Krankenhaus / Photo: DPA (dpa)
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Meist ist sie eine Alterserscheinung, teils eine medikamentöse Nebenwirkung: die Osteoporose. Wenn die Knochenmasse abnimmt, merken wir für gewöhnlich erst einmal nichts davon. Erst wenn Stürze und Brüche unsere gewohnte Lebensqualität einschränken oder sogar Pflegebedürftigkeit eintritt, horchen Betroffene auf. Zum Weltosteoporosetag haben wir Gisela Klatt, Präsidentin des Bundesselbsthilfeverbands für Osteoporose e.V. (BfO), gefragt, wie man Osteoporose mit Hilfe von Ernährung und einem aktiven Lebensstil vorbeugen kann. Im Gespräch mit TRT Deutsch erzählt die Osteoporose-Expertin auch, wo Betroffene Hilfe finden und wie sich die Versorgungslage in Deutschland allgemein verbessern könnte.

Frau Klatt, wie viele Deutsche sind von Osteoporose betroffen?

Rund sechs Millionen. Betroffen sind hauptsächlich ältere Menschen, mitunter auch jüngere. Die Prävalenz ist bei Frauen eindeutig höher als bei Männern, wobei auch Männer durchaus Osteoporose bekommen können. Frauen bekommen Osteoporose oft schon nach der Menopause, Männer meist erst ab einem Alter von 70 Jahren.

Unsere Erfahrungswerte zeigen auch: Jüngere bekommen Osteoporose in der Regel als Folge einer Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten – beispielsweise Anti-Epileptika und durch eine längerfristige Einnahme von Kortison. Wer Kortison bekommt, sollte deshalb parallel auch Knochenmedikamente einnehmen.

Auf Grund einer genetischen Disposition in der Familie haben Jüngere eher selten Osteoporose. Wer älter ist und einen Knochenbruch hat, wird schon eher nach der familiären Veranlagung gefragt.

Wie stellen Betroffene in der Regel fest, dass sie Osteoporose haben?

Meistens eigentlich erst nach einem Bruch, wenn man das Glück hat, dass der Arzt weiter forscht. Es gibt Menschen, die eindeutig osteoporotische Brüche haben. Dazu gehören der Knochenbruch des Handgelenks, der Oberschenkelhalsbruch und Wirbelbrüche. In diesen Fällen sollten Ärzte Patienten immer sofort zu einer DXA-Messung schicken.

Das passiert leider in den meisten Fällen nicht. Nur 20 bis 25 Prozent der Betroffenen werden wirklich richtig behandelt. Die Osteologen des Dachverbands Osteologie (DVO) stellen immer wieder fest, dass an der Basis nicht weitergeforscht wird – selbst, wenn Brüche eindeutig sind. Zum Beispiel dann, wenn Menschen sich einfach nur bücken und dabei ihre Wirbel brechen. Da müssen alle Alarmglocken klingeln.

Wie findet man heraus, dass man eine niedrige Knochendichte hat?

Man kann die abnehmende Knochendichte nur durch eine Messung feststellen. Wer mit 40 Jahren schon in die Menopause kommt, kommt möglicherweise auf den Gedanken, das zu tun. Anzeichen vorher gibt es an sich jedoch nicht.

Osteoporose ist eine unsichtbare Krankheit, die anfangs auch gar keine Schmerzen bereitet. Bei Schmerzen geht man in der Regel sofort zum Arzt. Selbst gebrochene Wirbel lösen nicht immer Schmerzen aus. Vielfach wird das erst beim Röntgen der Wirbelsäule entdeckt.

Woher weiß man überhaupt, ob man Osteoporose hat: Lässt sich das testen?

Ja, Osteoporose lässt sich mittels DXA-Messung diagnostizieren. Orthopäden oder Radiologen besitzen in der Regel ein solches Gerät zur Knochendichtemessung. Die Untersuchung am Oberschenkelhals oder Wirbelsäule dauert rund 15 Minuten. Hierbei kommt nur wenig Strahlung zum Einsatz.

Ein T-Score von unter 1,0 gibt an, dass noch eine normale Knochendichte und damit keine Osteoporose vorliegt. Natürlich spielt auch das Alter eine Rolle bei der Bewertung der Osteoporose: Es macht z.B. einen Unterschied, ob man bereits mit 60 oder erst mit 85 einen T-Score von 2,5 hat.

Wie sieht die klassische Therapie von Osteoporose aus?

Mittlerweile gibt es für Osteoporose richtig gute, allerdings auch teure Medikamente. Manche davon halten den Knochenschwund nur auf. Andere stabilisieren den Knochen und helfen, die Knochenmasse wiederaufzubauen. Sehr oft werden Bisphosphonate gegeben, die aber den Magen belasten: Die Patienten müssen nach jeder Einnahme teilweise eine halbe Stunde sitzen oder stehen. Inzwischen gibt es vielfach besser verträgliche Infusionen und Spritzen. Das neue Medikament Evenity beispielsweise darf jedoch z.B. nicht für Herzkranke eingesetzt werden.

Das Hauptproblem bei der Osteoporose-Therapie ist jedoch, dass rund 80 Prozent der Patienten innerhalb eines Jahres die Medikamenten-Einnahme abbrechen, weil die Patienten keine kurzfristige Wirkung beobachten können. Eine langfristige Einnahme ist jedoch wichtig, damit die Medikamente anschlagen können. Dieses Problem hat man bei Spritzengabe nicht. Heilkundliche Therapien gibt es bei Osteoporose hingegen gar nicht.

