Das ehemalige katholische Piusheim (Archivbild) (dpa)
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Gut ein Jahr nach dem ersten Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen in dem früheren katholischen Piusheim bei München haben sich inzwischen 14 weitere Betroffene bei der Opfer-Initiative „Eckiger Tisch“ gemeldet, wie deren Sprecher Matthias Katsch sagte.

Die Erzdiözese München und Freising zählte bis zum Jahresbeginn nach Angaben eines Sprechers insgesamt elf Verdachtsfälle, die Staatsanwaltschaft München II, die in der Sache im vergangenen Jahr Vorermittlungen aufgenommen hatte, spricht von zehn. Inwieweit sich die Meldungen an Staatsanwaltschaft, Erzdiözese und „Eckigen Tisch“ überschneiden, war unklar. Ein Prozess am Landgericht München II hatte die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2020 ausgelöst. Sie richteten sich zunächst gegen einen früheren Erzieher des ehemaligen Jugenddorfes Piusheim in Baiern (Kreis Ebersberg) nahe München und einen Geistlichen. Bis zum Jahresbeginn konnten aber nach Angaben einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft „weder konkrete Taten noch konkrete Beschuldigte ermittelt werden“.

Sexpartys und Prostitution im Erziehungsheim der Katholischen Kirche

Ein Großvater, der selbst wegen jahrelangen und massenhaften schweren Missbrauchs an seinen Enkeln und deren Freunden angeklagt ist, hatte vor Gericht ausgesagt, als Jugendlicher in dem Erziehungsheim der Katholischen Kirche schwer missbraucht worden zu sein. Er sprach von Sexpartys und Prostitution und davon, dass ein Mitschüler sich in dem Heim das Leben genommen habe. Im Januar wurde der Mann zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Er habe eine „dissoziale Persönlichkeit“, sagte der Vorsitzende Richter am Freitag. Seine „desaströse Kindheit“ habe dem Angeklagten „ein völlig abseitiges Wertesystem“ vermittelt. Das, was der Angeklagte in dem katholischen Heim erleben musste, habe ihn „für das Leben gezeichnet“, sagte der Richter - und dazu geführt, dass er „das, was er den Kindern über Jahre antat, für Liebe gehalten“ habe. „Eckiger Tisch“ wünscht zusätzliche Ressourcen

„Es tut mir sehr weh, dass wir nicht die Ressourcen haben, um eine Begleitung und Beratung zu ermöglichen, wie sie das eigentlich verdient haben“, sagt Katsch über die Betroffenen, die sich beim „Eckigen Tisch“ gemeldet haben. „Das wäre dringend nötig. Denn diese Menschen haben ihr Leben lang mit ihrer Geschichte im Schatten gelebt, und verdienen jetzt Aufmerksamkeit und Anerkennung“, betonte er. Er sieht die Anlaufstelle für Heimkinder in Bayern in der Pflicht: „Ich hoffe, dass die geplante Intensivierung der Arbeit da einen Beitrag leisten kann. Hier ist dringend mehr Engagement nötig.“

dpa