Karls­ruhe verhandelt über Rechte von leiblichen Vätern / Photo: DPA (dpa)
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Die Rechte von Vätern haben am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt. Ein Mann aus Sachsen-Anhalt rief die Verfassungsrichter an, weil er zwar biologischer Vater eines inzwischen Dreijährigen ist, aber auch rechtlich sein Vater sein will. Rechtlicher Vater des Jungen ist allerdings bereits der neue Lebensgefährte der Mutter. (Az. 1 BvR 2017/21)

Es geht dabei um eine Herausforderung, die viele Trennungsfamilien betrifft. Die Eltern trennten sich kurz nach der Geburt, das Kind blieb bei der Mutter, und der leibliche Vater hat ein Umgangsrecht. In dem Fall gab es allerdings einige Besonderheiten. Die Eltern waren nicht verheiratet, und zum Zeitpunkt der Trennung hatte der leibliche Vater noch keine Vaterschaftsanerkennung abgegeben. Das wollte er danach tun.

Der neue Partner der Mutter kam ihm aber zuvor. Noch während des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens ließ er sich mit Zustimmung der Kindsmutter beim Standesamt als rechtlicher Vater des Jungen eintragen. Inzwischen lebt er seit etwa drei Jahren mit der Frau und dem Kind zusammen.

Zwar können leibliche Väter die rechtliche Vaterschaft eines anderen Manns grundsätzlich anfechten. Wenn der rechtliche Vater mit dem Kind über längere Zeit in einer Familie zusammenlebt und Verantwortung für es trägt, geht das aber nicht.

Als maßgeblichen Zeitpunkt für das Bestehen einer solchen sozial-familiären Beziehung sah das Oberlandesgericht Naumburg den Termin der letzten mündlichen Verhandlung - also den Abschluss, nicht die Einleitung des Verfahrens - und stützte sich dabei wiederum auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Das Gesetz soll dabei vor allem das Kindeswohl schützen. Nach bisherigem Verständnis könne es zu Rollenkonflikten und Kompetenzstreitigkeiten kommen, wenn es mehr als zwei Elternteile gebe, sagte der Berichterstatter in dem Verfahren, Verfassungsrichter Henning Radtke, in Karlsruhe.

Doch in der Verhandlung wurde deutlich, dass diese Ansicht und die Schlussfolgerungen daraus sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Politik und Justiz mittlerweile umstritten sind. Das Gericht befragte zahlreiche Sachverständige, um sich vor allem über die „Bindungssituation von Kindern“ zu informieren, wie Gerichtspräsident Stephan Harbarth sagte.

Die Expertinnen und Experten betonten, wie wichtig eine sichere Bindung schon im Babyalter sei. Allerdings gebe es keinen gesicherten Forschungsstand zu der Frage, wie sich Umstände wie in dem Fall aus Sachsen-Anhalt auf Kinder auswirkten.

Bundesregierung will Abstammungsrecht ändern

Neben dem leiblichen Vater waren auch die Kindsmutter und ihr Lebensgefährte nach Karlsruhe gereist. Ihr Anwalt erklärte, dass die Verfassungsbeschwerde des früheren Partners die Frau in ein schlechtes Licht rücke. Der leibliche Vater hätte seine Vaterschaft bereits vor der Geburt anerkennen können, argumentierte er - stattdessen habe er die Kindsmutter „allein gelassen mit dem Risiko der alleinigen Elternschaft“.

Die Bundesregierung kündigte bereits an, das Abstammungsrecht ändern zu wollen. Es gebe hier einen grundsätzlichen Reformbedarf, sagte Angelika Schlunck, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, bei der Verhandlung. Unter anderem solle Komutterschaft ermöglicht werden, also die Anerkennung einer zweiten Frau als Mutter bei lesbischen Ehepaaren. Zudem solle das Recht von Kindern gestärkt werden, Informationen über ihre leibliche Abstammung zu bekommen.

Die geplanten Reformen würden voraussichtlich auch Auswirkungen auf Fragen der Vaterschaft haben, schätzte Schlunck. Da es sich insgesamt um eine „größere Weichenstellung“ handle, werde sie aber wohl erst zum Ende der Legislaturperiode im Sommer 2025 vorgestellt. Bis dahin dürfte das Urteil des Verfassungsgerichts gefallen sein. Es wird meist einige Monate nach der mündlichen Verhandlung verkündet.

AFP