Auf was sollten Osteoporose-Betroffene beim Lebensstil sonst noch achten?

Vitamin D ist essentiell für die Knochen. Für die richtige Dosis an Vitamin D ist es wichtig, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde mit freien Armen in die Sonne zu gehen – im Alter am besten, entgegen dem Ratschlag vieler Dermatologen, ohne Sonnenschutzcreme. Denn je älter die Haut ist, desto schlechter nimmt sie Vitamin D durch die Sonne auf.

Daher ist es wichtig, zusätzlich Vitamin D für die Knochen einzunehmen. Zudem hilft es, sich mehr zu bewegen, also einen aktiven Lebensstil zu pflegen, und die eigene Ernährung umzustellen. Damit lässt sich viel erreichen.

Wie sieht eine auf Osteoporose abgestimmte Ernährung aus?

Es ist wichtig, sich kalziumreich zu ernähren: Pro Tag sollte man 1000 bis 1500 mg Kalzium zu sich nehmen. Das geht z.B. durch Mineralwasser mit einem hohem Kalzium-Anteil ab 300 mg/l. Kalziumreich sind außerdem Käse, Milch und grüne Gemüse-Sorten wie Brokkoli, Blattspinat und Grünkohl. Die Ernährung ist bei Osteoporose sehr wichtig.

Inwiefern gibt es bei Osteoporose in Deutschland eine Versorgungslücke?

Nur 20 bis 25 Prozent der Osteoporose-Betroffenen in Deutschland erhalten überhaupt eine Behandlung. Das liegt zum großen Teil daran, dass viele Betroffene auf Grund fehlender Schmerzen gar nicht wissen, dass sie Osteoporose haben. Erst bei schmerzhaften Brüchen, etwa am Handgelenk, fällt ihnen die Erkrankung auf.

Ein weiteres Problem bei der Versorgung ist, dass Patienten die DXA-Messung in der Regel aktuell selbst zahlen müssen – es sei denn, es sind bereits Wirbelbrüche vorhanden. Dann wird die Messung kassenseitig übernommen. Dafür haben wir uns von 2006 bis 2013 mit unserem Verband stark gemacht, doch leider nur mit mäßigem Erfolg.

Viele Ärzte haben ihre Kassenzulassung für ihre Geräte zurückgegeben und rechnen nur noch als IGeL Leistung ab. Außerdem hat nicht jeder den gleichen Zugang: Wer auf dem Land wohnt, hat es oftmals schwer, überhaupt einen Arzt mit Messgerät in der Nähe zu finden.

Bei privater Zahlung kostet die IGeL-Leistung etwa 50 bis 80 Euro. Natürlich sollte einem die Vorsorge das wert sein. Andere Länder gehen hier deutlich proaktiver vor: In Spanien erhält z.B. jede Frau, die in die Menopause kommt, automatisch eine DXA-Messung.

Welche Herausforderungen sehen Sie auf Versorgungsseite noch?

Primär bürokratische Hürden: So gibt es für chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herzkrankheiten beispielsweise schon längst erfolgreich umgesetzte Disease-Management-Programme (DMP). Das DMP für Osteoporose wurde eigentlich am 1. Juli 2020 abgeschlossen, geriet aber durch Corona in Vergessenheit.

Jetzt initiieren manche Bundesländer das DMP für Osteoporose wieder – so z.B. in Schleswig-Holstein. Auch in Rheinland-Pfalz soll mit der AOK bald ein DMP abgeschlossen werden. Ob sich das aus Kostensicht für die Ärzte überhaupt rentieren wird, bleibt jedoch abzuwarten. In anderen Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen haben wir ebenfalls mit Abgeordneten gesprochen, ohne Erfolg.

Für die Zukunft der Versorgung hoffe ich, dass Ärzte, insbesondere Klinikärzte, bei Knochenbrüchen verstärkt darauf achten und überprüfen, ob Osteoporose vorliegen könnte.

Wo finden Osteoporose-Betroffene gute Anlaufstellen zur Beratung?

Unser Dachverband ist eine der zentralen Anlaufstellen in Deutschland. Wir haben elf Landesverbände, die Selbsthilfegruppen betreuen. Hier bieten Therapeuten mit Osteoporose-Schein wöchentliche Funktionstrainings an, die auf Muskeltraining abzielen. Durch starke Muskeln werden auch die Knochen stabilisiert und gestärkt.

Obwohl die Gymnastik im Wasser bei den Älteren sehr beliebt ist, bringt die Trockengymnastik aus ärztlicher Sicht deutlich mehr, da die Muskeln stärker beansprucht werden. Darüber hinaus veranstalten die Gruppen des BfO medizinische Vorträge und ermöglichen den regelmäßigen Austausch zwischen Betroffenen – der auch generell zum emotional-sozialen Wohlbefinden der Älteren beiträgt.

Wie lassen sich Stürze und Brüche vermeiden, wenn man Osteoporose hat?

Es ist gut, wenn man sich mit Techniken und Übungen gegen Sturzangst vertraut macht und allgemein mehr Kraft und Balance aufbaut. In Osteoporose-Selbsthilfegruppen üben wir kontrolliertes Fallen, das Aufstehen nach Stürzen und erfahren, auf welche Stolperfallen man im Haus achten sollte.

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e. V. (BfO) ist der Dachverband für rund 260 Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland und zählt 13.000 Mitglieder. Er ist unabhängiger, kompetenter Ansprechpartner für das Krankheitsbild Osteoporose und ihre Therapie. (www.osteoporose-deutschland.de)