Digitales Rezept einer fiktiven Patientin (dpa)
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Mit dem elektronischen Rezept, kurz E-Rezept, sollen im deutschen Gesundheitswesen zukünftig Zeit, Aufwand und Wege gespart werden. Gleichzeitig soll die Arzneimitteltherapiesicherheit steigen. Doch die praktische Umsetzung der bundesweiten digitalen Verordnung von Arzneimitteln lässt sich nun doch nicht wie geplant umsetzen – jedenfalls nicht so schnell.

Wie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) der gematik – Deutschlands nationaler Agentur für digitale Medizin, die das E-Rezept umsetzt – am 20. Dezember mitteilte, stehen die erforderlichen technischen Systeme „noch nicht flächendeckend zur Verfügung“, so dass die für den 1. Januar 2022 vorgesehene Pflicht zum E-Rezept vorläufig verschoben werden muss. Die nationale Testphase, die Anfang Dezember startete, läuft somit erst einmal weiter wie bisher.

Der Hintergrund: zu wenig Erfahrung im Testbetrieb

Während Deutschlands Nachbar Österreich nach der Pilotierung seines E-Rezepts zum Jahresende auf 33.000 digital verordnete Rezepte innerhalb von vier Monaten zurückblickte, gab es hierzulande bis dato nämlich wenig bis keine Erfahrungsberichte über den praktischen Ablauf bei den Gesundheitsdienstleistern.

Anfang Dezember berichtete die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Testreihen bei Apotheken und Arztpraxen in Berlin-Brandenburg seien nicht aussagekräftig, da die Zielvorgabe von 1000 verschriebenen E-Rezepten mit weniger als 50 Verordnungen nicht erreicht worden sei.

Dies mache es auch fraglich, ob der digitale Prozess von der ärztlichen Verschreibung bis zur Einlöse beim Apotheker oder Online-Apothekenversand ab Januar überall reibungslos und fehlerfrei funktioniere, argumentierte die KBV. Das sei jedoch wichtig für die Patientensicherheit.

Das Papierrezept darf deshalb vorläufig weiter im Umlauf sein, so der neue Beschluss beim BMG. Gesundheitsversorger müssen das E-Rezept somit ab dem 1. Januar 2022 nur dann als einzige Verschreibungsform für apothekenpflichtige Arzneimittel anbieten, wenn sie dazu technisch bereits in der Lage sind.

Hannes Neumann, Produktmanager E-Rezept bei der gematik GmbH (Hannes Neumann)

TRT Deutsch im Interview mit Herrn Hannes Neumann, Produktmanager E-Rezept bei der gematik GmbH

TRT Deutsch: Welches Fazit ziehen Sie mit Blick auf die Testphasen des E-Rezepts – und welche Hürden gilt es noch zu überwinden?

Neumann: Die bisherige Testphase in der Fokusregion Berlin und Brandenburg wurde überführt in eine bundesweite Testphase der Primärsystemhersteller, die aktuell mit ihren Pilotarztpraxen nach Anmeldung bei der gematik E-Rezepte erstellen können. Dies wurde entschieden, da in der Fokusregion nur wenige Praxen und Apotheken Erfahrungen mit dem E-Rezept haben sammeln können. Seit dem 1. Dezember 2021 ist der Testbetrieb jetzt auch in anderen Regionen möglich. So können Anbieter von Praxis- und Apothekenverwaltungssystemen den Start des E-Rezepts weiter vorbereiten.

TRT Deutsch: Mittlerweile ist bekannt: Nur ein Bruchteil der geplanten E-Rezepte wurde erfolgreich abgerechnet. Auch Krankenhäuser waren bis jetzt kaum involviert. Worauf führen Sie die Probleme der Testphase zurück?

Neumann: Der Marktanteil der von der KBV zertifizierten Praxisverwaltungssysteme für das E-Rezept liegt mittlerweile bei mehr als 90 Prozent. Die Zertifizierung ist Voraussetzung für den flächendeckenden Start des E-Rezepts. Nicht alle Hersteller haben die Zertifizierung jedoch rechtzeitig erreicht, um im Oktober und November in die Tests einzusteigen. Weitere Hersteller haben in Berlin/Brandenburg keine medizinischen Einrichtungen mit ihren Installationen und baten um eine Ausweitung auf andere Regionen. Auch die Beteiligung der Krankenhäuser setzt die Installation der entsprechenden Updates durch deren Systemhersteller voraus. Hier begeben sich aktuell nun einige Krankenhäuser auf den Weg.

TRT Deutsch: Können Patienten ohne Smartphone weiterhin einen Papierausdruck mit 2D-Barcode vom Arzt erhalten und diesen in der Apotheke einlösen?

Neumann: Patienten können gegenüber ihren Ärzten wählen, ob sie einen Ausdruck bekommen möchten (siehe SGB V §360 Abs. 9) oder darauf verzichten und die E-Rezept-App der gematik nutzen wollen. Niemand wird also ein Smartphone nutzen müssen.

TRT Deutsch: Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung der E-Medikation?

Neumann: Das E-Rezept spart Patienten unnötige Wege, z.B. wenn die Praxis ein Folgerezept direkt digital auf die App übermittelt oder es in einer Fernbehandlung verordnet. Versicherte können Medikamente auch von zuhause in der Wunschapotheke vorbestellen und diese dann abholen oder ganz einfach liefern lassen.

Teilnahme am E-Rezept: Das sind die Voraussetzungen

Für die erfolgreiche Systemumstellung und Erprobung braucht es jetzt auf Seiten der Arztpraxen, Krankenkassen, Apotheken und Softwarehersteller noch weitere Tests, mitunter Software, Updates und Personalschulungen. Dafür müssen die Informationssysteme der Gesundheitsversorger den E-Rezept-Transfer noch umfassender testen. Bei den Krankenkassen ist der Empfang bereits sichergestellt.

Patientenseitig braucht es für die Teilnahme am E-Rezept eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit PIN und die zugehörige E-Rezept-App der gematik. Die kostenlose App mit dem Namen „Das E-Rezept“ ist in den gängigen App-Stores verfügbar und schnell installiert.

Wenn alles läuft: So wird das E-Rezept eingelöst

Ist der Rollout-Prozess einmal bundesweit abgeschlossen, gilt die Pflicht zur digitalen Verordnung dann auch flächendeckend: Patienten erhalten dann nach der ärztlichen Beratung in der Praxis oder per Videokonsultation ihren einlösbaren QR-Code nebst Einnahme- und Dosierungshinweisen in der App angezeigt. Wahlweise können sie den Rezeptcode in einer Apotheke vorzeigen, digital an die Apotheke ihrer Wahl versenden, die das Medikament zur Abholung bereitstellt oder nach Hause liefert, oder direkt bei einer Online-Apotheke einlösen.