(dpa)
Folgen

In einigen europäischen Ländern gilt inzwischen bereits ein Verhüllungsverbot, zum Beispiel in Frankreich, in den Niederlanden und in Belgien. Auch in Deutschland hat das Bundesland Hessen 2011 ein Burka-Verbot erlassen, das jedoch bis heute auf den öffentlichen Sektor beschränkt geblieben ist. Wie Dänemark und Norwegen ist auch Deutschland eines der europäischen Länder, in denen das Burka-Verbot weiter auf der Tagesordnung steht und die entsprechenden Diskussionen fortgesetzt werden.

Bislang gab es in zwei Kantonen der Schweiz, in St. Gallen und seit 2016 im Tessin, ein Verhüllungsverbot. Was aber sind die Argumente für und gegen ein solches Burka-Verbot, das jetzt in der ganzen Schweiz verhängt wurde? Wie wirkt sich dies auf die Meinungsfreiheit in einem Land wie der Schweiz aus, das im Index der menschlichen Freiheit im Allgemeinen unter den Top 10 liegt, und welche Abstimmung können die schweizerischen Bürger als nächste erwarten?

Argumentation für das Burka-Verbot

Die Kampagne für das Burka-Verbot in der Schweiz wurde mit dem Slogan „Extremismus stoppen! Verhüllungsverbot Ja!“ beworben. Extremismus ist in dieser Kampagne mit der starken „Verbindung zwischen dem radikalislamistischen und der kriminell motivierten Verkleidung“ verknüpft. Einer der Gründe, mit „Ja“ für das Verbot zu stimmen, ist, dass Pro-Wähler durch das Verbot darauf abzielen, Muslime von denjenigen zu unterscheiden, die diese Form der Kleidung für Terrorakte missbrauchen.

Ein weiterer Grund für Pro-Wähler, die Burka zu verbieten, ist die positive Integration der Muslime in die Gemeinschaft und Kultur in der Schweiz. Wie in vielen anderen Ländern Europas werden Menschen, die keine Burka, sondern nur einen Hijab tragen, eher als Außenseiter in Bezug auf die Einwanderung angesehen, als solche, die sich nicht in die neue Gesellschaft integrieren konnten. Ein sehr einfaches Beispiel für eine solche Diskriminierung von Personen, die eine Verhüllung tragen und solchen, die es nicht tun, ist in Bewerbungen zu sehen. Pro-Wähler möchten daher eine solche Diskriminierung aufgrund der getragenen Kleidung beseitigen, was für Burka-Träger von Vorteil sein soll.

Und dann gibt es noch die Pro-Wähler, die glauben, dass viele Frauen,welche die Burka tragen, von ihrer Familie oder ihrem Ehemann gezwungen werden, sich zu verhüllen. Ihr Hinweis auf diesen Gedanken ist die anhaltende Debatte über die Verhüllung in islamischen Ländern wie Saudi-Arabien. Ihr Zitat von der saudi-arabische Frauenrechtlerin und Bloggerin Eman Al Nafja "Für jede Frau, die aus freien Stücken den Gesichtsschleier wählt, gibt es Hunderte, wenn nicht sogar Tausende, die vom religiösen Establishment, der Familie und der Gesellschaft unter Druck gesetzt werden, ihr Gesicht zu bedecken" unterstützt das Argument, die Burka in der Schweiz zu verbieten.

Argumentation gegen das Burka-Verbot

Pro-Wähler argumentieren, dass sie Frauen, welche die Burka aufgrund des Drucks ihrer Familie oder ihres Mannes tragen, „befreien“ wollen. Mit dem Verbot eines Kleidungsstücks unterdrücken sie jedoch Frauen, welche die Burka aufgrund ihres religiösen Glaubens tragen. Während eine der Begründungen für das Verhüllungsverbot ist, Frauen Freiheit zu geben, beschränkt diese Verordnung Frauen in dem, was sie tragen können und was nicht.

Diese Kampagne nimmt Frauen nicht nur die Wahlfreiheit, die Burka zu tragen oder nicht zu tragen, sondern ist im Allgemeinen eine Begrenzung der Wahlfreiheit dessen, was Menschen anziehen können. Nicht nur Islamische Frauen tragen Kleidung entsprechend ihrer Religion, sondern zum Beispiel auch Männer im Judentum. Da diese Kleidung im Zusammenhang mit religiösen Gründen steht, schränkt die Kampagne nicht nur die Kleidungspräferenzen ein, sondern auch die Freiheit, religiöse Überzeugungen zu praktizieren.

Einer der Hauptgründe gegen das Verhüllungsverbot ist jedoch die weltweit zunehmende Islamophobie. Das Verbot des Baus von Minaretten und jetzt das Verbot der Burka sind auch Folgen der zunehmenden Islamophobie, da dieses Verbot in den vergangenen Jahren bereits mehrfach vom schweizerischen Parlament abgelehnt worden war. Die gezielte Bekämpfung von Frauen, die in der Schweiz Burka tragen, verstärkt nichts anderes als Islamophobie bei Gegenwählern, da im Ergebnis nur etwa 30 bis 50 der rund 8,5 Millionen Einwohner in der Schweiz betroffen sind.

Was kommt als nächstes?

Nach dem „Ja“ zum Burka-Verbot fragen sich viele in der Schweiz und in den Nachbarländern lebende Muslime, was wohl als nächstes kommt. Die Schweiz ist ein Land, das für seine Nähe zu einer perfekten Demokratie bekannt ist. Eine solche Einschränkung dessen, was seine Bewohner tragen dürfen und was nicht, wirft daher Fragen nach dem Grad der Meinungsfreiheit in einem solchen demokratischen Land auf.

Durch die Annahme des Burka-Verbots in der Schweiz kann man davon ausgehen, dass eine Reihe von Nachbarländern, die momentan über solche Beschränkungen diskutieren, dazu beeinflusst worden sein könnten, ebenfalls ein solches Verbot zu veranlassen. Daher kann man grundsätzlich erwarten, dass in den kommenden Jahren in weiteren Staaten in Europa ein Verbot in Kraft treten wird.

In Bezug auf Islamophobie wäre der nächste Schritt das Verbot, Hijab oder Tschador zu tragen. Wie in den Werbekampagnen dargestellt, sind Burka und Niqab jetzt verboten, und als nächstes ist der Hijab abgebildet.

Um die Zunahme der Islamophobie zu stoppen, müssen Länder versuchen, Handlungen zu verhindern, welche die Freiheit der Ausübung religiösen Glaubens einschränken. Es werden bereits genug Rassismus und Diskriminierung praktiziert, was von den Staaten selbst nicht unterstützt und weiter verstärkt werden sollte. Während Pro-Wähler der Ansicht sind, das Verbot der Burka gebe muslimischen Frauen die Freiheit zu entscheiden, was sie tragen möchten, beeinträchtigen solche Eingriffe in das, was Frauen tragen dürfen, deren Wahlfreiheit nicht nur in Bezug auf Kleidung, sondern auch in Bezug auf ihre Freiheit, ihren religiösen Glauben zu praktizieren. Anstelle der friedlichen Integration in Bezug auf kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede entscheiden sich immer mehr Staaten für eine pauschale Ablehnung des Islams, was im 21. Jahrhundert zu verstärktem Rassismus und Diskriminierung führt.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com