20.10.2021, Bayern, München: Sebastian Gairhos, Leiter der Stadtarchäologie Augsburg, zeigt während einer Pressekonferenz eine Silbermünze, die dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus zugeordnet werden kann. (dpa)
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Bereits zum zweiten Mal binnen weniger Monate haben Archäologen in Augsburg einen herausragenden Fund aus der Römerzeit präsentiert. Am Mittwoch stellten sie einen mehr als 15 Kilogramm schweren römischen Silberschatz vor. Die auf dem Gelände einer früheren Fabrik geborgenen mehr als 5500 Silbermünzen zählten zu den bedeutendsten Entdeckungen dieser Art in Deutschland, sagten Experten. Die ältesten der Münzen stammen aus der Zeit des römischen Kaisers Nero, sind also mehr als 1950 Jahre alt.

Ausgrabungsfunde stammen vom Gelände eines Autozulieferers

Bereits im Juni waren römische Waffen, Werkzeuge, Schmuck und Geschirr im Umfang von rund 400 Kilogramm vorgestellt worden. Beide Ausgrabungsfunde stammen von dem Gelände eines Autozulieferers und waren nur etwa 200 Meter voneinander entfernt. Nachdem das Werk geschlossen wurde und dort nun Wohnungen gebaut werden sollten, konnten die Archäologen das Areal umfassend untersuchen. Es gebe bisher weniger als zehn vergleichbare Entdeckungen in Deutschland, sagte Augsburgs Stadtarchäologe Sebastian Gairhos zu den Silbermünzen. In Bayern sei es bislang der größte römische Silberschatz. Besonders die Menge der Münzen in Silber mache den Fund für Archäologen bedeutend, sagte auch Professor Stefan Krmnicek von der Universität Tübingen. Im dortigen Institut für klassische Archäologie sollen die Silbermünzen im Rahmen einer Doktorarbeit in den nächsten drei Jahren restauriert und wissenschaftlich dokumentiert werden. Die Forscher erhoffen sich, dass dann Aussagen zum Hintergrund der Anfang des dritten Jahrhunderts nach Christus vergrabenen Silbersammlung möglich sind. Gairhos kann sich vorstellen, dass es sich um das Barvermögen eines Wein- oder Textilgroßhändlers handelte, der in der damaligen Provinzhauptstadt Geschäfte machte.

Silbermünzen 100 oder gar 200 Jahre im Umlauf

Die Römer hatten sich vor mehr als 2000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Stadt Augsburg niedergelassen. „Augusta Vindelicum“ wurde dann einige Zeit später zur Hauptstadt der römischen Provinz Raetia. Die nun entdeckten Silbermünzen stammen großteils aus dem ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus. Der Stadtarchäologe sagte, damals sei es bei den Römern üblich gewesen, dass Denare, wie Silbermünzen genannt werden, 100 oder gar 200 Jahre im Umlauf sind. Der Wert der ausgegrabenen Münzen habe etwa elf Jahresgehältern eines Legionärs entsprochen. Gairhos erläuterte, dass die Römer immer wieder größere Geldmengen vergraben hätten. In den nördlichen Römerprovinzen würden deswegen zwar häufiger Münzsammlungen entdeckt, die aber meist nur wenige hundert Münzen umfassten. „Es sind ganz selten mehr als 1000, und dann sind es keine Silbermünzen“, meinte der Stadtarchäologe.

„Bis zu einem römischen Museum ist es ein langer Weg“

Der bedeutendste römische Münzschatz in Deutschland wurde 1993 in der Römerstadt Trier entdeckt. Bei Bauarbeiten kamen damals 2600 Goldmünzen mit einem Gewicht von 18,5 Kilo zutage. Der Trierer Goldschatz sei aber wesentlich kostbarer, sagte Gairhos. Eine Goldmünze habe bei den Römern den Wert von 25 Silbermünzen gehabt. Die beiden jüngsten Augsburger Römerfunde setzen nun auch die Verantwortlichen der Stadt unter Druck. Denn das Augsburger Römermuseum musste vor fast einem Jahrzehnt wegen baulicher Mängel geschlossen werden - und ein Nachfolger ist weiterhin nicht in Sicht. Dass Augsburg als eine der ältesten Städte der Bundesrepublik sein römisches Erbe nicht angemessen präsentiert, sorgt immer wieder für Kritik. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sagte nun angesichts der Entdeckungen zu, dass die Verwaltung Konzepte entwickeln werde, wie die Römerfunde den Menschen gezeigt werden können. Angedacht ist unter anderem eine virtuelle Erlebnistour. Zunächst sollen Teile des Silberschatzes von 17. Dezember bis 9. Januar 2022 vorübergehend ausgestellt werden. Doch die Rathauschefin machte auch klar: „Bis zu einem römischen Museum ist es ein langer Weg.“

dpa