Archivbild. 19. August 2021, Berlin: Gil Ofarim kommt zum Fotocall zu „The absolut art of togetherness art talk“ im Hotel de Rome. Rund sechs Monate nach den Antisemitismus-Vorwürfen des Musikers Gil Ofarim hat die Staatsanwaltschaft Leipzig nun Anklage wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung gegen den Künstler erhoben. (dpa)
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Ein halbes Jahr nach seinen Antisemitismusvorwürfen gegen einen Hotelmitarbeiter hat die Staatsanwaltschaft Leipzig den Musiker und Schauspieler Gil Ofarim wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung und Verleumdung angeklagt. Das Verfahren gegen den Leipziger Hotelmitarbeiter wurde hingegen eingestellt, wie die Ermittlungsbehörde am Donnerstag mitteilte.

Aufgrund der großen öffentlichen Wirkung des Falls sei die Anklage zum Landgericht und nicht zum Amtsgericht erfolgt. Für die angeklagten Taten drohen dem 39 Jahre alten Ofarim bis zu fünf Jahre Haft.

Heiko Maas trat mit offenbar voreiliger Äußerung an die Öffentlichkeit

Ofarim berichtete im Oktober in einem im sozialen Netzwerk Instagram veröffentlichten Video, dass er in dem Leipziger Hotel aufgefordert worden sei, seine Kette mit Davidstern abzunehmen. Die Veröffentlichung des Videos durch Ofarim schlug hohe Wellen. Unter anderem zeigte sich der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) „fassungslos“ und forderte einen „Schulterschluss der Gesellschaft“ gegen Antisemitismus.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte sich der von Ofarim geschilderte Vorfall aber nicht zugetragen. Es seien umfangreiche Ermittlungen erfolgt und zahlreiche Zeugen vernommen worden. Die Staatsanwaltschaft habe als Ergebnis keine Feststellungen treffen können, die das Geschehen bestätigten. Da damit kein Tatverdacht gegen den Hotelmitarbeiter bestehe, sei dessen Verfahren eingestellt worden.

Betreiber des betroffenen Hotels erleichtert

Demgegenüber bestehe aber ein hinreichender Tatverdacht, dass Ofarim mit dem Wissen um die Unwahrheit seiner Äußerungen und in Kenntnis der sich daraus für den betroffenen Hotelmitarbeiter ergebenden ehrverletzenden und in der öffentlichen Meinung herabwürdigenden Folgen sein Video veröffentlicht habe. Außerdem werde Ofarim vorgeworfen, bei einer polizeilichen Vernehmung am 12. Oktober nicht nur den falschen Geschehensablauf wiederholt, sondern ihn außerdem ausdrücklich angezeigt zu haben.

Die Betreiber des betroffenen Hotels „The Westin Leipzig“ erklärten, das gesamte Team des Hotels sei äußerst erleichtert. Dabei erinnerten sie daran, dass auch eine von dem Hotel beauftragte Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei keine Hinweise auf straf- oder arbeitsrechtliche Vergehen des Mitarbeiters ergeben habe.

Da dieser aber persönlich in sozialen Medien massiv bedroht worden sei, sei aus Fürsorgegesichtspunkten entscheiden worden, dass er seine Aufgaben weiterhin noch nicht wieder vollumfänglich wahrnehmen könne.

Das Landgericht Leipzig muss nun über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Gil Ofarim ist der Sohn des 2018 verstorbenen israelischen Sängers Abi Ofarim. Gil Ofarim stand in mehrere Fernsehfilmen und -serien vor der Kamera und veröffentlichte verschiedene Musikproduktionen.

Ministerpräsident: Ofarim schadete Sachsen und jüdischer Gemeinschaft

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat Gil Ofarim kritisiert. Dieser habe „nicht nur den Mitarbeiter, das Hotel, die Stadt und Sachsen in Misskredit gebracht, sondern auch Schaden an der jüdischen Gemeinschaft angerichtet“, sagte Kretschmer am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. „Das Mindeste, was man nun erwarten kann, ist eine Entschuldigung – auch von denen, die vorschnell ihre Schlüsse gezogen und vorverurteilt haben.“
Es sei „das Schlimmste, jemanden als Antisemit zu bezeichnen“, sagte Kretschmer. „Dies für Falschaussagen und Verleumdung zu missbrauchen ist schockierend und zutiefst verachtenswert.“ Er verwies darauf, dass das in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene Vertrauen zwischen Deutschen und Juden nicht selbstverständlich sei, sondern „ein hohes und wertvolles Gut, ein Wert, den wir uns nicht zerstören lassen“.
Bei Twitter, wo der Ministerpräsident letztere Sätze wiederholte, kritisierten viele die Differenzierung „zwischen Deutschen und Juden“. Am späteren Abend erwiderte Kretschmer darauf: „Zur Klarstellung: Deutschland steht zurecht in einer besonderen historischen Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. Heute gibt es zum Glück wieder ein vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland und eine große Zahl deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.“

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AFP