geheimdienstes der Russischen Föderation, Sergej Naryschkin, unter den in Berg-Karabach kämpfenden Streitkräften ebenfalls für Verwirrung. Er nannte die Organisation „Jabhat al-Nusra“ und behauptete, deren Anhänger seien von der Türkei nach Aserbaidschan gebracht worden. Hier gibt es einen sachlichen und einen grundlegenden Fehler: Zunächst einmal wurde „Jabhat al-Nusra“ bereits 2017 abgeschafft. Außerdem nimmt „Jabhat al-Nusra“ eine starke antitürkische Haltung ein und wird von der Türkei offiziell als terroristische Organisation eingestuft, sodass solch ein Vorgehen der Türkei nicht plausibel wäre. Darüber hinaus ist bekannt, dass keine der anderen in der Erklärung von Sergei Naryshkin genannten Organisationen („Sultan Murad“ und „Hamza“) von Russland allgemein als terroristische Organisation anerkannt werden.

Einige „Experten“ behaupten ebenfalls, es seien Personen, die mit Gruppen wie Daesh und „Hayat Tahrir al-Sham“ in Verbindung stehen, aus Syrien nach Aserbaidschan gebracht worden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Ideologien dieser Gruppen keine Nationalstaaten akzeptieren. Die Mitglieder dieser Gruppierungen kämpfen für die Errichtung eines Kalifats. Mit anderen Worten: Die Mitglieder dieser Organisationen würden es niemals akzeptieren, für einen Nationalstaat (geschweige denn einen säkularen Staat) wie Aserbaidschan zu kämpfen. Darüber hinaus kämpfen diese Gruppen gegen „schiitische Ungläubige“ im Irak und in Syrien, während Aserbaidschan ein säkulares Land mit mehrheitlich schiitischer Bevölkerung ist. Wir sehen also, dass diese Behauptungen der armenischen Seite auf keine Fakten fußen.

Als Behauptungen sind sie jedoch trotzdessen für Armenier psychologisch wichtig. Armenier, die stets auf die aserbaidschanische Armee herabblickten und diese unterschätzten, versuchen, ihre militärischen Niederlagen mit solchen Behauptungen zu vertuschen.

Behauptungen sind Teil der antimuslimischen Rhetorik Armeniens

Die Behauptung einer Beteiligung von „syrischen Kämpfern“ ist Teil der antimuslimischen und rassistischen Rhetorik der armenischen Seite, insbesondere um die rechtsradikalen Kräfte im Westen anzusprechen.

Die Äußerung von Nikol Paschinjan im russischen TV-Sender, die Söldner würden versuchen, das Scharia-Gesetz in den aserbaidschanischen Dörfern durchzusetzen, ist schlichtweg lächerlich. Aserbaidschan ist eines der säkularsten Länder der Welt und weder die Regierung noch die Gesellschaft würden der Einführung von Scharia-Regeln zustimmen.

2017 bürgerte die aserbaidschanische Regierung 151 Personen aus, die in Syrien kämpften, und ließ 95 weitere Personen festnehmen. Eine Regierung, die sich so stark der „Syrifizierung“ der Region widersetzt und gegen eigene Staatsbürger hart vorgeht, die sich den radikalen Gruppierungen angeschlossen haben, kann niemals am „Import“ solcher radikaler Personen interessiert sein. Einige Quellen, die von einem angeblichen Transport syrischer Söldner nach Aserbaidschan berichteten, behaupteten sogar, diese würden die Ölfelder in Aserbaidschan schützen. Auch diese Behauptung ist lächerlich und völlig absurd, denn die aserbaidschanischen Ölfelder liegen im Osten des Landes, 300 bis 400 km von der aktiven Konfliktzone entfernt. Darüber hinaus wird der Schutz dieser Ölfelder von einem Konsortium gewährleistet, dem internationale Unternehmen (z. B. aus dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten, Ungarn usw.) angehören – und dieses Konsortium erlaubt selbstverständlich keine Beteiligung von radikalen Kämpfern.

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