Die Zahl der Krankenhäuser nimmt weiter ab (dpa)
Folgen

Klar, die Corona-Pandemie ist mit ihren gesundheitlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen die schlimmste Seuche des jungen 21. Jahrhunderts. Doch sind die dominoartigen Auswirkungen zum Teil nicht vermeidbar gewesen? Während sich die Öffentlichkeit auf Inzidenz und Impfquote versteift, gerät das Wesentliche aus dem Blickfeld: das zugrunde gesparte Gesundheitssystem.

Dass Krankenhäuser mit dem Mangel an Pflegekräften zu kämpfen haben, ist nicht erst seit gestern bekannt. Doch nachhaltige Lösungen sucht man auch heute noch vergebens. Stattdessen werden Pflegekräfte aus dem Ausland „importiert“, um das Problem auf morgen zu verschieben. Es herrscht Sparzwang und Wettbewerb.

Dabei wäre der erste Schritt bereits getan, wenn Pflegekräfte im Gegenzug für ihre sinnvolle Arbeit auch würdige Arbeitsbedingungen angeboten bekommen würden. Doch das immer weiter verwirtschaftlichte und privatisierte Krankenhaussystem, in dem der Profit das Handeln mitbestimmt, lässt wenig Spielraum für philanthropes Wunschdenken.

Fallpauschale und Privatisierung

Die Realität heißt Fallpauschale, ein Erbe der Rot-Grün-Regierung aus dem Jahr 2004. Dieses Abrechnungssystem, das bestimmte Behandlungen gewinnbringender gestaltet als andere, führt zur Unterversorgung in wirtschaftlich weniger attraktiven Bereichen der Medizin. Dieser Umstand spiegelt sich insbesondere im privaten Krankenhaussektor wider, der zuletzt auf einen Anteil von rund 37,8 Prozent kam.

SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der von 2003 bis 2013 im Aufsichtsrat der privaten Rhön-Klinikum AG saß, gilt als einer der Ideenväter des aktuellen Gesundheitssystems. So forderte er noch vor Ausbruch der Pandemie auf Twitter, „dass wir mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite Klinik, schließen sollten“. Dadurch hätten andere Krankenhäuser mehr Personal und es entstünden weniger Kosten. Zugleich steige die Qualität. Was sich auf den ersten Blick wie schlechte Satire liest, ist leider purer Ernst.

Dabei ist die Zahl der Krankenhäuser in den Jahren von 1991 bis 2019 bereits stetig gesunken: von 2411 auf 1924 – trotz steigender Bevölkerungszahl. Damit sank zugleich die Zahl der Krankenhausbetten im gleichen Zeitraum von 665.565 auf 494.326.

Kinderstationen im Schatten der Profite

Dass insbesondere auch Kinderkliniken- und Stationen betroffen sind, wirkt verstörend. Die Behandlung von Kindern bringt im aktuellen System nicht mehr Geld, trotz mehr Aufwand. Auf Kinder spezialisierte Fachkräfte haben sich auch deshalb seit 2004 zu einer Rarität entwickelt. Auch hier die Folge: Obwohl es immer mehr erkrankte Kinder gibt, gibt es immer weniger Behandlungsangebote, insbesondere in weniger lukrativen Bereichen wie beispielsweise der Gastroenterologie.

Die Engpässe in Krankenhäusern führen dazu, dass wichtige Operationen immer wieder verschoben werden. Diese Missstände treten nun coronabedingt deutlicher zu Tage. Etwa Krebspatienten müssen auf ihre Behandlung warten – wer weiß, wie viele und wie lange. Klar ist: Schwerkranke Menschen verlieren dadurch an Lebenszeit und Lebensqualität.

Es ist also nicht das Coronavirus für die Missstände im Gesundheitssystems verantwortlich. Das Problem ist die mangelnde Bereitschaft und Weitsicht der Regierenden, ein von Profiteifer befreites, mit Bedacht subventioniertes und für alle Eventualitäten gesichertes Gesundheitswesen zu errichten, in dessen Mittelpunkt das Wohl des Menschen steht.

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