17.07.2021, Nordrhein-Westfalen, Erftstadt: Armin Laschet (2. v.l., CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, lacht während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement gibt. (dpa)
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Amt und Würde

Deutschland wählt seine politischen Führungskräfte nicht direkt, sondern über das Parlament oder die Bundesversammlung. Es gibt auch keine Mitsprache bei der Nominierung, jedenfalls nicht für das Wahlvolk, allenfalls einmal bei einer Urabstimmung für das Parteivolk. Auch lässt sich nicht vorhersagen, ob jemand geeignet ist für das Bundeskanzleramt, weil sich das erst zeigt, wenn diese große Verantwortung getragen wird. Niemand wird als Kanzler oder Kanzlerin geboren, und das Amt prägt wohl die Person mehr als umgekehrt. Weil die Aufgabe aber so groß ist und die Unsicherheit über die Eignung ebenfalls, wird medial sehr genau hingeschaut, wie sich jemand verhält, wo etwas auf besondere Führungsstärke schließen lässt und welche Schwächen sichtbar werden. Dort, wo sich welche finden, werden sie vom gegnerischen Lager professionell genutzt und angeprangert. Manchmal erscheint diese Suche übertrieben, und Kleinigkeiten erscheinen künstlich aufgeblasen. Aber manchmal sind es gerade die kleinen Dinge, die tief blicken lassen. Armin Laschet hat gelacht. Das mag seinem Naturell als Aachener Frohnatur und Karnevalsgänger entsprechen. Und in den meisten öffentlichen Auftritten wird ein Politiker, der lacht, als freundlich und volksnah angesehen und Lachen als Beleg für Humor und Menschlichkeit verstanden.
Als in Erftstadt das deutsche Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier sichtlich bewegt sein Mitgefühl und seine Solidarität im Namen der Bundesrepublik bekundet und dabei jedes seiner Worte wägt, um das Richtige zu sagen im Moment des großen Leids der Flutopfer und ihrer Angehörigen, da steht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der CDU im Hintergrund, und alle TV-ZuschauerInnen erleben den Kontrast zwischen dem würdevollen Bundespräsidenten und dem feixenden Landesvater, der sich mit seiner Entourage köstlich amüsiert. Bekanntlich gibt es auch bei jeder Trauerfeier einen guten Lacher, aber dort bewirbt sich niemand um das mächtigste Amt im Land. Laschet wirkte wie der Klassenclown beim Schulausflug in die Gedenkstätte, wo es sich schlicht nicht gehört, sich gehen zu lassen. Sein Verhalten, für das er sich nach einer Welle öffentlicher Entrüstung entschuldigt hat, deutet auf einen Unterschied zu Steinmeier hin: Dieser sprach bewegt und staatsmännisch, weil er bewegt war und ein Staatsmann ist. Ein Ministerpräsident, der vor den Kameras das eine ist und hinter den Kameras etwas anderes, spielt bloß eine Rolle. Und so sehr Schauspielern mit zum Geschäft gehört, um das Protokoll zu erfüllen, in Verhandlungen erfolgreich zu pokern und um die unterschiedlichen Erwartungen auf Karnevalsveranstaltungen oder Trauerfeiern zu erfüllen, so wenig wird es reichen, um Deutschland in diesen schwierigen Zeiten zu führen, in die oft großen Fußstapfen der VorgängerInnen zu treten und ein Vorbild zu sein.

Wasser und Wahlen

In Deutschland gibt es eine Reihe von Beispielen, bei denen die Suche nach dem geeigneten Kandidaten für ein politisches Spitzenamt über das Verhalten bei Hochwasser lief. Als Helmut Schmidt zur Wahl als Bundeskanzler stand, erinnerten sich die Menschen daran, wie er als Bürgermeister von Hamburg in der Flutkatastrophe Führungsstärke gezeigt hatte. Ähnlich erging es dem jungen brandenburgischen Umweltminister Matthias Platzeck, dessen Worte und Taten bei der Oder-Flut einen bleibenden Eindruck hinterließen und der nicht zuletzt dank dieses Pfunds später Karriere als Ministerpräsident und SPD-Chef machte. Entsprechend empfehlen Wahlkampfmanager ihren Kandidaten Bilder in Gummistiefeln am Überschwemmungsort. Nun aber zeigt sich, dass das Verhalten in der Katastrophe nicht nur Chancen bietet, sondern auch Gefahren. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock reiste ebenfalls an die Katastrophenorte, bestand aber darauf, dass nicht fotografiert oder gefilmt wird, um dem Vorwurf zu entgehen, dass es ihr um eine PR-Aktion im Wahlkampf ginge.
Einen Monat nach seinem Fehlverhalten verliert Kanzlerkandidat Laschet in den Meinungsumfragen satte 8 Prozentpunkte. Das muss nichts bedeuten, aber die Hoffnung, dass alles bis zur Wahl vergessen sein wird, erscheint unwahrscheinlich, da es nur noch um wenige Wochen geht und wohl so schnell keine zweite Chance auf den CDU-Mann wartet, um eine bessere Figur zu machen.

Wie es aussieht, ist diese Bundestagswahl eine zwischen Jung und Alt. Die Grünen sprechen junge Menschen und gebildete Schichten an, sind inhaltlich eine Partei der Mitte, aber bei weitem keine Volkspartei. Inhaltlich geht es um eine entschlossenere Klimapolitik, aber auch um Lehren aus der Pandemie und eine Reihe von gesellschafts- und außenpolitischen Fragen. Die CDU ist nach wie vor Volkspartei und spricht eine deutlich ältere Klientel an, ist vorsichtiger mit ihren Ankündigungen, was Klimawandel, Digitalisierung und außenpolitische Positionierungen betrifft. Und neben diesen programmatischen Unterschieden und der Entscheidung, ob mehr oder weniger getan werden muss, steht eine jüngere Frau mit geringerer Führungserfahrung einem älteren Mann in Regierungsverantwortung gegenüber. Aber gerade dieser Vorteil, zeigen zu können, dass man einem Amt gewachsen ist und weiß, das Richtige zu tun, diesen Vorteil hat Laschet leichtsinnig vergeben. Bei dem anderen großen Thema, der Pandemie, gehen die Meinungen auseinander, in welchem Bundesland wer der beste Krisenmanager war. Sind die acht Prozentpunkte kein Ausreißer, sondern ein Trend, dann war dieser Moment des Lachens der Anfang einer Wahlniederlage.

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