Siegburg: Ethik-Aufgabe bedient rassistische Stereotype (Others)
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Für Aufregung sorgte eine jüngst einem Grundkurs Ethik am Gymnasium Siegburg Alleestraße vorgelegte Aufgabe, die zuerst im Wege eines Dialogs mit dem Tischnachbarn erörtert und später offenbar im gesamten Kurs besprochen werden sollte.

Die Schüler sollten die Konflikte in einer Situation besprechen, die wie folgt dargestellt wurde:
„Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines verstorbenen Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern.“

Verantwortliche für Unterrichtsmaterial überprüfen

Die Arbeitsaufgabe wurde in weiterer Folge dem Solinger Rechtsanwalt Fatih Zingal geleakt, der das Arbeitsblatt auf seinem Facebook-Account dokumentierte.

Dazu erklärte Zingal:

„Stereotype, Rassismus und Vorurteile entstehen nie ohne Grund. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass auch unser Bildungssystem durchzogen ist von Ressentiments und latentem Rassismus. Die Verantwortlichen dieses Unterrichtsmaterials sollten überprüft werden. Möchte nicht wissen, wie viele türkeistämmige Schüler von diesen Lehrkräften in der Vergangenheit benachteiligt worden sind.“

Angehörige zu TRT Deutsch: „Unterschwelliger Rassismus nicht zu tolerieren“

Auch an der Schule selbst regt sich Kritik aus den Reihen der Schüler und Eltern. Eine Angehörige eines Schülers, die aus Furcht vor Konsequenzen namentlich nicht genannt werden will, äußerte gegenüber TRT Deutsch, ihr Neffe sei unter den Betroffenen gewesen und habe die Unterrichtsfrage als „sehr fragwürdig“ empfunden. Um Nachteile zu vermeiden, habe er die Angelegenheit im Unterricht nicht angesprochen.

„Er war sehr traurig darüber und teilte diesen Unterrichtsinhalt mit uns, was uns sehr empörte“, erklärte die Angehörige. Sie sei selbst in Deutschland zur Schule und aufs Gymnasium gegangen.

Man könne „diese Form von unterschwelligem Rassismus im Unterricht nicht tolerieren“, äußerte sie weiter. Es sei „unglaublich frustrierend, dass ein Kind, das in vierter Generation hier in Deutschland lebt, noch solchen Dingen ausgesetzt sein muss“.

Geschichte-Preis für Arbeit über männliche Funkenmariechen

Besondere Pikanterie: Erst im November 2021 hatten vier Schüler des Gymnasiums Siegburg Alleestraße vordere Plätze beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten belegt. Die Jury hatte dabei eine interaktive Webseite und ein selbst produziertes Video gewürdigt.

Die Beiträge befassten sich thematisch allerdings nicht mit Rassismus und der Dämonisierung von Bevölkerungsgruppen in Deutschland in Geschichte und Gegenwart – sondern mit Männern als „Funkenmariechen“ im Karneval und dem Fußball-Weltmeisterschaftsspiel zwischen der BRD und der DDR im Jahr 1974.

Fatih Zingal beanstandet nicht zum ersten Mal rassistische und stereotype Inhalte in Unterrichtsmaterial an deutschen Schulen. Erst vor wenigen Wochen hatte er darauf hingewiesen, dass sich ähnliche Darstellungen im Buch „Lippels Traum“ von Paul Maar finden, wo eine fiktive „Hamide“ an einer Stelle erzählt, dass sie während ihres Türkeiurlaubs von ihrer Tante geschlagen worden sei – weil sie auf der Straße kein Kopftuch getragen habe.

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TRT Deutsch