21.09.2021, Bayern, München: Der Angeklagte steht zum Prozessauftakt an seinen Platz im Gerichtssaal des Landgerichts München I. Dem Mann wird vorgeworfen, seine Partnerin jahrelang in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt zu haben. (dpa)
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Das Telefon abgestellt, die Fenster zugeklebt, die Tür verschlossen: Mehrere Jahre lang soll ein heute 63-Jähriger seine Lebensgefährtin in ihrer Wohnung in der bayerischen Landeshauptstadt eingesperrt haben. Am Dienstag begann am Landgericht München I der Prozess gegen ihn wegen Freiheitsberaubung und mehrfacher Vergewaltigung.
Laut Anklage hinderte der Mann seine Freundin jahrelang daran, ohne ihn aus dem Haus zu gehen. Zuletzt habe sie die Wohnung gar nicht mehr verlassen dürfen. Er soll Überwachungskameras und Bewegungsmelder installiert und ihr Festnetztelefon abgemeldet haben, damit sie keinen Kontakt mehr zu ihren Freundinnen aufnehmen konnte.
Im gemeinsamen Italien-Urlaub soll er ihren Fuß mit einer Kette ans Bett gefesselt haben, damit sie das Zimmer nicht verlassen kann. Zuletzt soll auch der Angeklagte selbst den ganzen Tag in der Wohnung verbracht und die Frau überwacht haben. Lebensmittel bestellte er beim Lieferservice. Tatmotiv Eifersucht
Das mutmaßliche Motiv für all das: Eifersucht. „Angst vor anderen, vor allem jüngeren Männern“, sagt die Staatsanwältin. 2014 soll er die Fenster der Münchner Wohnung mit Papier und Folie zugeklebt haben, damit sie nicht nach draußen schauen und dort andere, jüngere Männer sehen konnte. Er soll sie gezwungen haben, 500 Mal in ein Heft zu schreiben: „Ich schaue keine Männer an.“ Immer wieder soll er die Frau vergewaltigt haben, um sie zu bestrafen. Zu ihrem Alter gab es am Dienstag zunächst keine Angaben.
Aus ihrer Situation befreit wurde die Frau nach Angaben der Staatsanwaltschaft von der Polizei – „körperlich angeschlagen und kraftlos“. Die Hausverwaltung hatte die Beamten informiert, weil die Frau nur noch per Post geantwortet hatte, aber lange nicht mehr gesehen wurde und die Tür nicht öffnete, wenn jemand klingelte.
Der Mann selbst, der aus seiner Heimat in Griechenland nach Deutschland ausgeliefert wurde und hier nun in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, erzählt eine ganz andere, schwer nachvollziehbare Geschichte.
„Ich bin Staatsfeind Nummer eins“
Er bestreitet die Vorwürfe. „Die Anklageschrift ist wertlos, allen Punkten habe ich widersproche“, sagt er. Seine Lebensgefährtin habe einen Schlüssel gehabt und die Wohnung verlassen können. Die Frau lüge. Allerdings sei das Verlassen der Wohnung gefährlich gewesen. Denn die Kriminalpolizei und der Bundesnachrichtendienst (BND) hätten es auf ihn abgesehen. „Ich bin Staatsfeind Nummer eins.“
Er berichtet davon, dass Kripo-Beamte ihm überall auflauern und versuchen würden, ihn umzubringen - mit Gift im Cappuccino oder in Pommes mit Ketchup. Laut Anklage durfte die Frau, die er gefangen gehalten haben soll, ihre eigene Küche nicht mehr betreten - aus Angst davor, auch sie habe vor, ihn zu vergiften.
Die Staatsanwaltschaft, die dem Mann Freiheitsberaubung und Vergewaltigung in 30 Fällen vorwirft, geht davon aus, dass er zwar paranoid und schizophren, mindestens in Bezug auf den Vergewaltigungsvorwurf aber schuldfähig ist. Insgesamt elf Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt. Das Urteil könnte damit am 15. Dezember verkündet werden.

dpa